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Die Corona-Warn-App soll am Dienstag vorgestellt werden.
© Stefan Jaitner/dpa

Handy checkt Nähe zu Infizierten: Was man über die Corona-Warn-App wissen muss

Sie weckt Hoffnung im Kampf gegen das Virus – und Befürchtungen. Jetzt ist sie fertig. Wie funktioniert die App? Was passiert mit den Daten?

Seit Monaten diskutieren Bundesregierung und Parlamentarier, Virologen und Digitalexperten, Datenschützer und Smartphone-Nutzer wie -Verächter über die Einführung einer Corona-Warn-App – am Dienstag wird sie nun vorgestellt, entwickelt von SAP und der Deutschen Telekom. Die App soll ihre Nutzer warnen, wenn sie einer infizierten Person über einen längeren Zeitraum zu nahe gekommen sind.

Das soll helfen, unentdeckte Ansteckungen aufzuspüren und Kontaktketten früh zu unterbrechen. Ob sie die Infektionszahlen nennenswert senken oder sogar eine zweite Welle der Epidemie verhindern kann, ist aber längst noch nicht klar. Ursprünglich sollte die App schon zu Ostern fertig sein. Politiker wie Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) oder auch der Virologe Christian Drosten hatten im Vorfeld große Erwartungen an eine technologische Lösung zur Eindämmung der Pandemie formuliert.

Ein Streit zwischen Entwicklern und Datenschützern um den richtigen technischen Ansatz und Probleme mit den notwendigen Schnittstellen von Apple und Google verzögerten das Projekt dann. Kritiker monieren, dass die Einführung nun zu spät komme, weil die Infektionszahlen inzwischen stark gesunken sind. Andererseits ist das Nachvollziehen von Kontaktketten nach wie vor essenziell, um die Pandemie unter Kontrolle zu halten, auch im Hinblick auf eine mögliche zweite Infektionswelle.

Inzwischen kommuniziert die Regierung aber vorsichtiger: Die App sei „kein Allheilmittel“, betont Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Einerseits kann sie nicht alle potenziell gefährlichen Kontakte erfassen, andererseits sind auch Fehlalarme möglich. Sie ersetzt auch weder Hygienemaßnahmen noch die persönliche Kontaktverfolgung durch die Mitarbeiter der Gesundheitsämter.

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Sie kann nur als ergänzendes Tool verstanden werden, das eine Begegnung erfassen kann, die sonst womöglich später oder auch gar nicht entdeckt worden wäre – etwa weil man sich nicht an sie erinnern kann oder weil sie zwischen Fremden in der U-Bahn stattfand.

Wie funktioniert die App?

Die App kann ab diesem Montagabend im Apple-App-Store oder im Google-Play-Store heruntergeladen werden. Man benötigt dazu ein Smartphone mit dem aktuellen Apple-Betriebssystem iOS 13.5 – das gibt es für Geräte ab dem iPhone 6s oder dem iPhone SE, ältere Geräte reichen nicht aus.

Bei Android-Handys benötigt man die Version Android 6 (Marshmellow), zudem muss Bluetooth Low Energy unterstützt werden. Auch auf neuen Huawei-Geräten wie dem Mate 30, P40 oder Honor 30 soll die App laufen. Aus Datenschutzgründen darf sie erst ab 16 Jahren genutzt werden. Um zu informieren, wenn man sich in der Nähe infizierter Personen aufgehalten hat, nutzt sie die Bluetooth-Funktechnik, die sonst eigentlich zum Verbinden mit kabellosen Kopfhörern oder Lautsprechern verwendet wird. Darüber wird ständig eine Identifikationsnummer in die nähere Umgebung gefunkt. Gleichzeitig empfängt das Telefon die Bluetooth-Signale von anderen. Halten sich zwei Menschen, die beide die App benutzen, für eine bestimmte Zeit in unmittelbarer Nähe zueinander auf, tauschen die Smartphones ihre Identifikationsnummern aus und speichern sie ab.

Nachvollziehbar: Wer wem wie lange wie nahe war, registriert die neue Corona-Warn-App für ihre Nutzer; und meldet allen Kontaktpersonen, wenn sich jemand krank meldet.
Nachvollziehbar: Wer wem wie lange wie nahe war, registriert die neue Corona-Warn-App für ihre Nutzer; und meldet allen Kontaktpersonen, wenn sich jemand krank meldet.
© Hans Lucas/Imago

Wie genau ist ihre Messung?

Die Abschätzung der Entfernung anhand der Stärke des Funksignals ist eine der großen technischen Herausforderungen. Die Funktechnik wurde nicht für die Abstandsmessung entwickelt und je nach Handy unterscheidet sich die Sendeleistung. Entwickler von SAP und Deutscher Telekom haben dafür eng mit dem Fraunhofer-Institut und Google zusammengearbeitet. Die App soll Begegnungen im Umkreis von etwa zwei Metern erfassen – aber nur, wenn sie mehrere Minuten gedauert haben. Wie lange genau, steht noch nicht fest und kann sich auch immer wieder ändern.

Wenn zwei App-Nutzer auf der Straße aneinander vorbeigehen, wird das nicht gespeichert. Dafür könnten zwei Personen, die sich nebeneinander befinden, aber von einer Glasscheibe getrennt sind, als Kontakte registriert werden. Auch ob Menschen in der Bahn Rücken an Rücken oder sich gegenübersitzen, ob sie sich küssen oder eine Maske tragen, kann die App nicht unterscheiden.

Grafik: Die Corona Tracing App
Grafik: Die Corona Tracing App
© Tagesspiegel/ Rita Böttcher

Was passiert, wenn sich ein Nutzer infiziert hat?

Wer positiv getestet wurde, erhält vom Gesundheitsamt einen QR-Code oder eine TAN von einer Telefonhotline, die in die App eingegeben werden können. So soll verhindert werden, dass Menschen fälschlicherweise Infektionen melden. Die Eingabe des Codes ist freiwillig. Nach Erhalt des Codes verschickt die App Warnungen an die registrierten Kontakte der vergangenen 14 Tage. Die Betroffenen bekommen lediglich die Information, dass sie Kontakt zu einem Infizierten hatten. Sie erfahren nicht, mit wem, wo oder wann – nur ob sich ihr Risiko, selbst infiziert zu sein, erhöht hat.

Krankmeldung. Wer ein positives Testergebnis bekommt, kann das seinen Kontaktpersonen anonym über einen Code mitteilen - wem man wo begegnet ist, erfährt man mit der Corona-Warn-App (hier eine italienische Ausgabe) nicht.
Krankmeldung. Wer ein positives Testergebnis bekommt, kann das seinen Kontaktpersonen anonym über einen Code mitteilen - wem man wo begegnet ist, erfährt man mit der Corona-Warn-App (hier eine italienische Ausgabe) nicht.
© Guglielmo Mangiapane/rtr

Für eine individuelle Beratung oder einen Test müssen sich Anwender an die üblichen Anlaufstellen wenden. „Es obliegt weiterhin dem Arzt beziehungsweise Gesundheitsamt, zu entscheiden, ob ein Test durchgeführt wird“, sagt Robin Houben aus dem Warn-App-Team des Robert-Koch-Instituts (RKI), das die Anwendung inhaltlich konzipiert hat: „Einen Anspruch auf einen Test wegen einer Warnmeldung der App gibt es nicht.“

Auch wer sich krankmelden will, braucht weiterhin ein ärztliches Attest und nicht einfach einen hohen Risikostatus in der App. Immerhin sieht ein Referentenentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium vor, dass die Krankenkassen Tests bezahlen sollen, wenn sie ein Arzt aufgrund von App-Warnungen vornehmen lässt.

Was passiert mit meinen Daten?

Es werden keine Ortsdaten gespeichert und auch nicht die Identitäten der App-Nutzer ausgetauscht, sondern nur die anonymisierten ID- Nummern, die sich mehrfach in der Stunde ändern. Die IDs der Kontaktpersonen werden nicht zentral gespeichert, sondern dezentral, direkt auf den Smartphones. Niemand erfährt, wer sich wann mit wem getroffen hat. Nur eine Liste der anonymisierten IDs der Infizierten wird für 14 Tage auf einem zentralen Server vorgehalten.

Verglichen werden sie ausschließlich auf den Smartphones selbst. Nach 14 Tagen werden die Daten gelöscht. Zahlreiche, auch von der Regierung unabhängige Experten haben den Code der App schon geprüft, unter anderem der Tüv. Bislang sind keine grundlegenden Bedenken zur Sicherheit geäußert worden. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber (SPD) hat die Lösung als „datenschutzfreundlich“ gelobt.

Treffen sich zwei ... und ihre Handys tauschen anonym eine ständig wechselnde ID aus. So funktioniert die neue Corona-Warn-App im Bild die italienische Variante.
Treffen sich zwei ... und ihre Handys tauschen anonym eine ständig wechselnde ID aus. So funktioniert die neue Corona-Warn-App im Bild die italienische Variante.
© Guglielmo Mangiapane/rtr

Wie viele Menschen müssen die App nutzen?

Damit die App gut funktioniert, muss sie von möglichst vielen genutzt werden. Das zeigt ein Rechenbeispiel von Professor Christophe Fraser von der Oxford-Universität: „Wenn zehn Prozent der Menschen die App nutzen, dann liegt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kontakt zwischen zwei Personen erkannt wird, bei zehn Prozent von zehn Prozent, was ein Prozent ist“.

Auf eine Studie von Fraser und seinem Team geht auch die oft genannte Angabe zurück, 60 Prozent der Bevölkerung müssten die App nutzen, damit sie wirksam sei. Das wären in Deutschland 50 Millionen Menschen.

Allerdings stellten die Wissenschaftler in ihrer Studie klar, dass auch geringere Nutzungszahlen hilfreich seien könnten: „Selbst bei einer geringeren Anzahl von App-Benutzern schätzen wir immer noch eine Verringerung der Anzahl der Coronavirus-Fälle und Todesfälle.“ Die Bundesregierung will sich nicht auf genaue Nutzerzahlen festlegen. „Wenn wir in den kommenden Wochen einige Millionen Bürger von der App überzeugen, dann bin ich schon zufrieden“, sagte Spahn.

Testphase. So wurde die neue Corona-Warn-App getestet: In Alltagssituationen wie etwa im Nahverkehr - mit vernetzten Helmen, Handys und Rechnern wurden ihre Sensibilität für Nähe und Zeit entwickelt.
Testphase. So wurde die neue Corona-Warn-App getestet: In Alltagssituationen wie etwa im Nahverkehr - mit vernetzten Helmen, Handys und Rechnern wurden ihre Sensibilität für Nähe und Zeit entwickelt.
© Handout/Fraunhofer IIS/dpa

Die Nutzung soll freiwillig bleiben, auch wenn manche Politiker schon mit Belohnungssystemen wie etwa Steuervorteilen liebäugelten. In China, Indien oder der Türkei gibt es einen Nutzungszwang, auch in Österreich wurde über eine Pflicht diskutiert.

Für Kelber ist das in Deutschland nicht vorstellbar – auch weil Gründe für Strafen schwer zu fassen wären: Eine Verpflichtung müsste auch sanktionierbar sein, doch in welchen Fällen sollten Polizei oder Ordnungsamt Strafen verhängen dürfen? Wenn man das notwendige Handymodell oder Betriebssystem nicht hat? Wenn Bluetooth nicht eingeschaltet ist? Wenn der Akku leer oder das Handy zu Hause liegen geblieben ist?

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 Wie sind die Erfahrungen im Ausland?

Mit Ausnahme einiger asiatischer Länder – wo die Apps teils verpflichtende Rundumüberwachungssysteme sind, deren Nutzung sich die Menschen nicht entziehen können – gab es bisher eher wenig Erfolgsmeldungen. Das liegt auch daran, dass die früh verfügbaren Apps oft nur eingeschränkt funktionierten.

So laufen auf Apple-Geräten Bluetooth-Apps normalerweise nicht dauerhaft im Hintergrund und sie beanspruchen den Akku stark, was viele Menschen von der Nutzung abhielt. Das ändert sich nun aber mit den Schnittstellen, die Apple und Google neu bereitgestellt haben, um diese technischen Probleme abzustellen.

In Island fand die App „Rakning C-19“ große Akzeptanz: Fast 40 Prozent der Einwohner haben sie heruntergeladen. Trotzdem war sie dort offenbar kein „Game Changer“, sagte ein Behördenvertreter gegenüber der „MIT Technology Review“ – ausbezahlt hätte sich auch in Island vor allem ein entschlossenes Vorgehen Tests, Rückverfolgung und der Isolierung von Infizierten.

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