Stichwahl am Sonntag: Was Le Pen und Macron mit Frankreichs Wirtschaft vorhaben
Die Finalisten der französischen Präsidentschaftswahl wollen ihr Land beide wirtschaftlich reformieren. Doch ihre Pläne unterscheiden sich zum Teil stark - und könnten für Europa weitreichende Konsequenzen haben.
Es steht viel auf dem Spiel. Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), meint gar, die Wahl sei für Frankreich so wichtig wie kaum eine andere seit dem zweiten Weltkrieg. Mit Marine Le Pen und Emmanuel Macron stehen sich schließlich zwei Präsidentschaftskandidaten gegenüber, die sehr unterschiedliche Vorstellungen haben: von der Zukunft Frankreichs in der EU wie auch von der Entwicklung der Wirtschaft im Land.
Beides ist für Frankreich wie für Europa enorm wichtig. Das Land ist die drittgrößte Volkswirtschaft der EU hinter Großbritannien und Deutschland. Doch anders als die Bundesrepublik hat Frankreich die Krise noch lange nicht überwunden. Die Arbeitslosigkeit im Land ist hoch, die Verschuldung enorm. „In Frankreich dürfte eine nachhaltige Erholung weiter auf sich warten lassen“, schreibt das Ifo-Institut. Deshalb haben sich sowohl Le Pen (Front National) als auch Macron (En marche) vorgenommen, Frankreich wirtschaftlich umzubauen.
Wie wollen Macron und Le Pen den Arbeitsmarkt reformieren?
Eines der Hauptprobleme Frankreichs ist der starre Arbeitsmarkt. Der Kündigungsschutz ist besonders stark ausgeprägt. Wollen Firmen jemanden entlassen, müssen sie hohe Abfindungen zahlen. Gerade kleine Unternehmen überlegen es sich daher zwei Mal, ob sie neue Mitarbeiter einstellen sollen. Auch deshalb sind noch immer 3,5 Millionen Franzosen ohne Job, die Arbeitslosenquote liegt bei zehn Prozent. Beide Kandidaten haben das Problem erkannt, bieten aber sehr unterschiedliche Lösungen an.
Macron setzt vor allem auf die Flexibilisierung des Arbeitsmarkts. So will er die Höhe der Abfindungen bei Kündigungen deckeln. Auch sollen die Unternehmen mehr Spielraum bei den Verhandlungen über Gehalt und Arbeitszeit bekommen. Ganz abschaffen will auch Macron die in Frankreich zementierte 35-Stunden-Woche zwar nicht: Er kann sich aber vorstellen, dass Jüngere künftig mehr, Ältere weniger arbeiten. Geht es nach ihm, soll der Staat zudem mehr Weiterbildungen für Arbeitslose anbieten, damit sie leichter einen Job finden. Außerdem sollen auch Selbstständige Zugang zur Arbeitslosenversicherung bekommen.
Le Pen hat ein anderes Rezept, es lautet: Abschottung. So will sie Firmen zum Beispiel bestrafen, wenn sie Ausländer beschäftigen statt Franzosen. Funktionieren soll das über eine Strafsteuer. Gleichzeitig will Le Pen bisherige Arbeitsmarktreformen zurückdrehen: So will sie eine Lockerung beim Kündigungsschutz wieder abschaffen. Außerdem sollen die Franzosen künftig bereits mit 60 Jahren in Rente gehen können – etwas, was Macron für undenkbar hält. 30 Milliarden Euro würde Frankreich das kosten, rechnet er vor. Und das, obwohl das Land schon jetzt ein Schuldenproblem hat.
Bleibt Frankreich in EU und Euro-Zone?
Noch vor drei Monaten war die Ansage von Le Pen deutlich: Sie wolle Schluss machen mit der Europäischen Union, sagte sie. Inzwischen hat sie das etwas abgeschwächt. Nun will sie vielmehr die Franzosen über den EU-Austritt abstimmen lassen. Frankreich könnte unter Le Pen in der EU bleiben, wenn sie ein lockerer Staatenbund wäre, in dem nationales Recht wieder Vorrang hätte. Auf keinen Fall soll Frankreich weiter in den EU-Haushalt einzahlen, meint Le Pen. Der Austritt aus der „Euro-Zone“ ist für sie dagegen nicht mehr „vorrangig“. Damit reagiert sie womöglich auf Umfragen, denen zufolge mehr als 70 Prozent der Franzosen einen Euro-Austritt ablehnen. Le Pen hat inzwischen eine andere Idee ins Spiel gebracht: Sie will Franc und Euro parallel einsetzen. Der Franc soll demnach die Währung für die Verbraucher sein („für das tägliche Leben der Franzosen“) – während die Unternehmen den Euro behalten würden.
Macron hält von einer solchen Doppelwährung nichts. Er ist bekennender „Proeuropäer“. Allerdings wünscht auch er sich eine Reform der Staatengemeinschaft. Zum Beispiel setzt er sich für den Posten eines Euro-Finanzministers ein: eine Idee, von der man in anderen Mitgliedstaaten wenig begeistert ist. Auch nicht in Deutschland. Zwar hat Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in der Vergangenheit bereits ebenfalls für die Schaffung eines solchen Postens geworben. Allerdings hat er eine ganz andere Vorstellung davon als Macron. Ginge es nach Schäuble, sollte ein Euro-Finanzminister vor allem die Einhaltung der Maastricht-Kriterien überwachen. Macron dagegen würde diesen EU-Finanzminister gerne mit einem umfangreichen Budget ausstatten. Das könnte dieser dann zum Beispiel ausgeben, um Investitionen in der Euro-Zone anzustoßen.
Wie geht es weiter in der Flüchtlingspolitik?
Macron hält es für eine moralische Pflicht, Flüchtlinge aufzunehmen. Gleichzeitig will er aber das Asylverfahren beschleunigen und Migranten ohne Bleiberecht zügig abschieben. Le Pens Kurs ist radikaler, sie verfolgt eine Anti-Islam-Politik. So will sie das Asylrecht massiv einschränken und Zuwanderung nach Frankreich stoppen. Überhaupt will sie die Grenzen Frankreichs wieder stärker kontrollieren, das Schengen-Abkommen aussetzen.
Könnte Macron Reformen durchsetzen?
An den Aktienmärkten wird bereits auf den Sieg von Macron gewettet. Auch deutsche Unternehmer setzen große Hoffnungen in ihn. Allerdings ist fraglich, wie viele seiner Reformvorhaben er als Präsident tatsächlich umsetzen könnte. So warnt Ifo-Chef Clemens Fuest davor, zu optimistisch zu sein. „Ein Sieg Macrons heißt nicht, dass dann alle Probleme gelöst sind“, sagt er. Für neue Gesetzesvorhaben braucht Macron die Mehrheit des Parlaments, das im Juni neu gewählt wird. Ob sich dabei seine erst vor einem Jahr gegründete Bewegung „En marche“ gegen die traditionellen Parteien durchsetzen kann, ist unklar. Gelingt das nicht, müsste Macron für jedes Vorhaben erneut um eine Mehrheit im Parlament ringen.
Carla Neuhaus