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Harter Schlagabtausch. Die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen und der Sozialliberale Emmanuel Macron.
© REUTERS/Eric Feferberg

TV-Duell vor Stichwahl in Frankreich: Marine Le Pen entzaubert sich selbst

Die TV-Debatte zwischen dem Sozialliberalen Macron und der Rechtsextremen Le Pen glich einer Schlammschlacht. Aber sie hatte gleichzeitig einen wesentlichen Effekt: Die selbsternannte „Kandidatin des Volkes“ stellte sich selbst bloß.

Vor dem Rededuell gaben sich Emmanuel Macron und Marine Le Pen zwar die Hand, aber die Samthandschuhe zogen die beiden Kontrahenten am Mittwochabend beim TV-Duell sofort aus. „Sie sind nicht die Kandidatin des Feingeistes“, sagte der Sozialliberale Macron. Wenig später warf die Chefin des rechtsextremen Front National (FN) Macron vor, mit den Bossen großer Firmen „in der Rotonde einen trinken zu gehen“ – eine Anspielung auf Macrons ausgelassene Siegesfeier in der Pariser Edelbrasserie „La Rotonde“ nach dem ersten Wahlgang des Präsidentschaftsrennens vor eineinhalb Wochen.

Mit diesem Schlagabtausch gleich zu Beginn der zweieinhalbstündigen TV-Debatte war der Ton gesetzt. Es war der Auftakt einer harten, teils konfusen Redeschlacht vier Tage vor der entscheidenden Stichwahl ums Präsidentenamt, bei der sich die beiden Kontrahenten nichts schenkten. Es war vor allem Le Pen, die ihr Gegenüber immer wieder frontal angriff – und sich damit am Ende selbst gründlich verkalkulierte.

Das von den Sendern TF1 und France 2 organisierte Duell war in mehrere Themenblöcke gegliedert – die wirtschaftliche Situation Frankreichs, der Kampf gegen den Terror, Europa und die internationale Politik. Doch letztlich ging es Le Pen nur um eines: den 39-jährigen Macron für mehr oder weniger alles in Haftung zu nehmen, was in den letzten Jahrzehnten in Frankreich schief gelaufen ist. „Herr Wirtschaftsminister, Herr Berater von Herrn Hollande“, sprach sie den ehemaligen Minister des scheidenden französischen Präsidenten Francois Hollande deshalb gleich zu Beginn süffisant an.

Le Pen verheddert sich bei Wirtschaftsthemen

Vor sich auf dem Tisch hatte Le Pen einen Stoß von Unterlagen hingelegt, in denen sie immer wieder hektisch herumblätterte. Sie warf Macron vor, als Wirtschaftsminister für den Verkauf französischer Großunternehmen wie des Telekommunikationsriesen SFR verantwortlich gewesen zu sein. Dabei übersah sie allerdings, dass Macron zum Zeitpunkt des SFR-Verkaufs im Jahr 2014 noch gar nicht Wirtschaftsminister war, sondern Berater im Elysée-Palast. Um ihn in die Enge zu treiben, las Marine Le Pen darauf hin aus einer Erklärung vor, die Macron in seiner Zeit als Wirtschaftsminister vor der Nationalversammung abgegeben hatte. In der Erklärung ging es allerdings nicht um das Telekommunikationsunternehmen SFR, sondern um den Energiegiganten Alstom. Mit ironischem Unterton merkte Macron daraufhin an, dass es einen Unterschied zwischen den beiden Unternehmen gebe – die einen stellen Telefone her, die anderen Turbinen.

Es war der Moment der Entzauberung der FN-Chefin, der sich vor den Augen eines Millionenpublikums abspielte. Le Pen merkte, dass sie in der Debatte ihrem Kontrahenten nicht gewachsen war. „Schüler und Lehrer zu spielen, das ist nicht mein Ding“, merkte sie trotzig an.

Vor 15 Jahren, als der Front National schon einmal in die Stichwahl ums Präsidentenamt eingezogen war, hatte sich der damalige Favorit Jacques Chirac noch einer Debatte mit der rechtsextremen Partei verweigert. Der konservative Gaullist wollte einen Schlagabtausch mit Jean-Marie Le Pen, dem Vater der heutigen FN-Chefin, nicht zulassen. Dagegen ließ es Macron diesmal auf das Duell mit der Tochter Le Pen ankommen - und ging als Sieger aus der Debatte hervor.

Noch nie war das Niveau eines TV-Duells so niedrig

Allerdings muss Frankreich einen hohen Preis dafür zahlen, dass Le Pen an der entscheidenden Debatte vor der Stichwahl teilnahm. Noch nie war das Niveau eines TV-Duells vor der zweiten Runde derart niedrig. Sachargumente spielten nur eine Nebenrolle, statt dessen bekamen die Franzosen vor allem von Le Pen im Wesentlichen Halbwahrheiten und Floskeln aus der Abteilung Attacke zu hören. Mehrmals bezichtigte Macron seinerseits die FN-Kandidatin der Lüge. Phasenweise erinnerten ihre Verbalangriffe an das großspurige Auftreten von Donald Trump bei den TV-Debatten mit Hillary Clinton.

Scharfe Angriffe beim Thema Europa

Nicht zuletzt beim Thema Europa vergröberte Le Pen die Sachverhalte. „Ihre Europäische Union, das bedeutet neun Milliarden Euro pro Jahr“, warf sie dem Pro-Europäer Macron an den Kopf. Dabei übersah sie allerdings, dass der Nettobeitrag Frankreichs zur EU nach den Angaben des EU-Parlaments im Jahr 2015 bei 4,5 Milliarden Euro lag.

Le Pen will aus dem Euro aussteigen, Macron will hingegen die Euro-Zone stärken – die denkbar unterschiedlichen Programme der beiden Kandidaten führten dazu, dass die gegenseitigen Vorwürfe in diesem Punkt besonders heftig waren. Gegenseitig warfen sich Le Pen und Macron vor, Ängste mit Blick auf gemeinsame Währung zu schüren. "Der Euro, das ist das Geld der Banker; das ist nicht das Geld des Volkes", hielt Le Pen dem ehemaligen Investmentbanker Macron vor. Deshalb müsse man wieder zur nationalen Währung zurückkehren, forderte sie.

Wie bei vielen anderen Themen auch konzentrierte sich Macron ebenfalls in diesem Streitpunkt darauf, die Widersprüche in den Äußerungen seiner Gegnerin offenzulegen, statt sein eigenes Programm ausführlich darzulegen. Da Le Pen inzwischen erkannt hat, dass ihre Forderung nach einem Ausstieg aus dem Euro vor allem bei älteren Wählern sehr schlecht ankommt, fordert sie inzwischen einen zweigleisigen Abschied von der Währungsunion: Im Alltagsleben sollen die Franzosen mit Franc bezahlen, während die Großunternehmen weiterhin ihre Geschäfte in Euro abwickeln sollen. Macron belehrte sie in diesem Punkt allerdings: „So etwas gab es noch niemals, Frau Le Pen; Das ist großer Blödsinn.“

Le Pen: Frankreich wird von einer Frau regiert werden

Dennoch versuchte Le Pen beim Thema Europa noch einen letzten Wirkungstreffer zu erzielen. Sie warf dem Kandidaten der Bewegung "En Marche!" (Auf geht’s) vor, sich mit seiner Europapolitik Kanzlerin Angela Merkel zu unterwerfen. „In jedem Fall wird Frankreich von einer Frau regiert werden, entweder von mir oder von Frau Merkel“, giftete die 48-Jährige.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt war klar, worauf es Le Pen in der Debatte letztlich angelegt hatte: den Rivalen aus der Fassung zu bringen. Doch Macron blieb bis zum Schluss ruhig. „Bleiben Sie im Fernsehen“, sagte er zum Schluss in Anspielung auf die seit Jahren allgegenwärtige mediale Präsenz von Le Pen, „ich möchte Präsident dieses Landes werden“. Bereits zuvor hatte ein Twitter-Nutzer im Verlauf der Debatte angemerkt, dass man Macron getrost den Nuklearcode übertragen könne, wenn er es fertigbringe, Marine Le Pen nicht vor dem Ende der Debatte eine Ohrfeige zu geben.

Albrecht Meier

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