„Verbreitet antisemitische und rassistische Inhalte“: Was ist dran am Vorwurf gegen Hans-Georg Maaßen?
Klimaaktivistin Luisa Neubauer sagt, Ex-Geheimdienstchef Hans-Georg Maaßen verbreite antisemitische Inhalte. Er selbst streitet das ab. Gibt es Belege?
Es waren schwerwiegende Vorwürfe, die die Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer am Sonntagabend erhoben hatte. Ex-Verfassungsschutzchef Hans Georg Maaßen verbreitete „antisemitische und rassistische Inhalte“, erklärte Neubauer bei „Anne Will“. Sie kritisierte, dass Maaßen für die CDU in Südthüringen als Direktkandidat ins Rennen geht und warf CDU-Chef Armin Laschet vor, das nicht verhindert zu haben. Der wies die Vorwürfe gegen Maaßen zurück: „Er ist nicht Antisemit und er verbreitet auch keine antisemitischen Texte und wenn er es täte, wäre es ein Grund zum Parteiausschluss.“
Doch die Debatte drehte sich am Montag im Netz weiter. Maaßen selbst verwahrte sich gegen den Vorwurf, Antisemit und Rassist zu sein. „Das sind halt- und beleglose Anschuldigungen, die ich energisch zurückweise“, sagte er dem Tagesspiegel. Woher aber kommen die Vorwürfe?
„Wir können die Welt nicht retten“
Scharfe Kritik gibt es an einem Zitat Maaßens aus der vergangenen Woche. Der frühere Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz äußerte sich auf dem YouTube-Kanal von Peter Weber. Der Bauunternehmer aus der Region Nürnberg changiert mit seinem Sendeformat „Hallo Meinung“ zwischen der ultrakonservativen CDU-Vereinigung Werteunion, der Maaßen angehört, und der AfD. Zum Thema Klimaschutz, vor allem zum deutschen Engagement, sagte Maaßen: „Wir können die Welt nicht retten. Wir haben schon zweimal versucht, die Welt zu retten und es ist schief gegangen.“
Sieht Maaßen die beiden Weltkriege etwa als deutsche Rettungstaten? Der Gedanke könnte aufkommen. Maaßen weist das auf Anfrage des Tagesspiegel zurück. Es sei ihm um den „deutschen Größenwahn“ gegangen, „am deutschen Wesen solle die Welt genesen“. Dieser Wahn habe „die Welt in Katastrophen gestürzt“. Folgt man der Argumentation, distanziert sich Maaßen von Kaiserreich und NS-Regime, bringt aber rhetorisch Teile der Klimaschutzbewegung und der Grünen in die Nähe größenwahnsinniger Kriegsverursacher.
Verschwörungsmythos um den „Great Reset“
Auf eine Anfrage, auf welche Aussagen und Posts Maaßens sie sich konkret bezieht, antwortete Luisa Neubauer zunächst nicht. In den sozialen Medien wird aber schon länger die Kritik geäußert, Maaßen docke an antisemitische Verschwörungsmythen an. Dazu zählt die Erzählung vom „Great Reset“.
Eigentlich ist „Covid 19: The Great Reset“ ein Buch, das der Gründer des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, gemeinsam mit dem Ökonomen Thierry Malleret, geschrieben hat. Die These lautet: Die Welt stehe vor einem grundlegenden Umbruch, soziale und ökologische Missstände müssten jetzt angegangen werden, die Wirtschaft nachhaltiger gestaltet werden. „Doch Verschwörungsgläubige sehen das Buch als Beweis, dass es den großen Plan der Wirtschaftseliten gab, mithilfe von Corona die Weltherrschaft an sich zu reißen“, erklärte vor einigen Monaten der Antisemitismus-Beauftragte Baden-Württembergs Michael Blume im Tagesspiegel.
Feindbild „Globalismus“
Der „Great Reset“ wurde zum Titel einer Verschwörungserzählung, die überaus anschlussfähig ist. Sie ist auf Querdenker-Demos zu finden, wird von Klimaschutz-Gegnern verwendet, von Antisemiten, die eine „Geldelite“ am Werk sehen. Der Vorwurf gegen Maaßen lautet, dass auch er diese Erzählung vom „Great Reset“ verbreitet. Beim „Great Reset“, so erklärte Maaßen dem rechten Internetportal „Epoch Times“, würden die „Kapitalisten aus Davos mit den Leninisten“ wieder zusammenkommen – „in der gemeinsamen Verachtung des einfachen, des gewöhnlichen Menschen“. Laut einer Recherche des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“ wettert Maaßen seit Monaten in Vorträgen und „alternativen Medien“ gegen den „Great Reset“.
Vorgeworfen wird ihm auch die Verwendung des Begriffes „Globalisten“. Dieser sei ein von Rechtsextremisten häufig verwendeter, antisemitischer Code. So wies die Journalistin und Historikerin Annika Brockschmidt auf eine Analyse der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung hin, in der es zu „Globalismus“ als Chiffre heißt: Aus Sicht von Rechtsextremisten sei Globalisierung ein Prozess, der der Zerstörung nationaler Identitäten diene. „Hinter den unverstanden bleibenden Innovationsschüben der letzten Jahrzehnte steht für völkisch denkende Rechtsextremisten ein alter Feind: ,der’ Jude.“
Aber reichen die Indizien, um Neubauers Vorwürfe gegen Maaßen zu belegen? Mehrmals hat Maaßen auch rechtslastigen Medien Interviews gegeben oder deren Beiträge in den sozialen Medien geteilt. Doch Belege dafür, Maaßen sei ein Antisemit, gibt es nicht. Weder in seiner Zeit als Präsident des BfV noch danach hat Maaßen einen Zweifel an der Verurteilung von Judenhass und Israelfeindschaft zugelassen. Allerdings bekommt er Zuspruch auch aus Milieus, in denen die Abgrenzung zum Antisemitismus fraglich erscheint.