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Hans-Georg Maaßen.
© dpa

Ex-Geheimdienstchef könnte bald im Bundestag sitzen: Maaßens Kandidatur macht die CDU im Wahljahr angreifbar

Maaßens Kandidatur soll in Thüringen AfD-Wähler zur CDU zurückholen. Doch selbst wenn das klappt: Der Preis könnte hoch sein. Ein Kommentar.

Eigentlich hatte sich in weiten Teilen der Union eine Erkenntnis durchgesetzt: Es bringt nichts, der AfD hinterherzulaufen. Wenn CDU und CSU das Vokabular oder die Themen der radikal rechten Partei übernehmen, dann nutzt das nicht der Union, sondern der AfD. CSU-Chef Markus Söder zum Beispiel hat offen zugegeben, dass die Annäherung an die AfD 2018 ein „Fehler“ gewesen sei. Damals hatte Söder die AfD-Vokabel vom „Asyltourismus“ übernommen. Es sei der Eindruck entstanden, die CSU stehe „auf der dunklen Seite der Macht“, erklärte Söder später.

Die CDU in Südthüringen will nun trotzdem mit dem Ex-Verfassungsschützer Hans-Georg Maaßen in den Wahlkampf ziehen. Maaßen ist das Aushängeschild der ultrakonservativen „Werteunion“, von der ehemalige führende Mitglieder behaupten, dort werde „hinter vorgehaltener Hand“ mit der AfD gekungelt.

Der Ex-Geheimdienstchef soll als Direktkandidat für den Wahlkreis 196 antreten - so haben es die Delegierten vor Ort entschieden. „Retten, was zu retten ist“, lautet dort die Divise. In der Region gingen bei der letzten Landtagswahl zwei Wahlkreise an die AfD, drei an die CDU. Die Christdemokraten hoffen, mit Maaßen Wähler von der AfD zurückzugewinnen.

Söder hat vor der Kandidatur gewarnt

Dabei sind das größte Problem der CDU im Wahlkreis derzeit nicht die Rechten von der AfD, sondern die Maskenaffäre. Der Hinterbänkler Mark Hauptmann hat sich in der Coronakrise bereichert, dazu kamen dubiose Verbindungen nach Aserbaidschan, er trat zurück. Die CDU steht jetzt als Raffkepartei dar. Das Vertrauen, das sie über Jahre im Wahlkreis mühsam aufgebaut hat, ist dahin.

Die Verzweiflung der CDU vor Ort ist nachvollziehbar. Aber jetzt soll ausgerechnet Maaßen helfen. Ein Mann der jahrelang eine der wichtigsten Sicherheitsbehörden des Landes leitete, seit seiner Versetzung in den einstweiligen Ruhestand aber vor allem polarisiert und immer wieder mit populistischen Aussagen provozierte.

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Söder hat schon vor seiner Kandidatur gewarnt. Der Landeschef Christian Hirte erklärte, die Kandidatur werde mehr schaden als nutzen. Und CDU-Chef Armin Laschet wies Maaßen in der „Süddeutschen Zeitung“ schon mal vorsorglich darauf hin, dass auch er sich an die Regel halten müsse: Mit der AfD werde „nicht koaliert, nicht kooperiert, nicht verhandelt, nicht einmal gesprochen.“ Doch Maaßens Nominierung verhindert hat Laschet nicht.

Schon jetzt ist vom „Türöffner zu den extrem Rechten“ die Rede

Dabei ist die Kandidatur schon auf der Ebene des Wahlkreises riskant. Zwar kann er tatsächlich mit den Stimmen von AfD-Wählern rechnen. So ergab eine Social-Media-Datenanalyse 2019: Wer Maaßen retweetete, der teilte oft auch Accounts, die rechtsradikales Gedankengut verbreiten. Allerdings hatten diese Nutzer mit der Union wenig am Hut. Damit das Kalkül der CDU in Südthüringen aufgeht, müsste Maaßen also mehr Wähler von Rechtsaußen ziehen, als er in der Mitte verliert. Sicher ist das nicht – zumal die SPD im Wahlkreis einen starken Kandidaten aufgestellt hat. Aber selbst wenn es klappt, könnte der Erfolg für die CDU teuer erkauft sein.

Seine Kandidatur macht die CDU im Bundestagswahljahr angreifbar. Denn auch wenn Maaßen selbst jetzt beteuert, es dürfe keine Zusammenarbeit mit der AfD geben: Mit ihm als Kandidat wird immer wieder die Frage aufkommen, wie es die CDU mit Rechtsaußen hält. Schon jetzt wird er etwa vom Bundesgeschäftsführer der Grünen als „Türöffner zu den extrem Rechten“ bezeichnet. Im Wahlkampf wird die Frage immer wieder aufkommen.

Ist Maaßen erstmal Unionsabgeordneter, kann man Provokationen von ihm nicht einfach so abtun als die eines verirrten Parteimitglieds. Im Bundestag würde Maaßen zwar sicher keine führende Rolle in der Unionsfraktion einnehmen, er könnte aber das Rednerpult für seine Botschaften nutzen. Für die Union wäre er außerdem ein Unruhestifter in den eigenen Reihen, da er gern und immer wieder die „katastrophale Entwicklung“ seiner Partei kritisiert.

Wie groß ist das Potenzial wirklich?

Maaßen wünscht sich eine andere CDU. Auch die, die im Bundestag sehen wollen, wünschen sich eine Zeit zurück, in der es rechts neben der Union fast nichts gab. Für sie ist Maaßen ein Hoffnungsträger. Sie glauben, man könne die AfD zurückholen, wenn es nur auch genug stramm konservative Aushängeschilder in der Volkspartei namens CDU gibt. Aber wie groß ist dieses Potenzial für die CDU wirklich noch?

Ein Teil der AfD-Wähler fühlt sich am rechten Rand wohl und will von dort nicht abgeholt werden. Die Wähler, die die AfD aus Protest wählen, tun das, weil sie damit ein Statement setzen wollen. Sie stimmen für eine radikal rechte Partei, um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen, es verschafft ihnen Genugtuung.

Die Stärke der AfD gerade im Osten ist ein Hinweis darauf, wie tief dort bei einem Teil der Bevölkerung das Misstrauen gegen Politiker und Parteien sitzt. Die Wurzel dieses Problems geht man nicht an, wenn man einen Rechtsausleger namens Maaßen als Direktkandidat aufstellt. Man geht es an, in dem man reale Probleme anpackt und zeigt, wie wirksam Politik sein kann. Indem man den Menschen das Gefühl vermittelt, dass sie gehört werden.

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