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Polizisten wurden in der Silvesternacht im Leipziger Stadtteil Connewitz angegriffen.
© AFP

Angriff auf Polizisten wirft Fragen auf: Was geschah an Silvester in Leipzig-Connewitz?

Nach den Silvester-Ausschreitungen in Leipzig ist eine Debatte entbrannt - über die Strategie und die Informationspolitik der Polizei.

Nach den gewalttätigen Ausschreitungen im Leipziger Stadtteil Connewitz in der Silvesternacht ist eine politische Diskussion über die Geschehnisse entbrannt. Linksextreme hatten zum Jahreswechsel randaliert und mehrere Polizisten verletzt – einen davon so schwer, dass er operiert werden musste. Jetzt geht es auch um die Deutungshoheit: Während Linke der Polizei eine Mitschuld an der Eskalation geben, warnen Konservative davor, die linksextremen Angriffe zu verharmlosen.

Angeheizt wurde die Debatte durch die SPD-Chefin Saskia Esken, die eine Überprüfung des Polizeieinsatzes forderte. Es müsse schnell geklärt werden, „ob die Einsatztaktik angemessen war“, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Sollte eine falsche Einsatztaktik Polizisten unnötig in Gefahr gebracht haben, liege die Verantwortung dafür beim sächsischen Innenminister. Sie lobte auch die Deeskalationsstrategie der Berliner Polizei (Faktencheck hier). Für ihre Äußerung wurde Esken scharf kritisiert – etwa von FDP-Chef Lindner, der ihr vorwarf, Täter und Opfer zu vertauschen.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann warf zudem der Linkspartei vor, der Polizei wider besseres Wissen die Schuld für die Gewalt in die Schuhe zu schieben und sich mit „linksextremen Chaoten“ zu solidarisieren. 

Die innenpolitische Sprecherin der Linken, Ulla Jelpke, hatte von einer „regelrechten Belagerung des ganzen Stadtteils durch die Polizei“ in Leipzig gesprochen sowie von „willkürlichen Kontrollen von Passanten“ und „martialischem Auftreten behelmter Trupps inmitten der Feiernden“. Das bewirke das Gegenteil von Deeskalation.

Schon vor Silvester hatte sich die Situation aufgeheizt

Klar ist: Connewitz gilt neben der Roten Flora in Hamburg und der Rigaer Straße in Berlin als eine der Hochburgen militanter Linker in Deutschland. Schon vor Silvester hatte sich die Situation aufgeheizt. Am 29. Dezember wurden auf dem Gelände der Leipziger Polizei drei Fahrzeuge angezündet.

In der Silvesternacht kam es dann zur Eskalation. Nach Darstellung des Landeskriminalamts fanden sich kurz nach Mitternacht mehr als eintausend Menschen an einer Kreuzung in Connewitz zusammen. Polizeibeamte seien mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern angegriffen worden. Zudem sei ein brennender Einkaufswagen, der mit angemalter Pappe wie das Modell eines Polizeifahrzeugs aussah, in Richtung der Polizeibeamten geschoben worden.

Beim Versuch, einen der Täter festzunehmen, seien drei Polizisten von 20 bis 30 Personen angegriffen worden. Die Täter hätten den Beamten die Helme vom Kopf gerissen, diese zu Fall gebracht und massiv auf sie „eingewirkt“. Dabei sei ein 38-jähriger Beamter schwer verletzt und zur stationären Behandlung ins Krankenhaus gebracht worden.

Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Verdacht auf versuchten Mord

Kritik gibt es nun an der Informationspolitik der Polizei: Zunächst hatte diese von einer Notoperation gesprochen. In „Krankenhauskreisen“ habe man sich darüber verwundert gezeigt, berichtete die „taz“. Demnach habe es einen Eingriff an der Ohrmuschel des Beamten unter lokaler Betäubung gegeben. Lebensgefahr habe nicht bestanden. Zudem hätten Augenzeugen gesehen, dass der Polizist seinen Helm noch trug, als er von Kollegen davongetragen wurde.

Der „taz“-Bericht legte nahe, die Polizei habe den Angriff auf den Polizisten aufgebauscht. Ein Polizeisprecher räumte ein, dass es besser gewesen wäre, von einer „operativen Maßnahme“ zu sprechen als von einer Not-OP.

Die Staatsanwaltschaft Leipzig bleibt dennoch dabei, wegen des Anfangsverdachts auf versuchten Mord zum Angriff auf den Polizisten zu ermitteln. „Es gibt keine Veranlassung, das zu ändern“, sagte der Sprecher der Behörde, Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz, dem Tagesspiegel. „Der Polizeibeamte wurde durch massive Einwirkung einer Vielzahl von Tätern so schwer geschädigt, dass er bewusstlos wurde.“

Das sei „potenziell lebensbedrohlich“, betonte Schulz. Ermittlungen wegen des Verdachts auf versuchten Mord seien nicht davon abhängig, ob es beim Opfer eine Not-OP gegeben habe. Es sei „völlig unangemessen“, zu behaupten, die Sicherheitsbehörden würden den Fall aufbauschen. Als mögliche Merkmale für versuchten Mord nannte Schulz „niedrige Beweggründe“. Das sei hier, „salopp gesprochen, der Hass auf die Polizei“.

Lange Liste an Vorstrafen

Von den zehn Personen, die bei dem Krawall festgenommen wurden, kamen drei in Untersuchungshaft. Alle drei sind laut Schulz mehrfach vorbestraft – etwa wegen Sachbeschädigung, Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, versuchten Raubes und Bedrohung. Ein vierter mutmaßlicher Randalierer erhielt einen „Hauptverhandlungshaftbefehl“.

Der Mann soll am Mittwoch in einem beschleunigten Verfahren vor Gericht gestellt werden. Da er keinen festen Wohnsitz hat, bleibt er hinter Gittern. Den vier inhaftierten Personen werden tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte vorgeworfen. Ob sie an der Attacke auf den 38-jährigen Polizisten beteiligt waren, ist allerdings offen.

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