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Die Maskenaffäre erschüttert dieser Tage die Union.
© imago images/Christian Ohde

Maskengeschäfte von Unionspolitikern: Was eben noch schweigend akzeptiert wurde, ist plötzlich anstößig

Die Debatte um Nebenjobs von Parlamentariern ist die Wiederkehr des Immergleichen. Eine neue Perspektive ist nötig. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Es ist eine unangenehme Frage, die Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus an seine Abgeordneten gerichtet hat: Haben sie, nebenbei, an der Coronakrise mitverdient? Bis Freitagabend sollen sie eine Art Ehrenerklärung unterzeichnen, keine Geschäfte getätigt zu haben, die mit Schutzausstattung oder Medizinprodukten rund um Covid-19 in Zusammenhang stehen. Oder aber sie sollen jene offenlegen.

Die eine und den anderen bringt das in Verlegenheit. War es nicht stets okay, neben dem Mandat noch Geld zu machen? Hat jemand gewarnt, dass man das im milliardenschweren Pandemiebusiness nicht dürfe?

Die so spontane wie ungewöhnliche Maßnahme zeigt, wie schwer manchen im Kraftfeld öffentlicher Moral die Standortbestimmung fällt. Es herrscht dort ungeheure Spannung und Dynamik. Was juristisch möglicherweise erlaubt und eben noch schweigend akzeptiert war, gilt plötzlich als anstößig.

Derartiges kann den Kompass irritieren, und ein Jahr Viruslast hat ohnehin alle Nerven blank gelegt. Das soll nicht das Verhalten der beiden CDU-Abgeordneten entschuldigen, die den Anlass für den Brief von Brinkhaus gaben. Aber spürbar wird, dass der Ärger über sie mehr ventiliert als die Empörung über Anstandsverluste.

Der Bundestag im Märzwind. Vor allem für die Union ist es gerade ungemütlich.
Der Bundestag im Märzwind. Vor allem für die Union ist es gerade ungemütlich.
© Kay Nietfeld/dpa

Doch was? Möglicherweise die Unzufriedenheit darüber, eine missliche Lage bewältigen zu müssen, deren Eintritt niemanden überraschen kann. Seit Anbeginn ihres Wirkens haben die Mandatierten im Bundestag Schwierigkeiten, sich selbst in Reglements zu zwingen. Die Folgen sind bekannt, vom Diätenstreit bis zur Diskussion um Nebeneinkünfte, Parteispenden und den gelegentlichen Skandalen, wenn ein leichtfertiger Schritt Einzelner als Fehltritt erkannt wurde.

So haben auch die Reaktionen auf den Fall Nüßlein/Löbel etwas von der Wiederkehr des Immergleichen. In Opposition und SPD ist die Rede von exekutiven Fußabdrücken, man fordert schärfere Korruptionsstrafen oder Verhaltensregeln, bemängelt stets unzureichende Lobbyregister. Skeptiker solcher Vorschläge zeichnen demgegenüber rituell die Drohgestalt vom gläsernen Abgeordneten und beschwören das freie, weil nur dem Gewissen unterworfene Mandat.

Spahns Gedanke ist überfällig

Um dieser Stagnation zu entkommen, wäre ein Wechsel der Perspektiven fällig. Er kündigt sich auch schon an. Jens Spahn, der selbst aus vielfältigen Gründen derzeit unter erhöhtem Transparenzdruck steht, will die Namen von Abgeordneten veröffentlichen, die an sein Gesundheitsministerium als Maskenbeschaffer herangetreten sind. Die also Geschäfte anbieten oder vermitteln wollten.

Dieser Gedanke ist richtig und überfällig und hat nichts mit Corona zu tun. Mit dem Fall des CDU-Abgeordneten Amthor, der bei Wirtschaftsminister Peter Altmaier auf Bundestagsbriefpapier für Geschäfte warb, müsste klar geworden sein, das solche Wege der Kontaktanbahnung aufklärungsbedürftig sind. Und zwar unabhängig davon, ob Parlamentarierinnen oder Parlamentarier damit eigene finanzielle Interessen verfolgen.

Wenn Volksvertreter meinen, sich im Rahmen ihres Mandats für Firmen zu verwenden, etwa die aus ihrem Wahlkreis, dürfen sie das. Es sollte jedoch nicht zum Geheimnis gemacht werden, wenn man fragt, wer es war und um was es ging.

Schweigen ist gängige Praxis

Das aber ist bisher die gängige Praxis in den Stellen der Bundesregierung, und sie deckt sich mit der Position des in solchen Angelegenheiten stockkonservativen Parlamentspräsidenten Wolfgang Schäuble, der Spahns Ansinnen jetzt mit Hinweis auf Datenschutz auskontern will.

Datenschutz ist unabdingbar. Auch die Freiheit des freien Mandats ist unabdingbar. Unabdingbar ist aber auch zu wissen, wie Volksvertreter ihr Volk vertreten – und für welche Geschäfte und Interessen sie sich bei Ministerien starkgemacht haben. Dies alles hat die Politik in einen Ausgleich zu bringen. Denn darüber, ob etwas anstößig ist oder nicht, entscheidet weder der Bundestag noch die Regierung oder die Justiz. Das entscheidet die demokratische Öffentlichkeit.

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