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Das russische Pipeline-Verlegeschiff "Fortuna" ist jetzt Ziel der US-Sanktionen geworden.
© Jens Büttner/dpa

Washington verhängt Strafmaßnahmen: Was die US-Sanktionen für Nord Stream 2 bedeuten

Die USA machen ernst und verhängen Sanktionen wegen der Pipeline Nord Stream 2. Betroffen ist zunächst ein russisches Verlegeschiff.

Vor der Küste von Mecklenburg-Vorpommern liegt ein Schiff vor Anker, das derzeit die internationale Politik beschäftigt. Das russische Pipeline-Verlegeschiff „Fortuna“ wird das erste Ziel von US-Sanktionen, mit denen die Gaspipeline Nord Stream 2 verhindert werden soll. Derzeit befindet sich die „Fortuna“ noch in der Nähe des Rostocker Hafens, aber nach den Plänen der Firma Nord Stream 2 soll sie so bald wie möglich in der Nähe von Dänemark den noch fehlenden Abschnitt der Gasleitung verlegen.

Die US-Botschaft hatte die Bundesregierung am Montag über die ab Dienstag geltenden Sanktionen gegen die „Fortuna“ und deren Eigentümer, die russische Firma KVT-RUS, informiert. „Wir nehmen die Ankündigung mit Bedauern zur Kenntnis“, sagte ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums.

Russland kündigte an, die Pipeline weiterzubauen. Ziel sei es, „die kontinuierliche Arbeit an der Fertigstellung dieses Projekts fortzuführen“, sagte der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Den USA warf er „groben, gesetzwidrigen Druck“ vor. Ein Sprecher von Nord Stream 2 wollte die Auswirkungen der nun angekündigten Sanktionen auf den Fortgang des Projekts nicht kommentieren.

Gazprom spricht erstmals von möglichem Scheitern des Projekts

Der vom russischen Staat kontrollierte Konzern Gazprom, dem Nord Stream 2 gehört, gab allerdings erstmals öffentlich zu, dass das Projekt scheitern könnte. In einem Eurobonds-Prospekt, in dem das Unternehmen der Verpflichtung nachkommt, potenzielle Investoren über Risiken zu informieren, verweist Gazprom auf sich verändernde politische Bedingungen, denen Nord Stream 2 und andere Projekte unterlägen. Unter außergewöhnlichen Umständen, etwa durch politischen Druck, könne es dazu kommen, dass ein solches Projekt „ausgesetzt oder eingestellt“ werden müsse.

Die noch ausstehenden Verlegearbeiten in der Nähe von Dänemark sollten eigentlich bis zur Jahresmitte abgeschlossen sein, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf entsprechende Zeitpläne berichtete. Dann wäre allerdings von den zwei Strängen der Gasleitung erst einer fertiggestellt. Im Dezember war vor der deutschen Küste nach einjährigem Baustopp ein 2,6 Kilometer langes Teilstück der Pipeline verlegt worden.

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Selbst wenn die „Fortuna“ ungeachtet der US-Sanktionen weiter zum Einsatz kommen sollte, gibt es weitere Hürden für das Projekt. Wegen der von Washington angekündigten Strafmaßnahmen hatte sich bereits die norwegische Klassifizierungsgesellschaft DNV GL, die die Pipeline zertifizieren sollte, aus dem Projekt zurückgezogen. Die Zertifizierung ist aber, wie es beispielsweise in der dänischen Baugenehmigung festgehalten ist, Voraussetzung dafür, dass die Gasleitung am Ende überhaupt in Betrieb gehen darf. Auch die Zurich Insurance Group kündigte an, wegen der US-Sanktionen keine Versicherungsleistungen für das Projekt mehr zur Verfügung zu stellen.

Ob die von Mecklenburg-Vorpommern eigens gegründete Stiftung für diese Probleme Abhilfe schaffen kann, ist noch unklar. Teil der Stiftung soll ein Geschäftsbetrieb sein, über den die Fertigstellung von Nord Stream 2 teilweise abgewickelt wird, um die US-Sanktionen zu umgehen. Als sich am Montag abzeichnete, dass die USA nun Ernst machen würden, verteidigte Mecklenburg-Vorpommerns Landesregierung unbeirrt die umstrittene Stiftung, die nun auch offiziell gegründet wurde.

Die „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“ solle Nord Stream 2 in einer Nebenfunktion als „kleiner Kaufmannsladen“ helfen, sagte Energieminister Christian Pegel (SPD) in einer Online-Fragestunde. Sie könne besonders wichtige Maschinen und Produkte kaufen und zur Verfügung stellen, die zur Fertigstellung der Leitung gebraucht würden, denn: „Wenn die Drohung der USA vorliegt, besteht Gefahr, dass Unternehmen, die solche ganz seltenen Produkte anbieten, zurückschrecken.“ Hier könne die Stiftung einspringen.

Schweriner Energieminister verteidigt umstrittene Stiftung

Pegel beteuerte, Hauptzweck der zum größten Teil von der Nord Stream 2 AG finanzierten Landesstiftung sei aber der Klimaschutz – etwa durch Projekte zur sogenannten Sektorkopplung. Sie soll die im Norden oft vorhandene Überschussenergie aus Wind und Sonne speicherbar machen – beispielsweise in Form von Wasserstoff. Das Ziel sei also, Erdgas als „Übergangstechnologie“ überflüssig zu machen, sagte Pegel. „Wir schaffen es, dass uns Nord Stream 2 Geld dafür gibt, dass wir den Gastransport mittelfristig überwinden wollen.“ Dennoch gibt der Minister dem Geldgeber und dessen Leitung eine Rolle in seinem Zukunftsszenario – als Transporteur von Wasserstoff aus Russland. Dies werde man „mit Sicherheit in einigen Jahrzehnten sehen“.

Pegel wies den Vorwurf zurück, die Landesregierung habe sich von Gazprom „kaufen lassen“: „Es gibt keinen russischen Telefonhörer, der sagt ‚Ihr macht jetzt das und das‘.“ Die Stiftung werde eigenständig entscheiden, wie sie vorgehe. Allerdings: Laut Satzung hat die Pipeline-Gesellschaft das Recht, den Chef des Geschäftsbetriebes vorzuschlagen. Und auch die Geschäftsgrundsätze sind „im Benehmen mit der Nord Stream 2 AG“ festzulegen, wie es in der Satzung der Stiftung heißt.

Umweltschützer nahmen die Sanktionen zum Anlass, ihren Druck auf Nord Stream 2 und die Stiftung weiter zu erhöhen. „Nord Stream 2 ist klima- und energiepolitischer Irrsinn und muss sofort gestoppt werden“, sagte der Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Kai Niebert. Es handele sich um eine „Stiftung für Geopolitik und Ostbindung, aber ganz sicher keine Klimastiftung.“

Die Deutsche Umwelthilfe forderte die Bundesregierung auf, nicht nur Nord Stream 2, sondern sämtliche Importprojekte für Erdgas zu überprüfen, also auch geplante Terminals für Flüssigerdgas (LNG). Der Naturschutzbund Deutschland hatte am Montag per Widerspruch beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie vorläufig eine Wiederaufnahme der Verlegearbeiten für Nord Stream 2 in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone blockiert.

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