Sehnsucht nach klarer Kante: Was die SPD von Dänemark lernen kann
Viele Arbeiter und Angestellte fühlen sich von der SPD nicht mehr vertreten. Franziska Giffey könnte das ändern – mit dem Prinzip Kümmern und Kontrollieren.
Wohin steuert die SPD und wer kann sie aus der Krise führen? Glaubt man einer Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung, wünschen sich die Bürger in Deutschland von der Sozialdemokratie, dass sie einen stärkeren Akzent auf die Einhaltung von Regeln setzt – insbesondere bei der Kriminalitätsbekämpfung und der Migrationspolitik.
Dafür steht wie keine andere prominente Sozialdemokratin die ehemalige Neuköllner Bezirksbürgermeisterin und heutige Familienministerin Franziska Giffey. Allerdings gibt es bis in die SPD-Spitze Zweifel daran, ob Giffey trotz ihrer Plagiatsaffäre Parteivorsitzende werden kann.
Die SPD wäre gut beraten, sich die dänische Sozialdemokratie wegen ihrer Bürgernähe zum Vorbild nehmen, heißt es in der Studie, für die europaweit Wähler zu ihrer Wahrnehmung sozialdemokratischer Parteien befragt wurden. „Will die SPD Volkspartei bleiben, muss sie wieder die ‚hard-working-people‘ erreichen“, summieren die Autoren.
Während sich in Dänemark mehr als die Hälfte der Arbeiter und der einfachen und mittleren Angestellten von der Sozialdemokratie angemessen vertreten fühlten, sei das in Deutschland nur bei jedem vierten in dieser Gruppe der Fall. Auch bei jenen, die sich selbst zur Unterschicht zählen, ist eine Mehrheit der Meinung, sie würden von der SPD nicht repräsentiert.
Der Autor der Studie, der Politikberater und Demoskop Richard Hilmer, erklärt dies damit, dass der SPD von weiten Teilen der Wählerschaft eine Ambivalenz oder sogar Distanz zur Verbindlichkeit gesellschaftlicher Spielregeln unterstellt werde.
Mehr als 60 Prozent der Befragten sprachen sich für Zuwanderungskontrollen aus, sahen sich in dieser Forderung aber nicht von der SPD unterstützt. Bei der Durchschnittsbevölkerung gebe es außerdem erhebliche Zweifel, dass der SPD Werte wie Leistungsbereitschaft und -gerechtigkeit oder Verantwortung für das eigene Leben wichtig seien.
Kümmern und kontrollieren - das war ihre Philosophie
Genau diese Werte gehören zum politischen Kern von Giffey. Kümmern und kontrollieren – das war ihre Philosophie als Bezirksbürgermeisterin im Umgang mit Hartz-IV-Empfängern. Auch als Ministerin betont sie die Verantwortung des Einzelnen, sowie die Notwendigkeit, dass der Staat gegen Regelbrecher vorgehen müsse.
Nur so könne die Akzeptanz für den Sozialstaat erhalten bleiben. Wer den SPD-Vorsitz übernehme, müsse „Bauch und Herz“ erreichen können, sagte Giffey vor kurzem – ihre Worte wurden in der Partei als Bewerbung für den Posten gelesen.
An diesem Montag will der SPD-Vorstand das Verfahren für die Neuwahl der Parteispitze beschließen. Dann wird es auch darum gehen, ob die Partei künftig von einer Doppelspitze geführt wird. Noch hat sich kein Bewerber offiziell erklärt. Giffey hat etliche Fans, aber im linken Flügel wird sie auch misstrauisch beäugt, weil sie stärker auf eine Politik von „Recht und Ordnung“ setzen will. Und dann sind da noch die Plagiatsvorwürfe wegen ihrer Doktorarbeit.