„Eine typische Ausrede“: Plagiatsexperten widersprechen Anwalt von Franziska Giffey
Die Familienministerin wehrt sich per Anwalt gegen Plagiatsvorwürfe zu ihrer Doktorarbeit. Wie schlüssig ist der Verweis auf eine „amerikanische Zitierweise“?
Der Anwalt, der Familienministerin Franziska Giffey im Verfahren um die Plagiatsvorwürfe bezüglich ihrer Doktorarbeit vertritt, sieht in einer von ihm als „Gutachten“ bezeichneten Stellungnahme eine „amerikanische Zitierweise“ als Entlastung für seine Mandantin. Diese sei von Giffeys Doktormutter so vorgegeben worden.
Es handele sich um eine Form, auf Quellen zu verweisen, die weniger detailliert sei als in Deutschland normalerweise üblich. Giffey habe sich an die Vorgaben ihrer Chefin halten müssen, weshalb man ihr keine Täuschung vorwerfen könne.
Plagiatsexperten in Deutschland kennen solche Argumentationen bereits. Debora Weber-Wulff von der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft, die auch für die Initiative „Vroniplag Wiki“ arbeitet, die Giffeys Arbeit analysiert und die Unstimmigkeiten darin öffentlich gemacht hat, sagte dem Tagesspiegel: „Das ist eine typische Ausrede, die man immer wieder hört.“
Argumentation ändere nichts
Tatsächlich hat etwa der FDP-Politiker Georgios Chatzimarkakis genau so argumentiert. Ihm wurde sein Doktortitel aberkannt. Er klagte dagegen, verlor aber auch dieses Verfahren. Die Informatik-Professorin Weber-Wulff sagte, bei der Arbeit der SPD-Politikerin gehe es gar nicht um die Zitierweise.
Ihr werde vielmehr vorgeworfen, Verweise auf andere wissenschaftliche Arbeiten teilweise inhaltlich falsch gesetzt und vielfach nicht klar die konkreten Seiten in jenen zitierten Arbeiten benannt zu haben. Zudem gebe es viele Beispiele in der Arbeit, wo nicht klar gekennzeichnet sei, dass wiedergegebener Inhalt nicht aus der Feder der heutigen Ministerin stamme. Die Argumentation des Anwalts ändere also "nichts an den Plagiatsbefunden", so Weber-Wulff.
"Allein schon, sich nur ein paar Worte von einem Autor zu leihen"
Giffeys Doktormutter Tanja Börzel, Professorin für Politikwissenschaft an der Freien Universität, wollte sich aufgrund des laufenden Verfahrens nicht konkret äußern. Sie verwies aber auf ein Merkblatt auf ihrer Website. In diesem werden strikte Vorgaben bezüglich des Zitierens von wissenschaftlichen Arbeiten Dritter gemacht. Ob dies allerdings zu Zeiten von Giffeys Tätigkeit unter Börzels Betreuung bereits in dieser oder vergleichbarer Form Teil der Vorgaben Börzels war, lässt sich nicht leicht nachprüfen.
Dem Berliner Juristen und ebenfalls VroniplagWiki-Aktivisten Gerhard Dannemann zufolge gibt es so etwas wie eine „amerikanische Zitierweise“ gar nicht. „Weit verbreitet in den Geistes- und Sozialwissenschaften“, und dies nicht nur der USA, sei der "Style Guide" der Modern Languages Association, kurz MLA: „Das Zitieren von Quellen mit in Klammern gesetzten Angaben von Autor und Jahr der Veröffentlichung im Fließtext der Arbeit, wie von Frau Giffey praktiziert“, entspreche der MLA-Zitierweise, so Dannemann.
Auch diese fordere aber, „neben Autor und Jahr auch stets die passende Seitenzahl zu nennen“. Zudem müssten wörtliche Übernahmen stets als solche gekennzeichnet und abgegrenzt werden. Tatsächlich heißt es in einem online frei zugänglichen Teil des „Style Guides“ der MLA wörtlich: „Allein schon, sich nur ein paar Worte von einem Autor zu leihen, ohne deutlich zu machen, dass man das getan hat, rechtfertigt den Vorwurf des Plagiierens.“
Was Plagiate betreffe, fügt Dannemann hinzu, der der Humboldt-Universität als Professor für Englisches Recht und britische Wirtschaft und Politik arbeitet, seien „im Allgemeinen die amerikanischen Kollegen eher strenger als wir es in Deutschland sind.“