Probleme im Kampf gegen Corona: Was bei der Impfstoffverteilung gerade alles schief läuft
Mehrere Bundesländer mussten geplante Impfungen wieder absagen. Nach Pfizer kündigte nun auch Astrazeneca Lieferprobleme an. Ein Überblick.
In Brandenburg müssen rund 9000 Brandenburgerinnen und Brandenburger länger auf ihre erste Corona-Impfung warten. Das Bundesland bekommt in der kommenden Wochen 25 Prozent weniger Impfstoff der Herstellers Biontech und Pfizer als ursprünglich geplant.
Deshalb müssen die in den letzten beiden Januarwochen vereinbarten Termine in den Impfzentren in Potsdam, Cottbus und Schönefeld umgebucht werden, teilte die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg (KVBB) am Freitag mit.
So wie Brandenburg mussten mehrere Bundesländer ihre Pläne ändern. Nordrhein-Westfalen setzte Mitte der Woche die Impfungen in Krankenhäusern und stationären Pflegeeinrichtungen vorrübergehend aus. Niedersachsen plant mit einer Verzögerung bei den Erstimpfungen. Auch in Bayern wurden Termine abgesagt.
Ursache sind Umbauarbeiten im Pfizer-Werk in Belgien. Deshalb liefert das Unternehmen in den nächsten Wochen deutlich weniger des Impfstoffs aus als vereinbart. Und auch mit den geplanten Lieferungen des Impfstoffs von Astrazeneca in die EU gibt es Probleme. Es könnten weniger Dosen als vorgesehen versendet werden, teilte eine Sprecherin der Pharmafirma am Freitag mit. Grund seien Probleme in einer Produktionsstätte.
Der Impfstoff ist in der EU noch nicht zugelassen. Am 29. Januar könnte die EU-Arzneimittelbehörde EMA aber grünes Licht geben.
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Wie groß die Ausfälle sein werden, sagte die Sprecherin nicht. "Wir werden im Februar und März dutzende Millionen Dosen an die Europäische Union liefern, und wir erhöhen weiterhin die Produktionsmengen."
Das Vakzin bleibt anders als die Konkurrenzprodukte der Firmen Pfizer und Biontech sowie Moderna bei deutlich höheren Temperaturen stabil und könnte somit auch von Hausärzten verimpft werden.
Der vom britisch-schwedischen Konzern Astrazeneca gemeinsam mit der Universität Oxford entwickelte Wirkstoff ist ein sogenannter Vektorvirenimpfstoff. Vakzine dieser Art gibt es bereits länger. Die Impfstoffe von Pfizer und Biontech sowie Moderna arbeiten dagegen mit sogenannter Boten-RNA. Diese Art von Impfstoffen ist neu.
Astrazeneca beantragte in der vergangenen Woche die Zulassung in der EU, in vielen anderen Staaten wird dessen Wirkstoff bereits verabreicht. In der EU sind bislang nur die beiden Impfstoffe von Pfizer und Biontech sowie Moderna zugelassen.
Grundsätzlich verhandelt die EU für alle Mitgliedsstaaten die Bestellung von SARS-CoV-2-Impfstoffen, Deutschland hatte sich parallel aber um zusätzliche Verträge bemüht.
Für deutsche Hersteller, also auch Biontech, wurde vom Bundeswissenschaftsministerium ein „Sonderprogramm zur Beschleunigung von Forschung und Entwicklung von Impfstoffen gegen Covid-19“ aufgelegt, „die mittels Absichtserklärungen zugesagt haben, zusätzliche Impfstoffdosen für die Versorgung der deutschen Bevölkerung zur Verfügung zu stellen“, hieß es aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG).
Zusätzlicher Biontech-Impfstoff fraglich
Allerdings gibt es auch hier Probleme. Anders als bislang öffentlich vom BMG kommuniziert, unter anderem auf der Ministeriums-Webseite, gibt es keine „gesicherte Option auf weitere 30 Millionen Dosen national“, sondern nur Vorverträge. Ob diese tatsächlich verbindlich werden, wird momentan noch verhandelt.
Um den generellen Mangel an Impfstoff zu lindern, will Biontech nun 50 Millionen Spezialspritzen zur Verfügung stellen, mit denen eine zusätzliche Dosis aus dem Impfstoffbehälter gezogen werden kann. Das Unternehmen erklärt, die Nadeln würden zum Selbstkostenpreis weiterverkauft. Das Angebot richte sich an alle Länder weltweit.
Wegen der Lieferknappheit beim Impfstoff dürfen in der EU aus der eigentlich mit fünf Impfdosen befüllten Ampullen sechs Portionen gezogen werden. Um den dafür ausreichenden Überschuss zu bekommen, sind Feindosierungsspritzen notwendig.
Um die Verteilung des Astrazeneca-Impfstoffs zu beschleunigen, hatten einige EU-Länder einen früheren Lieferbeginn gefordert. Die Ministerpräsidenten der drei Baltenstaaten Estland, Lettland und Litauen appellierten am Freitag an die EU-Institutionen, die Auslieferung des Vakzins noch vor dessen offizieller Zulassung zu genehmigen.
„Genauigkeit der Verfahren ist wichtig. Geschwindigkeit aber auch. Die Verzögerungen kosten Leben“, schrieben Jüri Ratas (Estland), Krisjanis Karins (Lettland) und Ingrida Simonyte (Litauen) wortgleich auf Twitter. Die Zulassung des Impfstoffs von AstraZeneca wird Ende Januar erwartet. Der schwedisch-britische Pharmakonzern entwickelte das Vakzin gemeinsam mit der britischen Universität Oxford. Im Kampf gegen die Corona-Pandemie hat die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hat bislang zwei Impfstoffe für den Gebrauch in der EU zugelassen: Die Präparate von Biontech/Pfizer und Moderna. (Tsp, AFP, dpa, Reuters)