Regierung von Donald Trump: Warum US-Verteidigungsminister Mattis hinwirft
Der Viersternegeneral Jim Mattis galt als "der letzte Erwachsene" im Kabinett von US-Präsident Trump. Worauf muss sich die Welt nun einstellen?
Die US-Hauptstadt hatte sich schon fast in die Weihnachtspause verabschiedet, als die Twitter-Nachricht am Donnerstagabend auf den Handys aufleuchtete. Auf den Straßen war es so viel ruhiger als sonst, viele Bewohner Washingtons waren bereits auf dem Weg zu ihren Familien oder in den Urlaub. Und dann das: „General Jim Mattis wird Ende Februar (...) aus dem Amt scheiden, nachdem er meiner Regierung die vergangenen beiden Jahre als Verteidigungsminister gedient hat.“ Es war genau die Nachricht, die Amerikas Verbündete wohl am meisten fürchteten – auch wenn sie sich schon eine Weile abgezeichnet hatte.
Warum hört Mattis auf?
Über einen Wechsel an der Spitze des Pentagon war schon länger spekuliert worden. James Mattis, der als „der letzte Erwachsene“ in der Regierung Trump galt, soll sich intern immer wieder herablassend über den Präsidenten geäußert haben, mit dem er in vielen Fragen nicht übereinstimmte. So hat der Reporter Bob Woodward in seinem Buch „Fear“ geschrieben, Mattis habe Trump die „Aufnahmefähigkeit eines Fünftklässlers“ bescheinigt. Eigentlich ist die Frage, warum der pensionierte und vielfach ausgezeichnete Viersternegeneral es überhaupt so lange ausgehalten hat.
Der Auslöser seines Rücktrittsschreibens war dann die Ankündigung des Präsidenten vom Mittwoch, die US-Truppen aus Syrien abzuziehen – gegen den Rat von Mattis und im Grunde fast aller anderen Experten. Bis zuletzt soll der Pentagonchef versucht haben, Trump von dieser folgenschweren Entscheidung abzubringen, vergeblich. Wie wenig der Präsident auf seine Ratgeber hört, zeigte sich kurz darauf, als Meldungen die Runde machten, dass er auch die Truppenstärke in Afghanistan deutlich zu reduzieren gedenke. Nach Informationen des „Wall Street Journal“ könnten mehr als 7000 der insgesamt 14.000 US-Soldaten zurückgeholt werden.
Wie begründet der Minister seinen Rücktritt?
Lange hatte der 68-Jährige diesen Schritt ausgeschlossen, Vertrauten gegenüber hat er US-Medien zufolge gesagt, er gebe nicht auf, Trump müsse ihn schon feuern. Am Ende konnte er diese Linie nicht mehr durchhalten, die Differenzen wurden zu groß. Das Schreiben an Trump, das nur wenige Minuten nach dessen Tweet verbreitet wurde, hat es in sich. „Sie haben das Recht auf einen Verteidigungsminister, dessen Ansichten mehr auf einer Linie mit Ihren Ansichten sind“, schrieb Mattis da. „Ich denke, es ist deswegen das Richtige für mich, von meinem Amt zurückzutreten.“
Noch einmal erinnert der erfahrene Minister an die Bedeutung internationaler Bündnisse, besonders der Nato sowie der Allianz gegen die Terrormiliz IS. Die USA müssten zudem entschlossen in ihrer Haltung gegenüber jenen Ländern sein, deren Interessen den eigenen zuwiderliefen – Länder wie China oder Russland, die „die Welt nach ihrem autoritären Vorbild formen“ wollten. Mattis warnte den Präsidenten vor Naivität in dieser Frage: Man dürfe sich „keine Illusionen über böswillige Akteure und strategische Rivalen“ machen.
Welche Gefahren birgt Mattis’ Rücktritt?
Die „New York Times“ brachte es am Freitagmorgen auf den Punkt: „Who will protect America now?“, wer wird Amerika jetzt beschützen? Mit Mattis endet die Zeit der Generäle in der Administration Trumps, wegen deren großer Zahl zunächst eine Militarisierung der US-Politik befürchtet worden war. Zuvor waren bereits Michael Flynn und Herbert Raymond McMaster ausgeschieden, zum Jahreswechsel geht Stabschef John Kelly. Letztlich waren die Ex-Militärs aber die Außen- und Sicherheitsexperten in der Regierung.
Von ihnen wurde erwartet, dass sie den impulsiven und außenpolitisch unerfahrenen Präsidenten einhegen. Die Sorge ist groß, dass das Chaos im Weißen Haus jetzt überhand nimmt – und das Land außenpolitisch völlig unberechenbar wird. Dass Trump bei seiner Syrien-Entscheidung nicht nur gegen den Rat von Mattis, sondern auch den von Außenminister Mike Pompeo und Sicherheitsberater John Bolton gehandelt haben soll, macht die Sorgen nicht geringer. Die USA verabschieden sich unter Trump aus ihrer weltpolitischen Rolle und überlassen sie anderen Großmächten wie Russland oder China.
Wie reagiert die US-Politik?
Der Vizechef des Geheimdienstausschusses im Senat, Mark Warner, schrieb auf Twitter, Mattis’ Ausscheiden sei beängstigend. „Minister Mattis ist eine Insel der Stabilität inmitten des Chaos der Trump- Regierung gewesen“, erklärte der Demokrat. Aber auch Unterstützer in Trumps eigener Partei reagieren zunehmend besorgt. So äußerte sich der Top- Republikaner Mitch McConnell, Mehrheitsführer im Senat, ungewöhnlich deutlich: Er sei „besonders erschüttert“, dass Mattis wegen Differenzen mit dem Präsidenten gehe. Die USA müssten ein klares Verständnis davon behalten, wer international Freund und wer Feind sei. McConnell rief Trump dringend auf, einen Nachfolger zu benennen, der diese grundlegenden Prinzipien von Mattis teile. Und der republikanische Senator Marco Rubio wertete Mattis’ Schreiben als Beleg dafür, dass die USA außenpolitisch auf einem gefährlichen Kurs unterwegs seien.
Wer steht nach Mattis’ Rücktritt noch zu Trump?
Der Präsident tut sich zunehmend schwer damit, geeignetes Personal zu finden, auch weil er den kritischen Rat der Experten offensichtlich so wenig schätzt. So hat er bisher nur einen Interimsstabschef für das Weiße Haus finden können, mehrere Kandidaten hatten zuvor abgesagt. Seine Partei folgt ihm nicht mehr bedingungslos, wie die Resolutionen des – republikanisch geführten – Senats zum Jemen und Saudi-Arabien gerade aufzeigten. Auch bei seinem Lieblingsprojekt, dem Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko, kommt er nicht weiter und droht deswegen kurz vor Weihnachten mit einem „Shutdown“, dem vorübergehenden Stillstand der Regierungsgeschäfte.
Blind verlassen kann er sich auf seine Tochter Ivanka und deren Ehemann Jared Kushner. Auch Pompeo und Bolton stehen weiter zu ihm, obwohl sie in der Syrienfrage eine andere Meinung haben. Spannend wird sein, wen Trump als Mattis’ Nachfolger beruft. Ziemlich sicher wird es ein besonders überzeugter Getreuer werden. Gute Nachrichten sind das eher nicht.