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Der Prototyp einer Trump-Figur. Aus Hong Kong.
© Reuters

"America First": Warum Trumps Plan wirtschaftlich irrational ist

Donald Trump erklärt die Globalisierung für Teufelszeug und übersieht dabei großzügig, wie tief auch die US-Wirtschaft ins internationale Freihandelsnetz verwoben ist. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Harald Schumann

Zuweilen sind auch große Verrücktheiten eine Quelle der Aufklärung. Das demonstrierten diese Woche Amerikas neuer Präsident Donald Trump und Großbritanniens Regierungschefin Theresa May. Der eine erklärte per Interview, er werde Automobilkonzerne künftig mit Strafzöllen von 35 Prozent daran hindern, den amerikanischen Markt mit Autos aus ihren Fabriken in Mexiko und anderen Niedriglohnstandorten zu beliefern. Die andere versprach, ihr Land von allen rechtlichen und finanziellen Pflichten gegenüber der Europäischen Union zu befreien und dafür die britische Volkwirtschaft aus dem EU-Binnenmarkt zu lösen.

Mit aller Macht fegen Trump und May so beiseite, was noch bis vor Kurzem ein unverrückbarer Glaubenssatz westlicher Politik war: Die Globalisierung, die Verschmelzung von Unternehmen und Kapital über alle Grenzen hinweg, so hatten es Politiker und Ökonomen aller Couleur seit Jahrzehnten verbreitet, sei unumkehrbar. Die grenzenlose wirtschaftliche Integration sei gewissermaßen der natürliche Entwicklungspfad des Kapitalismus, hieß es allenthalben.

Diese Annahme war schon immer falsch, wie ein kurzer Blick in die Wirtschaftsgeschichte lehrt. 1914 endete die erste Epoche der bis dahin stürmisch laufenden Globalisierung schon einmal in einem Ausbruch von Nationalismus und all seinen mörderischen Konsequenzen. Erst 1973, 60 Jahre später, erreichte der Welthandel, gemessen als Anteil an der weltweiten Wertschöpfung, wieder das Niveau, das er 1913 schon einmal erreicht hatte.

Könnte so etwas nun wieder geschehen? Schalten die neuen Nationalisten in Washington und London die Globalisierung auf Rückwärtsgang?

Nationales Denken hat an Kapitalmärkten längst keinen Sinn mehr

Eigentlich spricht alles dagegen. Rund 80.000 transnationale Unternehmen sind das Rückgrat der Weltwirtschaft. Ihre Produktionsketten erstrecken sich über alle Kontinente. An den Kapitalmärkten ergibt die nationale Zuordnung erst recht keinen Sinn. Die Anteile der 30 Unternehmen des Deutschen Aktienindex befinden sich zu mehr als der Hälfte in ausländischer Hand, während sie gleichzeitig den größten Teil ihrer Umsätze im Ausland erwirtschaften.

Würde diese weltweite und insbesondere die europäische Arbeitsteilung wieder zerfallen, ginge das mit dramatischen Verlusten an Wohlstand und Arbeitsplätzen einher. Insofern sind die Pläne von Trump und May wirtschaftlich irrational. Wenn die Freihandelszone der USA mit Mexiko und Kanada zerbricht, verliert die US-Wirtschaft mehr Umsatz als alle ihre Exporte nach China ausmachen. Und sollte das Vereinigte Königreich wirklich die EU-Zollunion verlassen, dann würde die so erzwungene Wiedereinführung der Grenzkontrollen für britische Waren das Land ein Drittel aller bisherigen Ausfuhren kosten.

Die Globalisierung kann keine Entschuldigung mehr sein

Gleichzeitig ist es aber auch keineswegs Zufall, dass die Wähler ausgerechnet in den USA und Großbritannien genau diesen irrationalen Kurs einschlagen wollen. Denn dort nahm einst unter Margaret Thatcher und Ronald Reagan die Befreiung des Kapitals aus den staatlichen Fesseln ihren Anfang. Dort auch nahmen die Regierungen, gleich ob Demokraten oder Republikaner, ob Labour oder Tories, systematisch keine Rücksicht auf die Verlierer des globalisierten Fortschritts, sondern trieben im Namen des internationalen Wettbewerbs den Wettlauf um niedrige Löhne, Schwächung der Gewerkschaften und Steuerfreiheit für Kapitalgewinne noch voran.

Und wenn sich Protest erhob, dann diente die Globalisierung stets als billige Entschuldigung. Nicht wir sind es gewesen, die ausländische Konkurrenz ist schuld, erfuhren die Bürger ein ums andere Mal aus dem Mund derer, die ihre Interessen vertreten sollten. Von diesem – ökonomisch falschen – Argument ist es dann eben nur ein kleiner Schritt zur offenen Feindschaft gegen alles Fremde und das böse Ausland. Nun suchen zig Millionen verunsicherter Mittelstandsbürger ihr Heil in der Ablehnung von Fremden und der Abschottung vom Weltmarkt.

Wenn das nicht zu globalen Handelskriegen und wirtschaftlichem Niedergang führen soll, dann gilt es, diese Lehre ernst zu nehmen. Globaler Wettbewerb und weltweite Arbeitsteilung sind unbestreitbar eine wichtige Quelle des Wohlstands. Aber das rechtfertigt keine Politik, die Teilen der Bevölkerung ihre soziale Sicherheit nimmt. Wer im Namen der „Wettbewerbsfähigkeit“ weiterhin Lohnsenkung und Sozialabbau betreibt, wird Nationalismus und Dauerkrise ernten. Dann waren Trump und Brexit nur der Anfang.

Was sind die ersten Schritte des neuen US-Präsidenten? Lesen Sie hier unseren Newsblog vom Samstag.

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