Rede zum Brexit: May kündigt Ausscheiden Großbritanniens aus EU-Binnenmarkt an
Die britische Premierministerin May will eine klare Trennung von der EU und das Parlament abstimmen lassen. Bundesaußenminister Steinmeier freut sich über "mehr Klarheit".
Großbritanniens Premierministerin Theresa May will das Parlament ihres Landes über den sogenannten Brexit abstimmen lassen. Sie werde das Ergebnis der Austrittsverhandlungen mit der EU in beiden Kammern zur Abstimmung stellen, sagte May bei einer Grundsatzrede über den Brexit am Dienstag in London.
May will Großbritannien aus dem europäischen Binnenmarkt führen. „Wir streben keine Mitgliedschaft im Binnenmarkt an.“ Stattdessen plädiert sie für ein Freihandelsabkommen mit der EU. Der Handel mit der EU solle aber so zollfrei und reibungslos wie möglich sein. Zugleich betonte May, dass ihr Land "bester Freund und Nachbar" seiner europäischen Partner bleiben werde. May sprach sich für eine "neue und gleichberechtigte Partnerschaft mit der EU" aus. Die Europäer seien in Großbritannien weiterhin willkommen. "Wir verlassen die Europäische Union, aber wir verlassen nicht Europa."
May unterstreicht in ihrer Rede auch, dass es immer eine besondere Beziehung zu Irland geben wird. Sie werde eine praktikable Lösung suchen, um einerseits die Integrität der britischen Grenzen zu sichern und andererseits die Reisemöglichkeiten zu erhalten.
Vor allem will sie aber sicherstellen, dass die Zuwanderung nach dem Brexit kontrolliert werden kann. Mit der EU will sie im Kampf gegen Verbrechen und Terrorismus weiter kooperieren.
Steinmeier begrüßt Mays klare Worte
Außenminister Frank-Walter Steinmeier begrüßt, dass May "endlich ein wenig mehr Klarheit über die britischen Pläne geschaffen hat". Deutschland wolle "möglichst gute, enge und vertrauensvolle Beziehungen" zu Großbritannien. "Aber unsere Linie ist und bleibt: Die Verhandlungen beginnen erst, wenn Großbritannien seinen Austrittswunsch auch offiziell mitgeteilt hat", erklärt Steinmeier.
Nach Einschätzung von Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), sind "die wirtschaftlichen Kosten eines harten Brexit (...) sicherlich höher als alle anderen Optionen". Die EU wie Großbritannien würden das mit Wachstumseinbußen bezahlen.
Kritiker hatten May vorgeworfen, zu lange geheim zu halten, was Großbritannien in den anstehenden Austrittsverhandlungen mit der EU genau erreichen will. Fraglich ist, ob sie sich vor allem aus taktischen Gründen nicht in die Karten schauen lässt, oder ob innerhalb der Regierung hemmende Uneinigkeit über die genaue Ausgestaltung des Brexits herrscht.
Spätestens Ende März will May die Austrittserklärung ihres Landes nach Brüssel schicken. Erst dann können die Verhandlungen beginnen. Ob sich dieser Zeitplan einhalten lässt, hängt auch von einem Urteil des höchsten britischen Gerichts ab, mit dem noch im Januar gerechnet wird. Die Richter sollen entscheiden, ob May die Zustimmung des Parlaments einholen muss, bevor sie die EU förmlich über den geplanten Austritt Großbritanniens in Kenntnis setzt. Dem will sie offensichtlich jetzt zuvorkommen.
Merkel: "Politik und Wirtschaft müssen zusammenhalten"
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Abend vor Mays Brexit-Rede einen engen Schulterschluss von Politik und Wirtschaft bei den Brexit-Verhandlungen gefordert. Sicher sei man aus vielen Gründen weiter an einem guten Verhältnis mit Großbritannien interessiert, sagte sie am Montagabend vor der Rede Mays beim Neujahresempfang der IHK Köln. Aber wenn Großbritannien die vier Grundfreiheiten des EU-Binnenmarktes nicht akzeptieren wolle, könne es keinen vollen Zugang mehr erhalten, sagte Merkel.
"Ich bitte Sie als Vertreter der Wirtschaft, dass wir da gemeinsam handeln", appellierte Merkel an die Unternehmen. "Denn wenn sich einmal herausstellt, dass man den vollen Zugang zum Binnenmarkt auch bekommen kann, wenn man sich bestimmte Dinge aussucht, dann wird sehr schnell der Binnenmarkt als solcher (...) in Gefahr geraten, weil sich jedes Land dann seine Rosinen herauspickt", sagte sie mit Blick auf die anderen 27 EU-Staaten. Das müsse verhindert werden. "Deshalb müssen Politik und Wirtschaft hier sehr gemeinsam agieren und handeln." (Reuters, dpa, AFP)
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