zum Hauptinhalt
Anhänger der NPD bei einer Kundgebung.
© Sebastian Kahnert/dpa

Meinungsfreiheit: Warum man die Pläne der NPD ein Verbrechen nennen darf

Jens Maier, Richter und AfD-Mitglied, hält die Meinung des Wissenschaftlers Steffen Kailitz zum Programm der Nazipartei für eine Tatsache. Und liegt damit komplett daneben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Die NPD plant rassistisch motivierte Staatsverbrechen. Sie will acht bis elf Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben, darunter mehrere Millionen deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund. Erschrocken? Nein, dies ist das Fazit einer Analyse des NPD-Parteiprogramms durch den Politikwissenschaftler Steffen Kailitz, veröffentlicht bei „Zeit Online“. Er begründet es mit der Absicht der Partei, ethnisch Nichtdeutsche außer Landes zu bringen. Die NPD spricht höflich von Rückführung. Kailitz meint Verbrechen.

Niemand muss die Ansicht des Wissenschaftlers teilen, aber unbestreitbar ist sie dies: eine Ansicht. Trotzdem hat die NPD jetzt eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Dresden erwirkt, die dem Wissenschaftler sein Fazit untersagt. Der Beschluss enthält keine Begründung. Aber der zuständige Richter Jens Maier, 55, dürfte dem Vortrag von NPD-Anwalt Peter Richter gefolgt sein, wonach der Kailitz-Text eine Tatsachenbehauptung sei – und kein Werturteil. Der Anwalt erkennt in seinem Antrag „keinerlei Anhaltspunkte“, dass es sich um eine Meinungsäußerung handelt.

Gelegentlich ist beides schwer voneinander zu trennen. Hier nicht. Kailitz wertet die „Rückführung“ als Verbrechen. Er unterstellt nicht, dass die NPD dabei ein Verbrechen im Sinne der juristischen Definitionen begeht, als rechtswidrige Tat mit einem Jahr Mindeststrafe. Der Vorwurf des Verbrechens hat rhetorischen Charakter. Er soll die von der NPD angestrebte Umsiedelung von Ausländern als Unrecht geißeln, als verbrecherischen Akt. Solche Merkmale der Redekunst sind den Parteinazis geläufig. „Integration ist Völkermord“, heißt es bündig in ihrem Programm. Wenn die Eingliederung von Ausländern ein Völkermord ist, dann darf ihre Ausgliederung ebenfalls ein Verbrechen sein.

In Deutschland herrscht Meinungsfreiheit. Richter Maier müsste dies wissen, gehört er doch mit der AfD einer Partei an, die einfordert, Dinge zu sagen, die angeblich keiner sagen darf. Selbstverständlich kann ein Richter AfD-Mitglied sein. Es zeigt sich nur an diesem wie an vielen anderen Fällen, dass die Anhänger der AfD – ebenso wie die der NPD – überhaupt keine Vorstellung davon haben, was Meinungsfreiheit bedeutet.

Meinungsfreiheit geht weit. Vermutlich sogar bis zu der wie eine Tatsachenbehauptung wirkenden Wertung, dass Richter Maier mit seinem Beschluss ebenfalls ein Verbrechen begangen hat – eine Rechtsbeugung. Er hätte dann vorsätzlich zugunsten der NPD die Grundrechte des Wissenschaftlers missachtet. Meinungsfreiheit schützt auch eine Aussage wie diese: Richter Maier ist komplett unfähig. Es gäbe wohl noch Treffenderes und Richtigeres zu sagen. Aber da wären dann die Grenzen der Meinungsfreiheit erreicht. Das heißt dann Schmähkritik.

Zur Startseite