Wölfe in Deutschland: Warum künftig ganze Rudel getötet werden dürfen
Bisher dürfen nur Wölfe geschossen werden, die Nutztiere gerissen haben. Bauern und Agrarministerin Klöckner reicht das nicht. Nun wird der Schutz gelockert.
Man könnte sagen, Julia Klöckner und Svenja Schulze hätten wie die Wölfinnen gekämpft. Oder wie die Fähen, wie die weiblichen Tiere korrekt heißen. Doch vielleicht tut man Canis lupus damit Unrecht. Denn zwar kämpfen Wölfe um Reviere und reißen Schafe oder Kälbchen, doch in ihrem Rudel sorgen sie gut für einander.
Im Regierungsrudel, dem Bundeskabinett, ging es im Streit um den Wolf dagegen eher hart zu, was an den unterschiedlichen Interessen liegt: Die Bundesagrarministerin von der CDU, Julia Klöckner, will Viehhalter und Schäfer davor schützen, dass Wölfe weitere Tiere reißen. Denn in dem Maße, in dem sich der Wolf vermehrt, nehmen auch die Attacken auf Weidetiere zu: 1167 Nutztiere sind 2017 von Wölfen getötet oder verwundet worden, sagt die Ministerin, vier Mal so viele wie 2014. Klöckner will daher Tiere auch präventiv abschießen lassen. Damit soll der Wolfsbestand verringert werden, und die Wölfe sollen wieder Respekt vor den Menschen bekommen.
Die Umweltministerin von der SPD, Svenja Schulze, sieht das ganz anders. Sie ist stolz darauf, dass der Wolf endlich wieder in Deutschland heimisch ist und möchte ihn weiter schützen. Erst seit dem Jahr 2000 lebt er wieder in Deutschland, inzwischen gibt es 73 Rudel, 30 Paare und drei Einzelgänger. Wolfsland Nummer eins ist Brandenburg mit 26 Rudeln und zwölf Paaren. Der Wolf ist in Deutschland streng geschützt.
Monatelang tobte der Streit zwischen den Ministerien, dann vermittelte das Bundeskanzleramt, auch Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) wurde einbezogen. Herausgekommen ist ein Kompromiss („Lex Lupus“), den das Bundeskabinett am Mittwoch billigte.
Nicht nur die Täter dürfen getötet werden
Die strengen Regeln für den Abschuss von Wölfen werden im Bundesnaturschutzgesetz gelockert. Bisher dürfen nur Tiere abgeschossen werden, die nachweislich mehrfach Schafe oder Kälbchen gerissen haben, obwohl die Weiden mit „wolfssicheren“ Zäunen gesichert waren. Erlaubt ist nur der Abschuss des Täters, eine Gruppenhaftung des Rudels gibt es nicht. Das wird jetzt geändert. Vergreift sich ein Rudel an Nutztieren, sollen künftig Jäger Wölfe des Rudels erschießen, auch wenn sie dabei vielleicht einen Unschuldigen erwischen. Der Abschuss geht so lange, bis die Übergriffe aufhören – notfalls muss das ganze Rudel daran glauben. Nötig ist aber weiterhin eine behördliche Ausnahmegenehmigung.
"Der Wolf bleibt eine streng geschützte Tierart", sagt Svenja Schulze
Allerdings werden auch die Voraussetzungen für eine solche Erlaubnis gesenkt. Künftig reichen „ernste Schäden“, bisher musste der Viehhalter „erhebliche“ und damit existenzbedrohende Schäden nachweisen. Hybride – Mischlinge aus Wolf und Hund – sollen getötet werden, das Anfüttern von Wölfen wird verboten. Das Gesetz soll noch vor der Sommerpause in den Bundestag eingebracht werden und könnte im Herbst in Kraft treten.
„Der Wolf bleibt eine streng geschützte Tierart“, betont Umweltministerin Schulze. Umweltschützer sind dennoch empört. Die geplanten Änderungen seien „kein Gewinn für die Koexistenz für Mensch, Weidetier und Wolf“, kritisiert NABU-Geschäftsführer Leif Miller. Der richtige Weg wären bundesweite Standards für einen besseren Herdenschutz. Der Bund für Umwelt und Naturschutz befürchtet, dass die Neuregelung das Problem sogar noch verschärfen könnte. Wenn durch Abschüsse die Rudelstruktur zerstört wird, fremde Wölfe einwandern oder junge Wölfe plötzlich ohne ihre Eltern jagen müssen, könnten die Nutztierrisse zunehmen.
Seit wenn entscheidet eigentlich die Agrarministerin über die Abschussquoten von geschützten Wildtieren??
schreibt NutzerIn tel33
Agrarministerin Klöckner lässt nicht locker
Bauern, Jägern und der Bundeslandwirtschaftsministerin geht die Neuregelungen dagegen nicht weit genug. Es sei ein erster Schritt in die richtige Richtung, betonte Klöckner am Mittwoch. Doch die Ministerin kämpft weiter für die „Entnahme einer begrenzten und behördlich spezifizierten Anzahl von Wölfen“. So wie es Finnland tun will. Ob das EU-Land das darf, wird derzeit vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt. Der Generalanwalt, dessen Einschätzung das Gericht meist folgt, scheint das Vorgehen zu billigen. Falls Finnland gewinnt, will Klöckner das Thema erneut aufgreifen.
Die "Problemwölfe" leben noch
Doch Wölfe abzuschießen, ist leichter gesagt als getan. Bereits seit Januar wird Jagd auf zwei Rüden gemacht: Schleswig-Holstein jagt den Einzelgänger „GW924m“, Niedersachsen den Leitwolf „GW717m“, genannt „Roddy“. Bisher ohne Erfolg. „Das Revier ist riesig“, heißt es im niedersächsischen Umweltministerium. „Zudem sind wir vorsichtig, den richtigen Wolf zu erwischen“. Für künftige Fälle wird das wohl eine geringere Sorge sein.