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CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer geht auf Distanz zur SPD.
© dpa/Carsten Rehder

Konflikt in der Groko: Warum Kramp-Karrenbauer auf Konfrontation zur SPD geht

Die Sozialdemokraten wollen befristete Arbeitsverhältnisse abschaffen. Doch CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer drückt auf die Bremse.

Annegret-Kramp Karrenbauer steht unter besonderer Beobachtung. Die CDU-Chefin ist noch keine zwei Monate im Amt. Da muss sie sich vor der Partei noch beweisen. Nun hat sie vom Wirtschaftsflügel ein dickes Lob erhalten. „Der Start ist gelungen“, bilanzierte Carsten Linnenmann, Chef der Mittelstandsvereinigung der Union, diese Woche.

"Die SPD ist ganz entspannt"

Das Kompliment erhielt Kramp-Karrenbauer nach einem Besuch beim Arbeitgeberverband. Dort trat sie vor die Kameras und zeigte klare Kante – gegen die SPD. Die CDU-Vorsitzende kündigte an, über die Abschaffung von „sachgrundlos befristeten“ Arbeitsverträgen noch einmal in aller Ruhe im Koalitionsausschuss diskutieren zu wollen. Damit dämpfte sie die Hoffnung der Sozialdemokraten auf ein schnelles Ende solcher Arbeitsverhältnisse. Die Genossen hatten das nach zähem Ringen in den Koalitionsvertrag reinverhandelt. Jetzt will Kramp-Karrenbauer die Sache offenbar noch einmal von vorne aufrollen. Auch stellte sie die Abschaffung des Solidaritätszuschlags sowie Steuersenkungen in Aussicht. Die SPD lehnt beides ab.

Die Sozialdemokraten zeigten sich überrumpelt von Kramp-Karrenbauers Vorstößen. Die habe man „überrascht zu Kenntnis genommen“, heißt es in der SPD-Bundestagsfraktion. Zu einer öffentlichen Replik auf die CDU-Chefin kann sich bei den Sozialdemokraten aber niemand durchringen. Lieber wolle man das Thema erst einmal „wegschweigen“, heißt es. Die Genossen wollen Kramp-Karrenbauers Kampfansage verpuffen lassen. „Die SPD ist da ganz entspannt“, sagt eine Sprecherin.

So findet sich niemand aus dem Willy-Brandt-Haus, der die CDU-Chefin öffentlich dafür zurechtweist, dass sie einen längst gefundenen Kompromiss plötzlich in Frage stellt. Es sei ja noch Zeit bis zum nächsten Koalitionsausschuss, heißt es in der SPD-Fraktion. Die Themen „werden noch abgestimmt“, sagt eine Sprecherin.

Groko-Kompromiss nicht umsetzbar?

Der Arbeitsrechtler Ulrich Preis findet es richtig, die Stelle im Koalitionsvertrag zur „sachgrundlosen Befristung“ noch einmal zu überdenken. „Die Sache noch einmal aufschnüren, ist gar nicht so falsch“, sagt der Jura-Professor von der Uni Köln. Was Union und SPD im vergangenen Jahr ausgehandelt haben, sei viel zu kompliziert, um sich durchsetzen zu lassen.

„Wir wollen den Missbrauch bei den Befristungen abschaffen“, heißt es im Koalitionsvertrag. „Arbeitgeber mit mehr als 75 Beschäftigten“ sollen nur „noch maximal 2,5 Prozent der Belegschaft sachgrundlos befristen“ dürfen. Eine Firma, die diese Quote überschreitet, soll nur noch unbefristete Verträge abschließen dürfen.

Preis findet das juristisch fragwürdig: „Wie das gestaltet werden soll, da kann man nur den Kopf schütteln.“ Der Arbeitsrechtsexperte schlägt eine einfache Lösung vor: Er will die sachgrundlose Befristung verbieten. „Aber dafür sollte man die Probezeit auf ein Jahr verlängern.“

Hubertus Heil will Gesetzentwurf vorlegen

Ob SPD und Gewerkschaften das mitmachen würden? Laut Kramp-Karrenbauer sei das Ende der sachgrundlosen Befristung in den Koalitionsverhandlungen eine „massive Forderung“ der SPD gewesen sei. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) lässt gerade einen entsprechenden Gesetzentwurf ausarbeiten. Vorlegen will er ihn in der ersten Hälfte dieses Jahres. Für die Sozialdemokraten ist die Angelegenheit ein Herzensthema. Sie selbst haben die sachgrundlose Befristung 2001 unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) eingeführt. Jetzt wollen sie die damalige Entscheidung rückgängig machen. „Willkürliche Befristungen drängen wir zurück“, sagt Heil.

SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil will die "sachgrundlose Befristung" abschaffen.
SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil will die "sachgrundlose Befristung" abschaffen.
© AFP

Die Politikwissenschaftlerin Barbara Riedmüller hält das für dringend nötig: „Befristungen gehen oft auf Kosten der jungen Leute. Für sie erschwert das den Berufseinstieg.“ In Zeiten von Fachkräftemangel sei die sachgrundlose Befristung eine „kontraproduktive Maßnahme“, sagt die Professorin der FU Berlin. Laut Institut für Arbeits- und Berufsforschung waren 2017 rund 1,6 Millionen Menschen befristet angestellt. Dabei lag die Quote der sachgrundlosen Begrenzung im öffentlichen Dienst bei 2,2 Prozent, in der Privatwirtschaft betrug sie 4,4 Prozent.

Die CDU würde hier am liebsten alles beim Alten belassen. Neues wagen will die Union dagegen im Steuerrecht: Nach dem Willen von Parteichefin Kramp-Karrenbauer soll der Soli abgeschafft werden, außerdem will sie Steuersenkungen prüfen lassen. Für SPD-Ohren müsste das eigentlich wie eine Provokation klingen. Doch auch dazu hört man von prominenten Sozialdemokraten bislang: nichts.

Arbeitgeber zufrieden mit AKK

Die Sozialpolitik-Expertin Riedmüller warnt, eine Abschaffung des Solis würde den Falschen Erleichterungen bringen. „Menschen mit 50.000 Euro und solche mit dem doppelten Jahreseinkommen gleich zu behandeln, ist ungerecht“, sagt sie. Statt nach dem Gießkannen-Prinzip sollte die Regierung gezielt einzelne Gruppen entlasten – etwa alleinerziehende Mütter. „Anlässe für eine Steuerreform gibt es genug“, sagt Riedmüller.

Aus Sicht der Wirtschaftsvertreter klingt vor allem die Aussicht auf weniger Abgaben verlockend, wie sie Kramp-Karrenbauer angekündigt hat. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer lobt die CDU-Chefin. „Wir sind sehr zufrieden, wie sich das Personaltableau an der Spitze der CDU entwickelt hat“, sagte er. „Wir verstehen Kramp-Karrenbauer als jemanden, der etwas von Wirtschaft versteht und sich für Wirtschaft einsetzt.“

Sollte es das Ziel der CDU-Chefin gewesen sein, mit ihren Aussagen das wirtschaftspolitische Profil ihrer Partei zu schärfen, dann scheint ihr das gelungen zu sein. So hat sie möglicherweise Zweifel an ihrer Person gedämpft, sie könnte wie ihr saarländischer Landesverband sozialpolitisch eher links stehen. Solche Bedenken hat sie nun aus dem Weg geräumt.

Voll des Lobes: Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer unterstützt CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer.
Voll des Lobes: Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer unterstützt CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer.
© dpa/Wolfgang Kumm

Politik für Merz-Anhänger

Für Kramp-Karrenbauer ist die richtige Position in der Wirtschaftspolitik strategisch wichtig: zu mittig, zu Merkel-mäßig darf sie in der Frage nicht wirken. Zu viele Kritiker der Kanzlerin gibt es in der CDU. Die würden lieber Friedrich Merz an der Parteispitze sehen, Kramp-Karrenbauers konservativen Konkurrenten.

Auf dessen Fans ist die CDU-Chefin nun einen Schritt zugegangen. Dass sie sich damit ein gutes Stück von ihrem Koalitionspartner SPD wegbewegen musste, nimmt sie offenbar gerne in Kauf.

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