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Benny Gantz, Vorsitzender des Bündnisses Blau-Weiß, sieht sich unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht in der Lage, die Pattsituation im Parlament aufzubrechen.
© Emmanuel Dunand/AFP

Neuwahl in Israel?: Warum die Regierungsbildung gescheitert ist

Mit Ex-General Benny Gantz ist es wieder einem führender Politiker nicht gelungen, eine tragfähige Koalition zu schmieden. Ist Israel unregierbar?

Genau 21 Tage bleiben jedem der 120 Knessetabgeordneten noch Zeit, eine Regierung zu bilden. Die Chancen dafür sind aber gering. Premier Benjamin Netanjahu und Herausforderer Benny Gantz sind bereits an der Aufgabe gescheitert. Ist das Land unregierbar? Könnte womöglich ein Generalstaatsanwalt schon bald Bewegung in die stagnierenden Verhandlungen bringen?

Der Herausforderer

Ex-General Benny Gantz kann zumindest eines für sich in Anspruch nehmen: Er hat sich um der Macht willen nicht verbogen. Immer betonte der Politik-Neuling, sich einer liberalen, säkularen Koalition verpflichtet zu fühlen. Also einer ohne religiöse und nationalistische Kräfte. Gantz hielt Wort.

Allerdings hat sich in den vergangenen Wochen auch gezeigt, dass Integrität allein nicht ausreicht, eine tragfähige Regierung zu schmieden. Die zum Teil völlig konträren Vorstellungen der Parteien haben sich als unüberwindbares Hindernis erwiesen.

Der Dauer-Amtsinhaber

So blass und ausgelaugt wie derzeit wirkte Netanjahu nur selten. Zweimal innerhalb eines Jahres hat er es nicht geschafft, eine Regierung zu bilden. Obendrein droht ihm eine Anklage wegen Korruption. Der Langzeit-Premier kämpft ums politische Überleben – mit allen Mitteln: Wenn er es nicht schafft, eine Mehrheit zu finden, soll keiner es schaffen.

Darum schloss er einen Pakt mit seinen politischen Verbündeten, den nationalreligiösen und ultraorthodoxen Parteien, und verhandelt als Einziger für diesen Block. Das Ziel: Keiner von ihnen soll ins Lager des Bündnisses Blau-Weiß überlaufen.

Um sich weiterhin den Rückhalt in der eigenen Partei zu sichern, versucht er nun, die Wahlen zum Vorsitzenden seines konservativen Likud zu verhindern. Er weiß, dass es für ihn eng wird. Sein Langzeitrivale Gideon Saar bringt sich in Stellung. „Ich denke, ich werde in der Lage sein, eine Regierung zu bilden, und ich denke, ich werde in der Lage sein, das Land und die Nation zu vereinen.“

Avigdor Lieberman und seine Partei "Unser Haus Israel" gilt als Königsmacher.
Avigdor Lieberman und seine Partei "Unser Haus Israel" gilt als Königsmacher.
© Mernahem Kahana/AFP

Der Königsmacher

Rechtspopulist Avigdor Lieberman galt schon vor den Wahlen als Königsmacher und bleibt es wohl auch. Mit neun Sitzen war seine Unterstützung sowohl für das rechtsnationale wie auch das linksliberale Lager unerlässlich. Doch Lieberman, der vorwiegend die Interessen der säkularen Russen vertritt, hatte nie vor, sich auf eine der beiden Seiten zu schlagen.

Er wollte weder mit den ultraorthodoxen Parteien koalieren noch ein Bündnis unterstützen, das auf die Hilfe arabischer Parteien angewiesen ist. Lieberman setzte immer auf eine große Koalition mit seiner Partei „Unser Haus Israel“, dem Likud und Blau-Weiß. Er verhandelte, erpresste und stellte ein Ultimatum, vergeblich.

Das Volk

Israelis, sonst gerne zu politischen Gesprächen bereit, zucken derzeit nur noch mit den Schultern, wenn sie von Machtkämpfen und dem Versuch einer Koalitionsbildung hören. Sie sind frustriert über den politischen Stillstand, der das Land seit Monaten lähmt und Reformen verhindert. Die einsetzende Politikverdrossenheit ist eine Gefahr für die Demokratie.

Hinzu kommt: Viele Israelis können sich ihr Land ohne Netanjahu an der Spitze kaum noch vorstellen. Der ist seit 2009 durchgehend an der Macht, sogar Korruptionsvorwürfe konnten ihm bisher nichts anhaben. Viele bezweifeln mittlerweile, dass sich daran etwas ändern könnte.

Der Staatsanwalt

Einer hat das Potenzial, doch noch Bewegung in die festgefahrene Lage zu bringen: Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit. Seit Wochen wartet das Land auf dessen Entscheidung. Wird er gegen Netanjahu wegen Korruption Anklage erheben?

Das hätte womöglich ein politisches Beben zur Folge: Schwindet im Falle einer Anklageerhebung Netanjahus Rückhalt, wird er gar an der Spitze des Likud abgelöst, steigen die Chancen auf eine Regierungsbildung. Gantz und seine Blau-Weißen warten nur darauf, mit dem Likud eine große Koalition einzugehen – nur eben nicht mit einem unter Korruptionsverdacht stehenden Premier an der Spitze.

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