Rechtsextremer Terror: Warum die Namen der Täter genannt werden sollten
Rechtsextreme wie der Attentäter von Halle suchen das Rampenlicht. Manche fordern: "Keine Bühne den Tätern." Warum Berichterstattung trotzdem wichtig ist. Ein Kommentar.
Am Dienstag wurde der Prozess gegen einen Rechtsextremisten fortgesetzt, der am 9. Oktober 2019 versucht hat, in der Synagoge in Halle einen Massenmord zu begehen. Als es ihm nicht gelang, in das Gebäude einzudringen, ermordete er zwei Unbeteiligte. Er filmte sich dabei selbst und streamte das Video live. Als das Tatvideo im Gerichtssaal zum Auftakt des Prozesses noch einmal gezeigt wurde, grinste der Angeklagte. Zudem hatte er sich gewünscht, dass sein Name genannt, sein Foto gezeigt werde.
Nennt man den Namen des Täters von Halle, entspricht man seinem Wunsch. Das fühlt sich falsch an
Einige Nebenkläger baten darum, darauf zu verzichten. Das Bündnis „Halle gegen rechts“ forderte: „Keine Bühne für den Täter“ und rief zur Demonstration vor dem Gerichtsgebäude auf. Das Bündnis argumentiert außerdem, durch die Fokussierung auf die Person des Täters würden die „rassistischen Resonanzräume“ in der Gesellschaft ausgeblendet, die zu diesen Taten beitragen.
Und empfindet man nicht überhaupt ein diffuses Unbehagen, in irgendetwas gewollt oder ungewollt dem Wunsch des Täters zu entsprechen? Dass ihm ab sofort jeder Wunsch zu verwehren ist, scheint gerecht und ein erster Schritt der Kompensation, die den Hinterbliebenen und der Gesellschaft zusteht.
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Hätten also wir, die Medien, zumindest nicht so detailliert über den Prozessauftakt berichten sollen? Bieten wir dem Täter die Bühne, die er schon mit der Tat suchte und nun im Prozess?
Die Täter produzieren sich. Wir, die Medien, sind Teil des Plan
Diese medienethische Frage stellt sich immer, gerade aber bei Tätern wie diesem, die von extremistischen Ideologien und Narzissmus getrieben sind. Auch Anders Breivik, der 2011 acht Menschen in Oslo mit einer Autobombe tötete und auf der Insel Utoya 69 Teilnehmer eines Ferienlagers, suchte die „Bühne“ und hinterließ wie der Täter aus Halle, Stephan Balliet, ein Manifest, ebenso der Australier Brenton Tarrant, der 2019 im neuseeländischen Christchurch 51 Menschen in zwei Moscheen ermordete und die Tat live streamte. Die mediale Resonanz ist Teil des Plans. Diese Täter versuchen sich im engsten Wortsinn zu „produzieren“, sich durch die Tat in einer anderen Rolle medial neu zu erschaffen.
Bis heute gilt vielen der neuseeländische Umgang mit dem Täter von Christchurch als vorbildlich: Die Verbreitung des Tatvideos wurde für illegal erklärt, mehrere Personen, die es trotzdem taten, wurden verhaftet. Die Ministerpräsidentin Jacinda Ardern schwor öffentlich, den Namen des Täters nicht zu nennen. Sie sagte, sie werde ihn „namenlos“ machen, und forderte, stattdessen die Namen der Opfer öffentlich zu nennen.
Die Namen der Täter für unaussprechlich zu erklären, ist eine Form der Überhöhung
Damnatio memoriae wird die Praxis genannt, mit der in der Antike und später auch (vor allem in autoritären) Staaten der Moderne die Namen und Bildnisse derer ausgelöscht wurden, deren Taten verurteilt wurden. Ihre Namen wurden aus Inschriften getilgt, Bildnisse zerstört oder geändert. Die Taten der Getilgten, so suggeriert die damnatio, waren so unaussprechlich, dass auch ihr Name unaussprechlich sein musste. Darin liegt eine riskante Überhöhung. Die Täter werden nicht vergessen, sie werden ungeschichtlich und damit übermenschlich, mythisch. Und noch etwas liegt in der damnatio: die Angst davor, dass schon die Worte und der Name allein eine Gesellschaft infizieren könnten. Doch in den „Resonanzräumen“ des Rassismus gärt die Ideologie ohnehin, sie braucht kein „Futter“ aus Gerichtssälen oder Medien.
Ein öffentlicher Prozess kann die Taten entzaubern
Die große Mehrheit der Gesellschaft hingegen, die solches Gedankengut ablehnt, tut gut daran, sich darauf immer wieder neu zu verständigen und sich mit extremen Ideologien zu konfrontieren. Ein Name oder ein antisemitischer Satz ist zunächst ein nacktes Gerüst aus Buchstaben und Lauten. Es kommt darauf an, ob die Bedeutung abgelehnt oder angenommen wird. Ein öffentlicher Prozess kann die Bewertung durch Benennen und Analysieren steuern und die Taten entzaubern: Er kann aus „Übertaten“ Verbrechen machen und den Konsens darüber festigen, was richtig und was falsch ist.
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