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EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Kanzlerin Angela Merkel und EU-Ratschef Donald Tusk (von links) im vergangenen Oktober in Brüssel.
© dpa

Asylbewerber und Europa: Warum die EU sich in der Flüchtlingspolitik nicht einigen kann

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist dringend darauf angewiesen, dass in der Flüchtlingskrise eine EU-Lösung zu Stande kommt. Doch die ist nicht in Sicht. Eine Analyse.

Die Zeichen der Krise sind nicht zu übersehen. Der Chefsprecher der EU-Kommission, Margaritis Schinas, klammerte sich am Montag im Brüsseler Pressesaal an ein Sprachbild, um den schlechten Zustand Europas in der Flüchtlingspolitik zu beschreiben. Der Grieche sprach von den „Bausteinen“ zur Lösung der Flüchtlingskrise, die inzwischen bereit lägen: Die Umverteilung und Neuansiedlung der Flüchtlinge, der Aktionsplan mit der Türkei, die Zusammenarbeit mit Griechenland und der europäische Küstenschutz. „Jetzt geht es darum, diese Bausteine zu einem Bauwerk zusammenzusetzen“, meinte Schinas.

Es sieht aber nicht danach aus, dass dieses Bauwerk bald stehen wird - wenn es überhaupt je fertig wird. Kommissionschef Jean-Claude Juncker selbst hat im vergangenen Dezember erklärt, er sei nicht sehr optimistisch, dass es 2016 in der Flüchtlingskrise besser laufen werde als 2015. Nach Belegen für diese Prognose muss man nicht lange suchen. Junckers Stellvertreter, der Niederländer Frans Timmermans, erklärte am Montag in Ankara nach einem Gespräch mit dem türkischen EU-Minister Volkan Bozkir, dass die Zahl der Flüchtlinge, die über die Türkei nach Europa gelangen, immer noch „viel zu hoch“ sei. Nach den Angaben von Timmermans kommen jeden Tag immer noch 2000 bis 3000 Flüchtlinge in Griechenland an. Derweil geht auch das Sterben im Mittelmeer weiter: Vor der Küste Süditaliens wurde die Leiche einer Frau gefunden, die auf einem Flüchtlingsboot zusammen mit Dutzenden weiteren Passagieren nach Europa gelangen wollte. Und in der Ägäis kamen seit Jahresbeginn 39 Menschen ums Leben oder werden vermisst.

Die Übergriffe von Köln erschweren den Dialog unter den EU-Partnern

Als wäre die Suche nach einer Lösung der Flüchtlingskrise auf europäischer Ebene nicht schon schwierig genug, haben die Ereignisse in der Silvesternacht in Köln den so dringend benötigten Dialog zwischen den EU-Partnern in der wohl größten Herausforderung in der europäischen Gemeinschaftsgeschichte noch einmal erschwert.

Insbesondere die Forderung nach einem europäischen Grenzschutz wird nach den sexuellen Übergriffen in Köln von einigen EU-Partnern mit noch größerem Nachdruck erhoben. So hatte der slowakische Ministerpräsident Robert Fico am Freitag die Einberufung eines EU-Sondergipfels verlangt. „Wir müssen den kürzlich angenommenen Terminkalender ändern, weil wir angesichts der Ereignisse (in Köln) nicht bis Herbst warten können“, hatte Fico gesagt. Daraufhin erklärte EU-Ratschef Donald Tusk, dass ein von Fico ins Gespräch gebrachter Sondergipfel, bei dem die Einrichtung eines EU-Grenzschutzes vorangetrieben werden könnte, nicht geplant sei. Der nächste reguläre EU-Gipfel ist am 18. und 19. Februar geplant. Da soll es um den drohenden „Brexit“ gehen – auch nicht gerade eine kleine Herausforderung für die EU.

Die Flüchtlingskrise ist nur ein weiteres Symptom für den Zerfall der EU. Es ist ein Konstrukt, das auf wirtschaftlicher Basis aufgebaut wurde, aber niemals für politische Zwecke geeignet ist.

schreibt NutzerIn Salsa

Von Hollande kann Merkel nur geringe Zugeständnisse erwarten

An Staaten wie der Slowakei scheitert derweil bislang die Umverteilung von Flüchtlingen, wie sie die EU-Kommission und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gebetsmühlenartig als einen der vielen Bestandteile für eine EU-Lösung der Flüchtlingskrise einfordern.

Aber auch andere Länder, die nicht zur osteuropäischen Verweigerer-Front gehören, geben in der Flüchtlingskrise kein gutes Bild ab. Frankreich hat sich lediglich bereit erklärt, 24.000 der insgesamt 160.000 Schutzsuchenden aufzunehmen, welche innerhalb der EU in den nächsten zwei Jahren umverteilt werden sollen. Ein Zugeständnis in größerem Umfang an Kanzlerin Merkel scheint dem französischen Präsidenten François Hollande nicht möglich. Dem Staatschef sitzt die Vorsitzende des rechtspopulistischen Front National, Marine Le Pen, im Nacken. Eineinhalb Jahre vor der Präsidentschaftswahl in Frankreich scheint der politische Spielraum für Hollande in der Flüchtlingsfrage offenbar ausgereizt.

Am Donnerstag trifft sich Juncker mit der Kanzlerin in Berlin

In dieser verfahrenen Situation will sich EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Donnerstagvormittag in Berlin mit Merkel treffen. Die Kanzlerin ist dringend darauf angewiesen, dass der Kommissions-Plan in der Flüchtlingskrise aufgeht. Und dass die Flüchtlingszahlen im Frühjahr nicht wieder schlagartig in die Höhe gehen.

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