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Bundeskanzlerin Angela Merkel und der 34-jährige Emir Tamim bin Hamad al Thani am Mittwoch in Berlin.
© dpa

Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel: Warum der Besuch des Emirs von Katar so heikel ist

Der neue Herrscher von Katar sprach mit Kanzlerin Angela Merkel über den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen – und Terrorismus. Das Land ist ein wichtiger Verbündeter des Westens und unterstützt gleichzeitig die Hamas und die Muslimbrüder.

Jahrelang war Katar ein Meister der Widersprüche, ein Gernegroß und schillernder Politjongleur, der allerdings zuletzt stark ins Stolpern geraten ist. Der märchenhaft reiche Ministaat ist geprägt von einem wahabitischen Islam und unterhält gleichzeitig enge Kontakte zum arabischen Erzfeind Iran. Er ist Ausrichter der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 und beutet gleichzeitig Hunderttausende miserabel bezahlter Wanderarbeiter aus. Er ist Standort der wichtigsten US-Luftwaffenbasis am Golf und gleichzeitig arabischer Hauptverbündeter der Muslimbrüder. Seine autoritäre Monarchie ist ohne Parlament, hält sich aber mit Al Dschasira einen Haussender, der allen anderen nahöstlichen Regimen Demokratie predigt.

Kein Wunder, dass Ruf und Einfluss in letzter Zeit deutlich gelitten haben. Der Druck der Nachbarn am Golf wächst. Die sozialen Verhältnisse im Land ernten international scharfe Kritik. Und so erhofft sich Katar Entlastung und Rückendeckung vor allem von Europa und den Vereinigten Staaten. Am Mittwoch reiste der 34-jährige Emir Tamim bin Hamad al Thani zum ersten Besuch nach Berlin, der im Juni 2013 als Viertgeborener von seinem Vater die Macht übernahm. Gleichzeitig bestellte die superreiche Scheichfamilie in den USA für neun Milliarden Euro Apache-Hubschrauber und Patriot-Batterien.

Der junge Emir stammt aus dem frommen Flügel der Familie, steht den Muslimbrüdern nahe und war lange Vizekommandeur der Streitkräfte. Wie viele andere arabische Potentaten wurde er an der renommierten britischen Militärakademie Sandhurst ausgebildet. Das Kommando als Staatschef übernahm er vor anderthalb Jahren in schwierigen Zeiten. Im Vergleich zu den vergreisten Herrschern im benachbarten Saudi-Arabien oder dem alkoholkranken Emir von Kuwait jedoch wirkt der junge Autokrat, der in seinem Kabinett neue Gesichter um sich scharte, frisch, berechenbar, aufgeschlossen und pragmatisch. Beim Staatsbesuch an der Spree trat er in grau gestreiftem Anzug mit roter Krawatte auf und nicht im traditionellen Gewand vom Golf.

Die Kanzlerin kritisierte die Bedingungen auf den WM-Baustellen

Und so versteht Katar seine Wirtschafts- und Rüstungskontakte zum Westen als strategische Existenzgarantie. Es ist noch kein halbes Jahr her, dass der saudische Außenminister hinter verschlossenen Türen unverblümt dem kleinen, aufmüpfigen Nachbarn mit einer Seeblockade drohte und dem Schließen aller Landverbindungen. Eine militärische Besetzung Katars wäre für die saudische Armee eine Sache von Tagen. Wichtigster Dorn im Auge ist Saudi-Arabien, Bahrain und den Emiraten vor allem die offene Sympathie Katars für die Muslimbrüder der Region, die diese Staaten alle zur Terrororganisation deklariert haben.

In Berlin geht es neben den bereits vereinbarten Rüstungsgeschäften vor allem um den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen. Doch auch in Deutschland hat das Ansehen Katars gelitten. Die Rufe, dem Emirat die WM wegen der katastrophalen Zustände auf seinen Großbaustellen wieder zu entziehen, wollen nicht verstummen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Katar aufgefordert, ausländische Gastarbeiter auf den Baustellen für die Fußball-WM 2022 besser zu behandeln. Sie habe „sehr deutlich gemacht“, dass Deutschland sich wünsche, dass ein reiches Land wie Katar bessere Arbeitsbedingungen biete, sagte Merkel am Mittwoch nach einem Treffen mit dem Emir. Der Emir räumte Versäumnisse ein: „Wir sagen nicht: Wir sind der ideale Staat, der keine Fehler macht.“ Sein Land arbeite ernsthaft daran, mehr für ausländische Arbeiter zu tun.

Vorwurf der Unterstützung des Terrorismus zurückgewiesen

Nur rund 280 000 der 1,7 Millionen Einwohner sind Kataris. In den nächsten Jahren sollen aus Asien weitere 220 000 Bauarbeiter angeworben werden, dann wären 80 Prozent aller Bewohner Männer. Zudem hat sich das Emirat erst kürzlich auf massiven internationalen Druck bereiterklärt, energischer gegen reiche Bürger und religiöse Stiftungen vorzugehen, die hohe Summen nach Syrien pumpen, um radikale IS-Brigaden zu unterstützen. Hauptfinanziers sind nach Erkenntnissen des US-Finanzministeriums und der Europäischen Gemeinschaft Mittelsmänner in Kuwait, denen auch beträchtliche Spenden aus privaten Kreisen in Saudi-Arabien und Katar zufließen.

Im Gespräch mit Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel wies Scheich Tamim bin Hamad al Thani diese Vorwürfe rundheraus zurück. „Es gibt keine Unterstützung Katars für terroristische Bewegungen“. Dies gelte sowohl für Syrien als auch Irak, versicherte er in Berlin und überzeugte damit offenkundig seine Gastgeber. Merkel sagte, der Emir habe ihr glaubwürdig versichert, dass der Kampf gegen IS genauso eine Angelegenheit der Sicherheit Katars sei wie eine Angelegenheit der Sicherheit für andere Länder. Sie verwies darauf, dass Katar am Montag der internationalen Allianz im Kampf gegen IS beigetreten sei. „Ich habe keinen Grund, den Aussagen des Emirs nicht zu glauben“, sagte Merkel. Zugleich räumte sie ein, dass es in einer Reihe anderer Fragen wie etwa der Unterstützung der palästinensischen Hamas durch Katar unterschiedliche Ansichten gibt. Katar habe aber die Funktion eines Landes, das „Gesprächskontakte in alle Richtungen hat“.

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