zum Hauptinhalt
Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un im Jahr 2017 beim Test einer ballistischen Mittel- und Langstreckenrakete. Das Foto wurde von der offiziellen staatlichen Nachrichtenagentur freigegeben.
© AFP/ KCNA via KNS

75 Jahre nach Hiroshima: Warum das Ziel einer atomwaffenfreien Welt in weite Ferne rückt

Was nach dem Ende des letzten Abrüstungsvertrags kommt, ist noch unklar. Zugleich stellen neue Atommächte wie Nordkorea die Welt vor Probleme. Eine Analyse.

Der Bericht, der den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen Anfang dieser Woche erreichte, ist alles andere als beruhigend. Nordkorea habe wahrscheinlich „stark verkleinerte atomare Vorrichtungen entwickelt, die auf die Sprengköpfe seiner ballistischen Raketen passen“, heißt es in der Stellungnahme einer UN-Expertenkommission unter Berufung auf mehrere nicht näher genannte Länder.

75 Jahre nach dem ersten Abwurf einer Atombombe über der japanischen Stadt Hiroshima und mehr als drei Jahrzehnte nach dem Ende des Kalten Krieges wachsen damit wieder die Sorgen, solche Waffen könnten trotz der weltweiten Ächtung noch einmal zum Einsatz kommen.

Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un, der sein Land diktatorisch regiert, erklärte in der vergangenen Woche, Atomwaffen garantierten die Sicherheit Nordkoreas. Es müsse nun nie wieder Krieg geben. Vergessen scheint die angebliche Verhandlungsbereitschaft des Machthabers in Sachen Abrüstung. Noch vor zwei Jahren hatte US-Präsident Donald Trump nach einem Treffen mit Kim Jong Un stolz verkündet, von Nordkorea gehe keine atomare Bedrohung mehr aus. Davon ist mittlerweile auch in Washington nicht mehr die Rede. Vom Treffen der beiden Staatschefs blieben nichts als schöne Bilder.

In dem UN-Bericht heißt es nun, dass Nordkorea neben der Entwicklung der kleinen nuklearen Sprengköpfe sein Atomprogramm auch mit der Herstellung von hoch angereichertem Uran sowie dem Bau eines Leichtwasserreaktors fortgesetzt habe. Außerdem habe Nordkorea nach Auffassung eines nicht genannten Staates auch die Produktion von Atomwaffen fortgesetzt.

Das Beispiel Nordkorea zeigt, wie die „neuen“ Atommächte die Welt vor zusätzliche Probleme stellen – und wie schwierig, wenn nicht beinahe aussichtslos Verhandlungslösungen mit nuklear bewaffneten Diktaturen sind.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Nordkorea ist die jüngste der offiziell neun Atommächte. Neben den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates, also den USA, Großbritannien, Frankreich, Russland und China, verfügen auch die beiden Nachbarn und Erzfeinde Indien und Pakistan sowie Israel über nukleare Sprengköpfe. Im Atomwaffensperrvertrag haben sich 191 Staaten verpflichtet, auf die Entwicklung und den Besitz dieser verheerenden Waffen zu verzichten.

Dennoch gab und gibt es Länder, die seit Jahren bestrebt sind, selbst in die Riege der Nuklearmächte aufzusteigen, allen voran der Iran, dessen Atomprogramm durch Sanktionen und ein Abkommen eingehegt werden sollte.

Weltweit gibt es noch 13400 nukleare Sprengköpfe

Insgesamt gibt es weltweit 13400 nukleare Sprengköpfe, über die meisten verfügen Russland (6375) und die USA (5800). Dieses Kräfteverhältnis mit zwei Atom-Großmächten ist ein Relikt aus dem Kalten Krieg. Das seitdem entwickelte Rüstungskontrollsystem steht allerdings heute mehr denn je zur Disposition. Im so genannten INF-Vertrag hatten sich die USA und die Sowjetunion verpflichtet, auf alle landgestützten Mittelstreckenwaffen zu verzichten. Der Vertrag von 1987 galt als Meilenstein auf dem Weg zum Endes des Kalten Krieges: Alle im Westen und Osten Europas stationierten Atomraketen mittlerer Reichweite wurden vernichtet.

Doch Russland entwickelte seitdem neue Marschflugkörper, die nach Erkenntnissen der Nato über eine Reichweite verfügen, die unter das Verbot fällt. Daraufhin kündigte Trump im vergangenen Jahr den INF-Vertrag. Der Grund dafür war nicht nur das Verhalten der Russen, sondern auch die Tatsache, dass China mittlerweile in großem Umfang Mittelstreckenwaffen entwickelt hatte, die Ziele in einer Entfernung zwischen 500 und 5500 Kilometern erreichen könnten.

Die Amerikaner wollen daher China in neue Verhandlungen über die Abrüstung von Mittelstreckensystemen einbeziehen – doch die Führung in Peking hat derzeit kaum Anlass, darauf einzugehen. Russlands Präsident Wladimir Putin berichtete derweil immer wieder öffentlichkeitswirksam über die Entwicklung neuer, angeblich weltweit einmaliger nuklearer Waffensysteme.

Amerikaner und Russen verhandeln über Abrüstung

Der letzte verbleibende Abrüstungsvertrag, das „New-Start“-Abkommen, läuft im Februar kommenden Jahres aus. Trumps Amtsvorgänger Barack Obama hatte in einer Rede in Prag 2009 noch die Vision einer atomwaffenfreien Welt beschworen. Der „New Start“-Vertrag, den Obama ein Jahr später mit unterzeichnete, sollte ein kleiner Schritt auf dem Weg dorthin sein.

Im Jahr 2010 unterzeichneten die damaligen Präsidenten Barack Obama (links) und Dmitri Medwedew den Vertrag "New Start", in dem sich die USA und Russland zur Abrüstung strategischer Atomwaffen verpflichteten.
Im Jahr 2010 unterzeichneten die damaligen Präsidenten Barack Obama (links) und Dmitri Medwedew den Vertrag "New Start", in dem sich die USA und Russland zur Abrüstung strategischer Atomwaffen verpflichteten.
© Joe Klamar/AFP

Die USA und Russland verpflichteten sich, die Zahl der erlaubten strategischen Atomwaffen auf jeweils 1550 einsatzbereite Sprengköpfe sowie 800 Trägersysteme zu begrenzen. Seit Juni verhandeln nun Amerikaner und Russen in Wien, wie es nach dem Ende des bestehenden Vertrages mit der Rüstungskontrolle weitergehen soll. Die USA wollten auch bei diesem Thema China mit an den Verhandlungstisch holen, aber die Führung in Peking lehnte ein weiteres Mal ab.

Was an die Stelle der wegweisenden Abkommen tritt, die das endgültige Ende des Kalten Krieges markierten, ist noch völlig unklar. Solange allerdings Staaten wie China, Nordkorea oder Pakistan über Nuklearwaffen verfügen und andere Länder – wie der Iran – nach der Bombe streben, wird keine der großen Atommächte auf ihr Arsenal ganz verzichten. Die Hoffnung auf eine atomwaffenfreie Welt ist damit heute wieder das, was sie jahrzehntelang war: eine schöne Vision.

Zur Startseite