FDP-Chef im Glück: Warum Christian Lindners größte Sorgen erst einmal vorbei sind
Beim FDP-Parteitag ist von Krisenstimmung nichts mehr zu spüren. Ein Wahlversprechen könnte den Liberalen allerdings noch auf die Füße fallen.
Christian Lindner wird in seiner Partei nachgesagt, ein Mann der Checklisten zu sein – einer, der konzentriert und zielgerichtet selbst gestellte Aufgaben erledigt. Eine dieser Aufgaben ist: die eigene Partei auf Vordermann zu bringen. Das hat der Liberalen-Chef an diesem Freitag nun offiziell abgehakt. Die Sanierung der FDP, so sagt der 42-Jährige in seiner Rede auf dem Bundesparteitag in Berlin, sei für ihn nach mehr als acht Jahren im Amt „endgültig abgeschlossen“.
Tatsächlich geht es der FDP momentan so gut wie lange nicht mehr. In bundesweiten Umfragen liegt sie zwischen zehn und zwölf Prozent, die Zahl der Mitglieder wächst, die Parteikasse ist gut gefüllt. „Kein Zufall“, sagt Lindner, „sondern das Ergebnis harter Arbeit.“
Wäre es ein normaler Parteitag, der nicht coronabedingt digital stattfindet, hätte der Vorsitzende an dieser Stelle wohl freudigen Applaus erhalten. In der fast menschenleeren „Station“, einem renovierten Güterbahnhof in Berlin-Kreuzberg, verhallen seine Worte jedoch. Trotzdem dürfte Lindner die Stimmung bei den mehr als 660 Delegierten, die die Rede online verfolgen, getroffen haben. Die Zufriedenheit in der Partei ist groß. Man habe in der Pandemie auf die richtigen Themen wie die Verteidigung der Bürgerrechte gesetzt und sei in der Opposition stets konstruktiv geblieben, sind viele Liberale überzeugt.
„Jede Kritik haben wir mit einem Gegenvorschlag verbunden oder geschwiegen“, sagt Lindner. Nach etwas krawalligeren Tönen zu Beginn der Coronakrise tritt der FDP-Chef seit einigen Monaten mit moderatem Sound auf.
Die FDP will ihre Regierungsfähigkeit beweisen
Den schlägt er auch beim Parteitag an. Hatte er früher einen kleinen Sprechzettel in der Hosentasche und sprach stets frei und oft zugespitzt, liegt jetzt eine schwarze Mappe mit dem Redemanuskript vor ihm. Er nutzt seine rhetorischen Fähigkeiten, unterstreicht seine Sätze mit den Fäusten. Provokationen oder Spitzen verkneift er sich aber. Es soll offenbar jeder Eindruck von Leichtfüßigkeit vermieden werden. Lindner will die Regierungsfähigkeit der FDP beweisen. Dafür braucht es Ernsthaftigkeit.
Bevor er seine Rede beginnt, widmet Lindner dann auch einige Minuten einem ernsten Thema: dem Nahostkonflikt. Er verurteilt den Terror der Hamas und den Antisemitismus in Deutschland. Später wird Josef Schuster, Chef des Zentralrats der Juden, ein Grußwort sprechen. Das passt zu der staatstragenden Atmosphäre beim Auftakt des Digital-Parteitags.
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So fallen dann auch Lindners Angriffe auf die politische Konkurrenz zurückhaltend aus. Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock, für nicht wenige Liberale ein Feindbild, nimmt er sogar gegen Häme und Spott in Schutz. „Das ist uns fremd“, sagt er. Vielmehr wecke die 40-Jährige „Neugier“. Sie müsse etwa erklären, wo die Grünen „Freiheit durch Verbote“ ersetzen wollten und wie ihr Verhältnis zur Linkspartei sei, die mit Janine Wissler von einer „bekennenden Trotzkistin“ geführt werde.
Lindner: Union und SPD eifern den Grünen nach
Einen Scherz erlaubt sich Lindner auf Kosten des Unionskanzlerkandidaten Armin Laschet, den er gut kenne und schätze, wie er betont. Der CDU-Chef sei ein „großer Integrator“, der das Programm der Grünen „integrieren“ wolle. Union und SPD eiferten den Grünen in der Klimapolitik nach, kritisiert Linder.
Seine Partei setze sich dagegen von der Konkurrenz ab: Die „anderen“, wie er nur sagt, wollten „mehr Staat, mehr Umverteilung und mehr Bürokratismus“. Die FDP wolle den Menschen mehr Verantwortung übertragen, sie „entfesseln“ und ihnen den sozialen Aufstieg ermöglichen. Die SPD habe zwar mit Olaf Scholz eine „respektable Persönlichkeit“ als Kandidaten – der habe aber „außer höhere Steuern“ kaum etwas anzubieten.
Bereits vor dem Parteitag hatte Lindner Steuererhöhungen ausgeschlossen – ein Knackpunkt für eine mögliche Koalition mit SPD und Grünen. Hier bleibt Lindner dabei: „Auf unser Wort ist Verlass.“ Die frühe Festlegung könnte ihn allerdings noch einholen. Das Versprechen wieder zu kassieren, um mit Grünen oder SPD zu koalieren zu können, wäre kaum zu vermitteln. Für SPD und Grüne seien Steuerhöhungen politischer Selbstzweck, sagt Lindner. Die Antwort auf die Krise könne „nicht noch höhere Steuern sein“.
Für den Wahlkampf will sich die FDP breit aufstellen, mit Reformideen von der Renten– bis zur Wohnungspolitik. Auch das Soziale, nicht nur Wirtschaftsinteressen, so die Botschaft, habe man im Blick – und auch den Klimaschutz, bei dem man über mehr Emissionshandel weg will von der „Logik des Verbots, hin zu einer Logik der Begeisterung“, wie Lindner sagt. Der Parteitag wählt ihn später mit 93 Prozent der Delegiertenstimmen erneut zum FDP-Chef.
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