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Christian Lindner am Tag nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.
© Tobias Schwarz/AFP

Ampel-Debatte im bürgerlichen Lager: Die Entfremdung zwischen Union und FDP hat längst begonnen

Die Debatte über eine Ampel-Koalition im Bund vergrößert die Kluft zwischen Union und FDP. Seit dem Jamaika-Aus 2017 ist das Verhältnis ohnehin angespannt.

Die Wahllokale waren noch nicht lange geschlossen, da setzte CSU-Generalsekretär Markus Blume der FDP bereits die Pistole auf die Brust.

Angesichts der „Ampel“-Mehrheit für SPD, Grüne und Liberale bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz am Sonntag sandte Blume eine deutliche Warnung aus: „Die Gefahr eines Linksrutsches bei der Bundestagswahl ist nicht gebannt“, twitterte er. Die FDP müsse nun „Farbe bekennen“ und die Frage beantworten: „Will sie Steigbügelhalter von Grün-Rot sein?“

Auf die CSU-Forderung eingehen wollen die Liberalen allerdings bislang nicht. FDP-Chef Christian Lindner betont am Montag in der Bundespressekonferenz lediglich, dass eine „Linksverschiebung der deutschen Politik“ auch für ihn „wenig attraktiv“ sei, obwohl er sich durchaus eine „Wechselstimmung“ wünsche.

Allerdings macht er bei SPD und Grünen eher eine „inhaltliche Nähe zur Linkspartei“ aus, während beide Parteien am FDP-Programm wohl nur „Spurenelemente“ gut fänden.

Nicht die besten Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit im Bund, soll das heißen. Für Koalitionsspekulationen sei es aber ohnehin zu früh, betont Lindner. Die einzige Farbe, zu der er sich dann klar bekennen mag, ist: gelb, die eigene Parteifarbe.

„Der Kurs der Eigenständigkeit der FDP in der Sache hat sich ausgezahlt“, sagt Lindner mit Blick auf die Wahlergebnisse vom Wochenende. In Baden-Württemberg haben die Freidemokraten mit 10,5 Prozent ihr Ergebnis von 8,3 Prozent im Jahr 2016 deutlich gesteigert, in Rheinland-Pfalz haben sie 0,7 Punkte eingebüßt und kommen auf 5,5 Prozent.

Sollte sich Lindner über den „guten Auftakt“ des Wahljahres, wie er es nennt, recht freuen, anzumerken ist es ihm am Montag nicht. Mit ernstem Gesicht sitzt der 42-Jährige vor der Hauptstadtpresse, referiert sachlich und kühl. Er sieht sich bestätigt in seinem Anti-Merkel-Kurs in der Pandemie: sein Beharren auf schnelle Lockerungen der Corona-Regeln, die Mahnungen vor zu schweren Grundrechtseingriffen. Manch einer in der Partei sieht darin allerdings nur „nachgelagerte Erklärungen“. In Wirklichkeit sorge nicht die eigene Stärke für den aktuellen Auftrieb der FDP, sondern das Tief der Union.

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Lindner kann aber zumindest erst einmal aufatmen. Im vergangenen Jahr hatte der FDP-Chef schwer zu kämpfen – gegen parteiinterne Krisen genau wie gegen die schwindende Bedeutung der Opposition in Coronazeiten. Inzwischen sind die Freidemokraten aber in bundesweiten Umfragen mit mehr als zehn Prozent wieder zweistellig. Die Ampel-Debatte setzt sie außerdem zurück auf die politische Landkarte – als mögliche nächste Regierungspartei im Bund, was bislang angesichts der schwarz-grünen Übermacht in den Umfragen beinah unmöglich schien.

Kommt eine „Rote-Socken-Kampagne“ gegen die Gelben?

Leicht wird es für die FDP im Superwahljahr trotzdem nicht – das zeigt auch der jüngste Twitter-Angriff des CSU-Generalsekretärs Blume. „Die Union will uns als strategisch unzuverlässig framen“, klagte man bereits vor den Landtagswahlen in der FDP.

Seitdem Lindner im Herbst 2017 die Sondierungen für ein schwarz-grün-gelbes Jamaika-Bündnis platzen ließ, ist das Verhältnis zur Union angeschlagen. Im Bundestag liefert man sich immer wieder Scharmützel bis hin zu scharfen Wortgefechten.

Es ist gut möglich, dass die Union – von der Ampel-Debatte unter Druck gesetzt – die Attacken auf die Liberalen ausweitet und auf der FDP das alte „Umfaller“-Image zuschieben will. Nach dem Motto: Bei Jamaika wollten sie nicht, aber selbst zur grün geführten Ampel sagen sie jetzt nicht nein. Es wäre eine Art „Rote-Socken-Kampagne“, nur gegen die Gelben.

Lindner versichert deshalb am Montag bereits vorsorglich, dass man nach der Bundestagswahl „die Kraft und den Mut“ haben werde, auch ein zweites Mal eine Regierungsbeteiligung abzulehnen – wenn man die eigenen Inhalte nicht durchsetzen könne.

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