Hongkong, Taiwan, Uiguren – und Ärger mit Trump: Warum Chinas Präsident sich nicht aufs Jahr 2020 freut
Für die Probleme von 2019 kann Xi Jinping sich nur selbst die Schuld geben. Was fürs nächste Jahr eine umso schwerere Hypothek werden dürfte. Ein Gastbeitrag.
Minxin Pei ist Professor für Politikwissenschaften am Claremont McKenna College und nichtresidenter Senior Fellow beim German Marshall Fund der Vereinigten Staaten. Aus dem Englischen von Harald Eckhoff. Copyright: Project Syndicate, 2019. www.project-syndicate.org
Der starke Mann Chinas kommt nicht zur Ruhe. Vom Handelskrieg mit den USA über die Krise in Hongkong bis zur internationalen Kritik an den Menschenrechten im Land musste der chinesische Präsident Xi Jinping 2019 erhebliche Rückschläge hinnehmen, und seine Aussichten für 2020 scheinen noch schlimmer zu sein.
Im Mai hätte China den Handelskrieg mit den Vereinigten Staaten beenden und seiner stockenden Wirtschaft einen entscheidenden Schub geben können. Aber in letzter Minute machten die chinesischen Verhandlungsführer einen Rückzieher – bei einer Reihe von Themen, die die amerikanischen Unterhändler bereits als abgeschlossen betrachtet hatten.
Und da der Handelskrieg auch für die USA sehr kostspielig ist, war Präsident Donald Trump wütend und revanchierte sich. Weniger als zwei Wochen nach dem Scheitern des Handelsabkommens unterschrieb Trump ein Dekret, mit dem er es den US-Unternehmen untersagte, Telekommunikationsausrüstung von Herstellern zu nutzen, die seine Regierung als Gefahr für die nationale Sicherheit sieht. Der prominenteste von ihnen ist der chinesische Technologiegigant Huawei.
Wirtschaftlich abhängig von anderen
Auch wenn sich die USA und China auf ein neues „Phase-Eins“-Handelsabkommen einigen wollen, werden der Technologiekrieg und die allgemeine Konfrontation weitergehen. Also werden Xis Probleme nicht verschwinden. Chinas bleibt wirtschaftlich vom Rest der Welt abhängig und ist zugleich auf einen steigenden Lebensstandard angewiesen ist, um die Einparteienregierung zu legitimieren.
Weitere Gefahren drohen aus Hongkong. Die schlimmste politische Krise seit der Rückkehr unter die chinesische Herrschaft im Jahr 1997 hatte damit begonnen, dass Hongkongs von China unterstützte Regierungschefin ein Gesetz vorschlug, das die Auslieferung von Verdächtigen nach China erleichtern. Dies sahen die Menschen als Bedrohung und gingen in Massen auf die Straße.
Als das Gesetz dann formal zurückgezogen wurde, war der Geist aus der Flasche. Ende November musste die chinesische Regierung die nächste Demütigung erleiden, als bei den Kommunalwahlen in Hongkong fast drei Millionen Wähler den demokratiefreundlichen Kräften zum überwältigenden Sieg verhalfen. Ab da wäre ein brutales Einschreiten wie beim Massaker vom Tiananmen-Platz von 1989 kaum noch kalkulierbar gewesen, was Xi nur wenige Möglichkeiten ließ.
Feinde im Führungszirkel
Einen weiteren schweren Schlag erlitt Xi im November, als die „New York Times“ mehr als 400 Seiten an internen chinesischen Dokumenten über die Masseninhaftierung ethnischer Minderheiten, vor allem muslimische Uiguren, in der Region Xinjiang in die Hände bekam. Nur chinesische Regierungsinsider hatten Zugang zu derart heiklem Material, was nahe legt, dass es von Xis politischen Gegnern absichtlich weitergegeben wurde, um seinem internationalen Ruf zu schaden.
Auch über Taiwan verliert Xi seine Kontrolle. Ende 2018 musste Taiwans regierende Demokratisch-Progressive Partei, die sich für die Unabhängigkeit einsetzt, unter der Führung von Präsidentin Tsai Ing-wen bei der Parlamentswahl eine böse Niederlage einstecken. Aber seit den Protesten in Hongkong konnte Tsai sich gegenüber einem Strohmann der chinesischen Regierung als Verteidigerin Taiwans profilieren. Bei den Präsidentschaftswahlen im Januar 2020 scheint Tsai vor einem Erdrutschsieg zu stehen.
Für die Probleme des vergangenen Jahres kann sich Xi nur selbst die Schuld geben, genauer gesagt: der übermäßigen Zentralisierung seiner Macht. Auch vor Xis Amtsantritt Ende 2012 gab es bereits Handelsstreitigkeiten mit den USA, Sorgen über den chinesischen Einfluss auf Hongkong und ethnische Spannungen in Xinjiang.
Zuviel Macht in nur einer Hand
Aber Chinas kollektive Führung, wie korrupt und entscheidungsschwach sie auch gewesen sein mag, konnte verhindern, dass diese Krisen eskalierten. Da Xi die politische Macht in seinen Händen konzentriert hat, hat sich die Art der Entscheidungsfindung geändert. Wer die Politik beeinflussen will, muss sich nun Zugang zu Xi selbst verschaffen und wird daher dazu neigen, ihm nur Informationen zu liefern, die ihm gefallen.
Xis Intoleranz gegenüber Abweichungen und seine Empfindlichkeit gegenüber Hiobsbotschaften haben seine Regierung viel anfälliger für politische Fehlentscheidungen gemacht. Schlimmer noch: Da ein starker Mann das Image weitgehender Unfehlbarkeit aufrecht erhalten muss, werden sogar manche offensichtlich ineffektive und kontraproduktive Maßnahmen nicht rückgängig gemacht.
Momentan scheint Xi die Macht noch fest im Griff zu haben. Aber da sich die Entscheidungsdynamiken an der Spitze wahrscheinlich nicht ändern werden, wird er anfälliger für die Herausforderungen der kommenden Monate. Tatsächlich könnte 2020 für Xi zum bisher schlimmsten Jahr seiner Amtszeit werden.
Minxin Pei