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Einmal Frontstadt, immer Frontstadt? Manchen macht's sogar Spaß.
© Thilo Rückeis

Martenstein zum Verwaltungschaos: Warum Berlin ein "Failed State" ist

Berlin ist wieder Frontstadt: So viel Chaos wie jetzt gab es zuletzt nach dem Zweiten Weltkrieg. Aber wenn die Wahlen verschoben werden müssten, würde das manche sogar freuen. Eine Glosse.

Eine Glosse von Harald Martenstein

In der vergangenen Woche meldete diese Zeitung, dass die Durchführung der Berliner Wahlen gefährdet sei. Menschen, die in letzter Zeit nach Berlin gezogen sind und wahlberechtigt wären, können sich auf den Bezirksämtern nicht anmelden, weil die Zustände in einigen Meldestellen sich den Zuständen auf der Flughafen-Baustelle annähern. Diese Leute könnten die Wahl anfechten. Im vergangenen Jahr sind 80.000 Personen nach Berlin gezogen, es handelt sich nicht um eine Kleinigkeit.

Auch die 200.000 Personen, die bereits Berliner sind, aber einen Umzug innerhalb der Stadt planen, könnten dabei ihres Wahlrechts verlustig gehen. Ein Wahlforscher sagt, dass es ein derartiges Chaos in Deutschland zuletzt kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben habe. Berlin ist wieder Frontstadt, erfreulicherweise ohne Bombardements.

Wenn die Wahlen verschoben werden, ähnlich wie die Flughafeneröffnung, würden sich viele freuen, weil damit der Einzug der AfD in das Parlament verhindert werden könnte. Man könnte sich auch die Verfassungsänderung sparen. Angeblich liebäugeln einige Berliner Politiker mit der Möglichkeit, die Verfassung so umzuschreiben, dass die AfD keine Stadtratsposten bekommt. Eine andere Möglichkeit, über die nachgedacht wird: Man ändert den Zuschnitt der Ressorts. In den Bezirken wird ein Stadtrat geschaffen, der nur für Friedhöfe zuständig ist. Diesen Posten bekommt dann die AfD. Das ist keine Satire, es stand im Tagesspiegel.

Für die AfD müsste man eine 18-Prozent-Hürde einführen

Ich frage mich, wieso man nicht zu der Lösung greift, die unser Partner Erdogan in der Türkei gefunden hat. Um die Kurdenpartei aus dem Parlament fernzuhalten, hat Erdogan eine Zehn-Prozent-Hürde für das Parlament eingeführt. Das hat nicht geklappt, die Kurden haben es trotzdem geschafft. Deshalb muss Erdogan die kurdischen Politiker jetzt leider einsperren lassen. Das ist viel unangenehmer für die Kurden. Daran sieht man, dass eine Sperrklausel für das Parlament die humanere Lösung ist. Allerdings müsste man in Berlin die Hürde bei 15 oder 18 Prozent ansetzen, um wirklich sicherzustellen, dass nur die Guten ins Parlament kommen.

Es ist schwer zu bestreiten, dass es in Berlin sowohl Probleme mit den Verwaltungsaufgaben gibt als auch mit gewissen Grundprinzipien der Demokratie. Ich habe mehrfach angeregt, Berlin zum „Failed State“ zu erklären und zum Beispiel von den Vereinten Nationen verwalten zu lassen. Leider greift niemand das auf, obwohl die Lage nicht besser wird. Man könnte eine Volksabstimmung veranstalten mit dem Ziel, dass Berlin sich unter Verwaltung eines sympathischen, funktionierenden Landes stellt, warum nicht Norwegen? Der Berliner Regierung gelingt es aber nicht immer, die Ergebnisse von Volksabstimmungen tatsächlich umzusetzen.

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