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Berlin ist bereits öfters bunt, hier zum Beispiel das Brandenburger Tor beim Festival of Light im Jahr 2013. Bei der nächsten Wahl könnte die Stadt auch politisch mehrfarbig werden.
© dpa

Wahlkampf in Berlin: Bunter als geplant

Die Wahl in Berlin wird keine Qual. Die Spannung steigt, die Möglichkeiten wachsen. Die neue Regierung wird womöglich bunter als von den Strategen geplant. Ein Kommentar.

Berlin ist bunt – und es kann sein, dass es der örtlichen Politik bald zu bunt wird. Am 18. September wird in der Bundeshauptstadt lokal gewählt und damit über das seit einem Vierteljahrhundert auch politisch Rote Rathaus abgestimmt. Bisher ging die SPD davon aus, dass sie nach einem gut arrangierten und mit einem öffentlichen Dreikampf spannend orchestrierten Machtwechsel von Klaus Wowereit zu Michael Müller die ihr geliehene Macht auch weiterhin behalten darf. Doch gerade dreht sich der Sommerwind. Und macht die Wahl spannender als gedacht.

Mit dem Koalitionspartner CDU des als Innensenator underperformenden Frank Henkel hat sich der nicht nur als BER-Aufsichtsratschef ins Holpern geratene Regierende Bürgermeister Müller derart verhakt, dass alle wichtigen Themen auf die Zeit nach der Wahl oder gar den St.-Nimmerleins-Tag verschoben werden und eine neuerliche Zusammenarbeit wie eine Zwangsehe erscheint. Aber in der Opposition stehen ja neue Kooperationspartner bereit, die sich auffallend mit Kritik am Senat zurückhalten: die Wir-haben-gezeigt-dass-wir-regieren-können-Partei Die Linke (die so schlau ist, ein paar gestrandete Piraten im Rettungsboot aufzunehmen) und die Jetzt-sind-wir-aber-auch-mal-dran-Aktivisten von den Grünen laufen sich warm für die heißen Wahlkampf-Koalitionspokerphasen. Insbesondere die Grünen, schlecht gestartet mit einem unübersichtlichen Viererteam samt schallend schwachem Wahlergebnis für die eigene Spitzenkandidatin Ramona Pop (die bei den Grünen nicht so heißen darf), haben sich berappelt. Sie setzen auf gesamtstädtische Themen wie Mobilität und satteln beim Fahrrad-Volksentscheid auf, sie werden in Umfragen so stark, dass sie langsam schwach werden könnten. Lohnt sich gar ein Angriff auf die ganze Macht?

Strategisch haben die Grünen zwar ein Problem mit ihrem erlahmten linken Kreuzberger Flügel, aber sie haben auch einen Vorteil: Einzig für ihre Wähler ist die Alternative für Deutschland meist keine Alternative, während anderen Parteien die vermeintlich kleinen Leute nach rechts weglaufen. Müller, der im Vorgriff auf einen eingeplanten Wahlsieg den SPD-Vorsitz an sich gerissen hat, muss nicht nur gegen diesen Trend ankämpfen. Er sieht sich durchaus innerparteilicher Konkurrenz gegenüber. Der mächtige, dynamische Fraktionschef Raed Saleh wartet erst mal laut schweigend ab und Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel inszeniert sich als Wohnungsbausenator (freilich noch ohne genügend neue Wohnungen). Hier zeigen auch andere, dass sie könnten, wenn sie sollen.

Plötzlich kann sich Geschichte wiederholen – unverhofft und umgekehrt. Vergangenes Mal scheiterte die furios gestartete Renate Künast an sich selbst und allerlei grünen Verbotsdebatten. Nun geht Pop den anderen Weg. Sie arbeitet sich mit vielen Themen bis zum BER und vielen Terminen bis zum Späti heimlich, still und fleißig durch die Stadt und wird dabei kaum in der eigenen Partei gebremst. Der SPD ist das nicht entgangen; Müller warnte kürzlich vor Schwarz-Grün. Oder meinte er Grün-Schwarz? Und P.S.: Wäre Berlins CDU denn reif dafür?

Die gute Nachricht lautet: Die Wahl in Berlin wird keine Qual. Die Spannung steigt, die Möglichkeiten wachsen. Die neue Regierung wird womöglich bunter als von den Strategen geplant. Und der Wahlkampf-Sommer heißer als gedacht.

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