Trumps Jerusalem-Entscheidung: Warum arabische Staaten Erdogan nicht folgen wollen
Der türkische Präsident Erdogan will sich als Führungsfigur der islamischen Welt profilieren. Doch gerade arabische Staaten scheuen einen Konflikt mit den USA.
Als Recep Tayyip Erdogan nach der Jerusalem-Entscheidung von Donald Trump vorige Woche ein Sondertreffen der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) in Istanbul einberief, hoffte der türkische Präsident auf eine entschiedene und geeinte Reaktion der muslimischen Welt. Erdogan selbst tat sich als einer der schärfsten Kritiker des amerikanischen Plans hervor, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen.
Doch schon vor dem OIC-Treffen am Bosporus an diesem Mittwoch zeichneten sich Spannungen unter den mehr als 50 Teilnehmerstaaten ab. Dabei geht es auch um Erdogans Anspruch, eine Führungsrolle in der islamischen Welt einzunehmen.
Erdogan zieht "rote Linien"
Das Schicksal Jerusalems sei eine „rote Linie“ für die Muslime, sagte Erdogan, der derzeit den OIC-Vorsitz innehat. Der türkische Staatschef erklärte Trumps Ankündigung für „null und nichtig“ und nannte Israel einen „Terrorstaat“. Mit dieser Rhetorik ging der Präsident weit über das Maß an Kritik hinaus, die aus arabischen Hauptstädten zu hören war.
Erdogan sieht sich seit Jahren als unerschrockener Vertreter der Muslime, der ohne Rücksicht auf den Westen und auf Israel die nach seiner Ansicht bestehende Ungerechtigkeit im Nahen Osten anprangert. Kurz vor dem OIC-Treffen wies Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Kritik Erdogans mit den Worten zurück, er lasse sich nicht von einem Mann belehren, der die eigene kurdische Bevölkerung bombardiere, Journalisten einsperre und antiisraelischen Terroristen helfe.
Wenn die Erdogan-Regierung gehofft haben sollte, dass die scharfen Attacken gegen Israel zu einer Solidarisierung innerhalb des islamischen Lagers führen würden, dann hat sie sich getäuscht. Einige der wichtigsten Nahoststaaten wie Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) schicken lediglich ihre Außenminister zum OIC-Treffen nach Istanbul, nicht ihre Staatschefs; bei Saudi-Arabien war am Dienstag noch nicht klar, auf welcher Ebene das als Hüterin der heiligen Städte Mekka und Medina besonders wichtige Königreich vertreten sein wird. Der saudische Erzrivale Iran, der wie die Türkei die USA scharf rügte, wird dagegen von seinem Präsidenten Hasan Ruhani repräsentiert.
Konkrete Maßnahmen gegen die USA? Eher unwahrscheinlich
Erdogans Außenminister Mevlüt Cavusoglu sprach die Differenzen in den Reihen der 57 OIC-Mitgliedern offen an. Er bemängelte am Dienstag die nach seiner Meinung „sehr schwachen“ Reaktionen einiger arabischer Staaten auf die US-Entscheidung. Einige Nationen kuschten wohl vor Amerika, stichelte der Chefdiplomat. Auch andere Konflikte spielen bei dem Zwist eine Rolle. Ägypten, die VAE, Bahrain und Saudi-Arabien liegen seit Monaten mit dem kleinen Golf-Emirat Katar im Clinch, das wiederum von der Türkei und dem Iran unterstützt wird.
Eine Istanbuler Schlusserklärung mit scharfer Kritik an den USA und Gegenmaßnahmen ist wegen der Spannungen kaum zu erwarten. Ein hochrangiger Vertreter der palästinensischen Autonomiebehörde, Adnan al Husayni, rief die islamischen Staaten zwar auf, sie sollten ihrerseits Jerusalem zur Hauptstadt der Palästinenser erklären, um so auf Trumps Vorstoß zu antworten.
Beziehungen zu Amerika könnten sich nochmals verschlechtern
Doch es ist nicht damit zu rechnen, dass die Saudis einer offenen Kampfansage an den US-Präsidenten zustimmen. Erdogans Umfeld dämpfte schon vor der Konferenz die Erwartungen. Natürlich werde in Istanbul über alles geredet, sagte Gülnur Aybet, eine Beraterin des türkischen Präsidenten, im Staatssender TRT. Allerdings müsse man bei Forderungen wie der nach Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt der Palästinenser die Auswirkungen auf die Region bedenken. Eine solche Entscheidung könnte dem Nahost-Friedensprozess den Todesstoß versetzen.
Selbst bei einer abgeschwächten Erklärung könnte Erdogans Reaktion auf die Jerusalem-Entscheidung dazu beitragen, dass sich die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen der Türkei und Amerika nochmals verschlechtern. Weder Ankara noch Washington würden von ihren Positionen beim Thema Jerusalem abrücken, sagte Ali Cinar, Präsident der Erdogan-freundlichen US-Organisation Turkish Heritage Foundation, der Zeitung „Daily Sabah“.
Neuen Ärger mit dem Westen könnte es auch wegen Erdogans Einladungsliste für das Treffen in Istanbul geben. Denn zu seinen Gästen gehört Sudans Präsident Omar al Baschir, gegen den ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofes wegen des Verdachts auf Völkermord und Kriegsverbrechen in Darfur vorliegt.