Bedingungen wie im Mediamarkt: Wann, wenn nicht jetzt, sollte der Staat wieder richtig Schulden machen?
Der geringe Zins verlockt Politiker zum Schuldenmachen. Sie wollen mehr Investitionen über neue Kredite. Doch das ist keine gute Idee. Ein Kommentar.
Da bahnt sich 2020 ein echter Kriminalfall an: Gelingt es der einen Null, die andere Null zu meucheln? Es wäre der Mord des Jahres. Aber die eine, die schwarze Null, Kern der Schuldenbremse im Grundgesetz, gerät immer mehr in die Kritik – weil die andere, der Nullzinskredit, so verlockend ist.
Die Begründung, welche die Befürworter einer Lockerung oder gar Aufgabe der Schuldenbremse liefern, klingt zunächst gar nicht so unlogisch. Wenn der Staat sich Geld so billig leihen kann, dann müsse man doch zugreifen. Unter Politikern und Ökonomen hat sich eine Art Schnäppchenmentalität breitgemacht: Wann, wenn nicht jetzt, zu diesen Knallerbedingungen wie im Mediamarkt, sollte der Staat sich mal wieder richtig verschulden? Um alle Träume von Abgeordneten, Regierenden, Lobbyverbänden etc. zu erfüllen, um alle echten und eingebildeten Zukunftsaufgaben zu lösen?
Schlaglochpisten, bröckelnde Brücken, marode Schultoiletten, das unzumutbare Mobilfunknetz, die schlechten Schienen der Bahn, die fehlenden Ladestationen für ebenso fehlende E-Mobile – alle Defizite wären zu beheben. Und weil es gerade ein Thema ist: Überschuldete Kommunen soll der Bund auch retten. Also rein in die Kredite einerseits, damit man rauskommt aus den Krediten andererseits. Schuldenmachen als Medizin für alles.
Wie viele Milliarden sollen es ein?
Ein kreditfinanziertes Investitionsprogramm in Höhe von 450 Milliarden Euro binnen zehn Jahren fordern Arbeitgeber und Gewerkschaften, die neue SPD-Führung hat sich angeschlossen. Die Grünen würden es für ein paar Milliarden weniger machen, die Linken eher draufsatteln. Anders Union, FDP, auch AfD: Sie wollen den Tod der schwarzen Null verhindern, und zwar um jeden Preis. Was auch zu simpel ist.
Denn gegen höhere Investitionen ist an sich nichts einzuwenden. In der Tat hat der deutsche Staat die Erneuerung seiner Infrastruktur einige Jahre schleifen lassen, es gibt durchaus Nachholpotenzial – weniger im Osten, eher im Westen. Viele Kommunen haben tatsächlich zu wenig Geld. Aber das ließe sich über eine andere Steuerverteilung heilen.
Denn Bund und Länder schwimmen seit Jahren im Geld und wissen nicht mehr so recht, wohin mit den Überschussmilliarden. Programme sind aufgelegt, für Kommunen, Klimarettung, Digitalausbau – doch die Mittel fließen nicht zügig ab. Der Finanzminister hat den Etat 2020 schon mit der Erwartung gestrickt, dass das Geld von den Ministerien am Ende gar nicht vollständig ausgegeben sein wird. Und da soll der Bund zusätzlich Kredite aufnehmen?
Viel Geld bliebe einfach liegen
Bundesregierung und Bundestag sind, im Gegensatz zu den Ländern, durch die Verfassung nicht sklavisch an die schwarze Null gebunden. Sie dürfen immer ein bisschen Schulden machen, ob die Wirtschaft wächst oder nicht. Das erlaubte Volumen 2020: zwölf Milliarden Euro. Die Verfassung wäre damit nicht gebrochen. Also bringt einfach ein paar Billig-Anleihen auf den Markt, strickt ein Investitionsprogramm, und dann schauen wir mal. Das kann 2021, 2022, 2023 gern wiederholt werden.
Die Wahrscheinlichkeit, dass das Geld zum Teil liegenbleibt, ist allerdings nicht gering. Was da gefordert wird von den Nullzins-Enthusiasten, ist Verschuldung auf Vorrat. Denn die Investitionsbedingungen ändern sich in einer ordentlich ausgelasteten Wirtschaft mit hohem Beschäftigungsgrad nicht über Nacht. Es bleibt dabei: zu wenig Kapazitäten für das Vorbereiten von Investitionen, zu lange Planungs- und Umsetzungszeiten.
Das Problem löst man nicht mit neuen Schulden. Doch werden durch die Kreditverzückung Erwartungen geweckt, die sich nicht so leicht erfüllen lassen. Und es droht die Gefahr, dass das eingenommene Geld nicht so klug ausgegeben wird, wie es die Bürger erwarten dürfen.