Coronavirus in USA und Kanada: Während Trudeau warnt, verharmlost Trump die Corona-Krise
Beide nordamerikanische Regierungschefs hatten Kontakt mit Infizierten. Ihr Umgang damit ist ein Lehrstück über Verantwortung und Ignoranz. Ein Kommentar.
In Krisen kommt es auf die Führung an. Und auf ihren Führungsstil. "Leading by example" - Vorbild geben - lautet der gängige Rat in der angelsächsischen Welt.
Nordamerika erlebt in der Corona-Krise gerade zwei höchst unterschiedliche Interpretationen. Die Regierungschefs der USA und Kanada, Donald Trump und Justin Trudeau, haben das Virus jeweils im eigenen Haus. Sie reagieren aber verschieden und senden damit unterschiedliche Signale an ihre Bürger. "Jeden kann es treffen, verhaltet euch verantwortlich", lässt sich Trudeaus Botschaft zusammenfassen. "Ruhe bewahren, bloß keine Panik, im Zweifel nicht mal testen und die Gefahr herunterspielen", vermittelt Trump.
Trudeaus Ehefrau wurde positiv getestet
Die Ehefrau des Kanadiers, Sophie Gregoire Trudeau, zeigte nach der Rückkehr von einer Großbritannienreise Krankheitssymptome und wurde positiv getestet. Trudeau wendet sich an die Nation und kündigt an, dass er sich in heimische Quarantäne begibt und die nächsten zwei Wochen von zuhause arbeitet. Er nutzt die persönliche Betroffenheit für einen Weckruf in einem Land, das bisher glimpflich dasteht. In Kanada gab es bis Donnerstag 138 nachgewiesene Corona-Infizierte.
Trump hatte ebenfalls Kontakt mit einem Virusträger. Am vergangenen Wochenende hat er eine Delegation des brasilianischen Präsidenten Bolsonaro in seinem Golfressort Mar-a-Lago in Florida empfangen. Dort verbringt er die meisten Wochenenden. Einer der Brasilianer ist positiv getestet.
Trump macht sich zwar persönlich Sorgen, dass er das Virus bekommen könne, weil er so viele Menschen trifft. Aber er teilt das seinen Bürgern nicht in einer Rede mit. Er möchte sich nicht einmal testen lassen, wie das Kollege Bolsonaro in Brasilien vormacht. Und obwohl US-Medien ihm dazu raten.
Ignoranz und Kalkül können zusammentreffen
Zeigt Trump damit unfassbare Ignoranz? Oder ist es ein kalkuliertes Verhalten, zugeschnitten auf seine Anhängerschaft im US-Wahljahr 2020? Womöglich fällt hier beides zusammen.
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Aus der Sicht von Epidemologen hätte gerade Trump allen Grund, die USA wachzurütteln. Das Land ist nicht gut vorbereitet. Es mangelt an Tests, viele Menschen haben keine Krankenversicherung. Doch Trump hat die Gefahr in seiner Fernsehansprache an die Nation heruntergespielt.
Trumps Werte sind in der Coronakrise nicht gesunken
Trump verschärft damit die Bedrohung, wirft ihm ein italienischer Arzt in einem Newsweek-Beitrag vor, der in den USA die Runde macht. Die USA meldeten am Donnerstag 1215 Infizierte in 42 der 50 Bundesstaaten plus der Hauptstadt Washington DC - und 36 Tote.
Doch die nationale Resonanz auf Trumps Umgang mit dem Corona-Virus ist geteilt. Trump-kritische Medien werfen ihm Verharmlosung vor. Die demokratischen Präsidentschaftsbewerber Joe Biden und Bernie Sanders ebenso. Seine Umfragewerte haben sich durch seine Corona-Politik aber nicht verschlechtert. Sie haben sich in dieser Woche sogar leicht verbessert, nachdem sie zuvor seit Ende Februar gefallen waren.
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Bedenkt man, wo in den USA die Trump-Befürworter und wo seine politischen Gegner leben, muss die Art, wie der Präsident der Krise begegnet, ihm nicht notwendig schaden. Trump-Wähler wohnen überwiegend in Kleinstädten und auf dem Land sowie generell in den bevölkerungsarmen Flächenstaaten in der Weite der nordamerikanischen Landmasse.
Dort also, wo man sich generell weniger Sorgen über eine Krankheit macht, die sich am schnellsten dort ausbreitet, wo Menschen eng zusammenleben. Es sind auch Gegenden, wo die Menschen vom Staat wenig erwarten und einer "Selfmade Man"-Devise folgen.
Die US-Wahl als Entscheidung über zwei Haltungen zum Virus
Im Herbst haben die US-Bürger die Wahl. Im übertragenen Sinne auch die Wahl zwischen einem Trudeau-Ansatz, der auf demonstrative Verantwortung und kulturell auf die Bevölkerung der Metropolen zielt. Sowie einem Trump-Stil, der auf demonstrative Ruhe und die Wähler in Kleinstädte und auf dem Land zielt.
Sollte das Coronavirus freilich zu einer Massenepidemie in den USA führen, viele Todesfälle verursachen und die Wirtschaft in eine schlimmere Rezession führen als die Weltfinanzkrise, werden solche wahlstrategischen Überlegungen hinfällig.