Nigeria: Wählen im Schatten von Boko Haram
Der Terror der Islamisten gehört zum Alltag Ob dem Präsidenten jüngste militärische Erfolge noch helfen? Viele fürchten sich vor einer möglichen Gewaltwelle nach der Wahl.
Sechs Wochen mehr Wahlkampf. Nach der Verschiebung der Präsidentenwahl von Mitte Februar auf diesen Samstag ging in der Nacht zum Freitag in Nigeria eine hässliche politische Auseinandersetzung zu Ende. Doch das Risiko ist hoch, dass sie kommende Woche mit anderen Mitteln fortgesetzt wird. Der Afrika-Experte Robert Kappel vom Hamburger Giga-Institut sieht Nigeria „am Rand des politischen Abgrunds“.
Noch nie war ein Wahlausgang in Nigeria so schwer vorherzusagen. Seit Monaten gibt es ein Kopf-an-Kopf-Rennen des amtierenden Präsidenten Goodluck Jonathan, der nach fünf Jahren an der Macht dort bleiben möchte, mit seinem Herausforderer, dem früheren Militärdiktator Muhammadu Buhari, der Jonathan vor vier Jahren unterlag. Jonathan hat die Unterstützung der seit dem Ende der Militärdiktatur 1999 regierenden PDP. Die Oppositionspartei APC hat Buhari auf den Schild gehoben. Wenige Tage vor dem geplanten 14. Februar musste die Wahlkommission auf Druck des Militärs den Wahltermin verschieben, weil die Sicherheitslage im Nordosten des Landes eine Wahl nicht zulasse. Gleichzeitig kündigte das Militär eine Offensive gegen die islamistische Terrorgruppe Boko Haram an, die seit Anfang des Jahres einen Landstrich von der Größe Belgiens erobert hatte.
Seit 2009 terrorisiert Boko Haram den Nordosten Nigerias
Da Boko Haram seit 2009 gegen die nigerianische Regierung kämpft, war es keine große Überraschung für die Öffentlichkeit, dass im Nordosten eine Wahl fast unmöglich scheint. Mehr als eine Million Menschen sind vertrieben worden – und dürfen deshalb gar nicht wählen. Eine halbe Million hat sich in die Nachbarländer geflüchtet. Boko Haram hat vor fast einem Jahr mehr als 200 Schulmädchen entführt, die bis heute nicht gefunden sind, und erst vor wenigen Tagen soll die Miliz erneut bis zu 500 Kinder und Jugendliche entführt haben, was die Regierung allerdings bestreitet. Aber die Regierung Jonathan hatte auch die Entführung der Mädchen aus einer Schule in Chibok im April 2014 zunächst bestritten.
Im Januar eroberte Boko Haram die Stadt Baga am Tschadsee und brachte mindestens einige hundert Menschen um, Überlebende sprachen sogar von bis zu 2000 Toten. Seit dem vergangenen Herbst hatte Boko Haram seine Angriffe zudem auf Niger und Tschad ausgeweitet. In Kamerun verbreitet die Miliz schon seit mehreren Jahren Angst und Schrecken. Das änderte die Lage offenbar. Denn die drei Nachbarstaaten drängten die nigerianische Regierung zu einer Militäroffensive. Tschads Präsident Idriss Deby sagte mehrfach öffentlich, ohne seinen Druck hätte Goodluck Jonathan nie eine Militäroffensive gewagt.
Die Armee berichtet von militärischen Erfolgen
Tatsächlich berichtet die nigerianische Armee seit sechs Wochen über militärische Erfolge. Dazu mag beitragen, dass die als überaus kampfstark geltenden Soldaten aus dem Tschad sowie von Abuja bezahlte Söldner aus Südafrika und der Ukraine gegen Boko Haram kämpfen. Vielleicht setzt die nigerianische Armee ihre Mittel aber auch zur Abwechslung für die Bezahlung der Soldaten ein. In den Monaten vor der Wahl klagten Soldaten, dass sie nicht ausreichend ernährt würden, kaum Munition und nur Maschinengewehre hätten. Jedenfalls haben die Truppen nach eigenen Angaben rund 40 Städte und Dörfer zurückerobert, erst Ende der Woche die strategisch wichtige Stadt Gwoza, in der Boko Haram angeblich sein Kommandozentrum errichtet hatte.
Trotz dieser militärischen Erfolge ist nicht sicher, dass die rund 70 Millionen wahlberechtigten Nigerianer das ihrem als inkompetent und korrupt geltenden Präsidenten zuschreiben werden. Schließlich habe er fünf Jahre lang wenig bis nichts gegen Boko Haram unternommen, obwohl bei den Kämpfen mindestens 35 000 Menschen umgekommen sind.
Beide Parteien bereiten sich auf Gewalt nach der Wahl vor
Die vergangenen sechs Wochen verbrachte Jonathan mit Wahlkundgebungen im ganzen Land. Die Regierungspartei verfügte im Gegensatz zur Opposition noch über zusätzliche Mittel, um ihre Kampagne fortzusetzen. Allein das dürfte den Anhängern der Opposition als Argument ausreichen, gewalttätig zu werden, falls ihr Favorit unterliegen sollte. Jonathans Frau Patience warf dem 72-jährigen Buhari vor, er sei „hirntot“, der PDP-Wahlkampfmanager übersetzte das in „dement“.
Derweil versucht die PDP zu verhindern, dass Lesegeräte zur Überprüfung der permanenten Wählerkarten, am Wahltag zum Einsatz kommen. Sie machen Wahlbetrug schwieriger. Die PDP ist der Ansicht, die Lesegeräte seien „verfassungswidrig“. Erst am Freitag ließ die Regierung den Chef der Lieferfirma der Geräte verhaften und warf ihm vor, der Opposition nahe zu stehen. Beide Seiten haben im Vorfeld der Wahl die zu erwartende Gewalt danach sorgfältig argumentativ vorbereitet.
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