Deutsche Rüstungsexporte: Waffen für Länder, die den Libyen-Krieg befeuern
Berlin genehmigte seit Anfang 2019 Rüstungsexporte im Wert von mehr als 1,3 Milliarden Euro in Staaten, die Waffen nach Libyen liefern.
Es ist keine leichte Aufgabe, die sich die deutsche Diplomatie gestellt hat: Die Bundesregierung vermittelt gemeinsam mit den Vereinten Nationen im Libyen-Konflikt. Deutschlands Rolle ist es dabei vor allem, andere Staaten davon abzubringen, sich weiter von außen in den Bürgerkrieg einzumischen.
Auf der Berliner Libyen-Konferenz im Januar sagten die anwesenden Staats- und Regierungschefs zu, das UN-Waffenembargo künftig einzuhalten und einen Friedensprozess zu unterstützen.
Doch unmittelbar nach der Konferenz lieferten Teilnehmerstaaten weitere Waffen nach Libyen. Bei einem Nachfolgetreffen in München, zu dem Bundesaußenminister Heiko Maas geladen hatte, diskutierten die Außenminister am Sonntag über „die beklagenswerten jüngsten Verletzungen des Waffenembargos“ und „erneuerten ihre Entschlossenheit, zu seiner gründlichen Umsetzung beizutragen“, wie es in einer Erklärung hieß.
Doch während die Bundesregierung als Vermittlerin bisher erfolglos versucht, andere Staaten zu einem Stopp von Waffenlieferungen in das Bürgerkriegsland zu bewegen, erhalten einige von ihnen in großem Umfang Rüstungsgüter aus Deutschland. Nach Tagesspiegel-Recherchen genehmigte die Bundesregierung seit Anfang 2019 Rüstungsexporte im Wert von mehr als 1,3 Milliarden Euro in Staaten, die den Libyen-Krieg befeuern.
Davon gingen Lieferungen in einem Gesamtwert von mehr als einer Milliarde Euro ausgerechnet an die Länder, die in Libyen den abtrünnigen General Chalifa Haftar unterstützen. Das geht aus Antworten der Bundesregierung auf parlamentarische Anfragen der vergangenen acht Monate hervor, die der Tagesspiegel ausgewertet hat.
Ob an die Regierung oder Milizen – Rüstungslieferungen sind unzulässig
Haftar, der gegen die international anerkannte libysche Regierung kämpft und bereits große Teile des Landes unter seine Kontrolle gebracht hat, wird von den Vereinigten Arabischen Emiraten, Ägypten, Russland, Saudi-Arabien und Jordanien unterstützt. Die Einheitsregierung in Tripolis kann dagegen auf die Hilfe der Türkei und des Golfstaats Katar setzen.
Bereits 2011 verhängten die Vereinten Nationen ein Waffenembargo gegen Libyen. Auch Rüstungslieferungen an die Regierung sind damit unzulässig. Besonders verheerend für das Bürgerkriegsland ist allerdings die ausländische Unterstützung für Haftar, der im April vergangenen Jahres eine Offensive gegen die Hauptstadt Tripolis startete.
Diese Eskalation habe neue Lieferungen militärischer Güter an beide Konfliktparteien ausgelöst, heißt es in dem Bericht eines UN-Expertengremiums, der im Dezember 2019 veröffentlicht wurde. „Jordanien, die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate lieferten routinemäßig und manchmal offensichtlich Waffen, wobei sie sich wenig Mühe gaben, die Herkunft zu verschleiern.“ Aus den Vereinigten Arabischen Emiraten erhielt Haftar beispielsweise bewaffnete Drohnen.
Vereinigte Arabische Emirate wichtigste Unterstützer des Warlords
Der Golfstaat gilt als wichtigster Unterstützer des Warlords. Seit Anfang 2019 genehmigte die Bundesregierung den Export von Rüstungsgütern mit einem Gesamtwert von fast 257 Millionen Euro in die Vereinigten Arabischen Emirate. Im gleichen Zeitraum gab die große Koalition in Berlin grünes Licht für Waffengeschäfte mit Jordanien in Höhe von mindestens 20 Millionen Euro und für Exporte in die Türkei in Höhe von mindestens 28 Millionen Euro. Der tatsächliche Wert könnte für beide Staaten noch höher sein, weil für das letzte Quartal 2019 keine Daten verfügbar sind.
Neben den Emiraten gehörten auch Ägypten und Katar 2019 zu den zehn wichtigsten Empfängerländern deutscher Waffen. Deutsche Unternehmen erhielten von der Bundesregierung in den vergangenen 13 Monaten Genehmigungen für Rüstungsexporte nach Ägypten in einem Gesamtwert von mehr als 801 Millionen Euro. Nach Recherchen des Senders „Al Jazeera“ unterstützt die Regierung in Kairo regelmäßig Haftars Kämpfer mit Waffen. Der Golfstaat Katar schließlich durfte in Deutschland Rüstungsgüter im Wert von fast 240 Millionen Euro kaufen.
Deutsche Militärfahrzeuge in Libyen?
Wenn die Bundesregierung einen Rüstungsexportantrag genehmigt, geht sie davon aus, dass das gelieferte militärische Gerät vom Empfängerland nicht an Dritte weitergegeben wird. Für die Entscheidung über Rüstungsexporte spiele „auch die Frage des gesicherten Endverbleibs eine entscheidende Rolle“, heißt es im Bundeswirtschaftsministerium. Doch wirksam kontrollieren lässt sich das kaum.
So sollen im vergangenen Jahr bei Haftars Kämpfern in Libyen deutsche Militärtrucks aufgetaucht sein, auf die ein russisches Luftabwehrsystem montiert war. Als Lieferstaat, so berichtete der „Stern“, kämen nur die Vereinigten Arabischen Emirate in Frage.
Am Sonntag in München beließen es die Libyen-Vermittler dabei, die fortgesetzte Lieferung von Waffen nach Libyen zu kritisieren. „Das Waffenembargo ist ein Witz geworden“, sagte die UN-Vertreterin Stephanie Williams. Wie es nun durchgesetzt werden soll, bleibt unklar. In München verzichteten sowohl Maas als auch Williams darauf, die Länder zu benennen, die am Verhandlungstisch zustimmen – und am nächsten Tag den Bürgerkrieg weiter befeuern. Und über mögliche Sanktionen gegen Staaten, die das Embargo brechen, wurde offenbar wie auf der Berliner Konferenz gar nicht erst gesprochen.