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Bei der Abschlusspressekonferenz: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Außenminister Heiko Maas (2.v.r.) und UN-Generalsekretär Antonio Guterres (2.v.l.).
© Michael Kappeler/Pool via Reuters

Auf dem Weg zum Waffenstillstand: Ist das der Durchbruch für einen Frieden in Libyen?

In Berlin einigten sich Staats- und Regierungschefs sowie die verfeindeten Parteien auf einen Friedensplan für Libyen. Welche Chancen hat der?

Selbst im Kanzleramt sind solche Gipfeltreffen eine Seltenheit: Aus elf Staaten kamen Staats- und Regierungschefs sowie Minister nach Berlin, um gemeinsam über Friedenslösungen für das Bürgerkriegsland Libyen zu beraten – einen Krieg, den einige von ihnen seit Monaten befeuern.

Was ist vereinbart worden?

Ziel der Konferenz war es, die Einmischung ausländischer Staaten in den Libyen-Konflikt wenn nicht zu stoppen, so doch zumindest einzudämmen. Denn erst wenn diese Staaten aufhören würden, die Konfliktparteien in Libyen mit Waffen und Kämpfern zu versorgen, könnte überhaupt erst ein Friedensprozess beginnen, so die Überlegung des UN-Beauftragten für Libyen, Ghassan Salamé, und der Bundesregierung, die die Friedensbemühungen der UN unterstützt. „Es kann in Libyen keine militärische Lösung geben“, heißt es in der „Berliner Erklärung“, die von allen Teilnehmern unterstützt wurde. „Wir verpflichten uns, uns nicht in den bewaffneten Konflikt in Libyen und in die inneren Angelegenheiten Libyens einzumischen, und wir rufen alle internationalen Akteure auf, dasselbe zu tun.“ Kanzlerin Angela Merkel sagte nach dem Treffen, alle seien sich einig gewesen, dass sie das UN-Waffenembargo respektieren wollten und es stärker kontrolliert werden solle als bisher. Doch bei dieser Absichtserklärung soll es nicht bleiben, der UN-Sicherheitsrat wird dieses Gipfel-Ergebnis in einer verpflichtenden Resolution bestätigen.

Außerdem soll nun ein erster, wenn auch kleiner, Schritt hin zu einem innerlibyschen Friedensprozess gemacht werden: Dafür wird ein Militärkomitee gebildet, in dem jeweils fünf Vertreter der libyschen Regierung von Premier Fajis al Sarradsch und des abtrünnigen Generals Chalifa Haftar vertreten sind. Seit einer Woche gilt in Libyen eine Waffenruhe, doch auch während in Berlin die Staats- und Regierungschefs zusammensaßen, wurde sie gebrochen, Das Militärkomitee solle „dafür sorgen, dass aus einer Waffenruhe ein Waffenstillstand wird“, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas.

Konnte Merkel sich als Krisenmanagerin profilieren?

UN-Generalsekretär Guterres lobte Merkels Krisenmanagement nicht nur als „konsistent“ und „bemerkenswert“, sondern gar als „enthusiastisch“. Tatsächlich gilt es als Erfolg der Kanzlerin, dass sie die meisten der am Libyen-Krieg direkt oder indirekt beteiligten Staaten an einen Tisch brachte und ihnen das Zugeständnis abrang, sich in den Konflikt nicht weiter einzumischen. Um den russischen Präsidenten Wladimir Putin zur Teilnahme zu bewegen, war die Kanzlerin kurz vor dem Gipfel nach Moskau gereist. Anders als bei früheren deutsch-russischen Treffen in den vergangenen sechs Jahren sagte Merkel beim Treffen mit Putin kein einziges kritisches Wort über die Rolle seines Landes in Syrien und der Ukraine. Aber sie flog mit Putins Zusicherung nach Hause, die Berliner Konferenz zu unterstützen. Der russische Präsident hatte kurz vor der Konferenz gemeinsam mit Erdogan versucht, die Konfliktparteien zur Unterzeichnung eines Waffenstillstands zu bewegen – und war gescheitert. General Haftar, den Russland unterstützt, wollte nicht unterschreiben. Putin hatte die Rechnung offenbar ohne Haftars andere Unterstützer gemacht, allen voran die Vereinigten Arabischen Emirate. Diesen Fehler wollte die Kanzlerin offenbar nicht wiederholen. Weil der Kronprinz von Abu Dhabi, Mohammed bin Zayed al Nahyan, nicht am Gipfel teilnehmen konnte, lud Merkel ihn bereits am Samstag nach Berlin – und sicherte sich vorab seine Unterstützung für ihre Gipfelpläne. Allerdings gelang es auch der Kanzlerin nicht, Sarradsch und Haftar an einen Tisch zu bekommen. Deshalb führte sie Einzelgespräche mit den Kontrahenten. Und das Protokoll sorgte dafür, dass beide unbemerkt von der Weltöffentlichkeit ins Kanzleramt gelangten – so konnten diplomatische Verstimmungen darüber, wer auf welche Weise empfangen wurde, vermieden werden.

Allerdings weiß die Kanzlerin nur zu gut, dass diese Konferenz nur ein erster Schritt war: „Wir wissen, dass wir heute nicht alle Probleme in Libyen lösen konnten.“ Die eigentliche Arbeit habe erst begonnen, ergänzte Maas.

Was bedeutet die Vereinbarung für Putin und Erdogan?

Zwei Gäste des Gipfels ließen alle anderen warten: Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan und der russische Präsident Wladimir Putin fuhren erst vor dem Kanzleramt vor, als die Konferenz offiziell schon längst begonnen hatte. Mit diesem Auftritt setzen die beiden Politiker schon vor dem Beginn der Libyen-Konferenz ein Zeichen: Ohne sie geht nichts mehr in der Region. Noch vor sechs Monaten, so sagte es der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, seien die Türkei und Russland in der Region nicht relevant gewesen. Das hat sich geändert, seitdem Russland Haftar mit russischen Söldnern unterstützt und Erdogan den Regierungschef Sarradsch mit Hilfe türkischer Soldaten im Amt halten will. Erdogan und Putin geht es nicht allein um Einfluss in Libyen. Mit ihrer Intervention in dem Bürgerkriegsland haben sie die unmissverständliche Botschaft gesendet, dass sie als Ordnungsmächte in der gesamten Region ernst genommen werden wollen. Deshalb haben sie nun einen Platz am Konferenztisch bekommen, und das können beide vor dem heimischen Publikum als Erfolg verkaufen. Kurz vor dem Beginn der Konferenz betonte Erdogan selbstbewusst, die Türkei sei der „Schlüssel“ zu Frieden und Stabilität in Libyen. Mit der Berliner Erklärung verpflichten sich zwar auch Erdogan und Putin, keine Waffen mehr an die Konfliktparteien zu liefern. Aber für den Fall, dass ein Staat gegen diese Verpflichtung verstößt, sind in der „Berliner Erklärung“ keine Sanktionen vorgesehen. Auch auf einen Abzug der ausländischen Söldner und der Waffen haben sich die Teilnehmer nicht festgelegt. Putin und Erdogan können sich also weiter alle Optionen offenhalten. Kurz vor dem Gipfel kursierten in den sozialen Medien Videos, die zeigen sollen, wie syrische Kämpfer im Auftrag der Türkei nach Libyen geflogen werden, um auf der Seite von Sarradsch gegen Haftars Truppen zu kämpfen.

Ist General Haftar noch aufzuhalten und Libyen zu befrieden?

Es ist bezeichnend, was die Bundesregierung nach dem Gipfel bereits als Erfolg verstanden wissen will: dass nun endlich auch Haftar fünf Vertreter für das Militärkomitee benannte. Der als unberechenbar geltende General kontrolliert große Teile des Landes und versucht, mit den von ihm kontrollierten Milizen die Hauptstadt einzunehmen. Kurz vor der Konferenz wollte Haftar offenbar noch einmal der Welt seinen Machtanspruch demonstrieren: Von ihm kontrollierte Einheiten schlossen am Samstag die Ölhäfen im Osten Libyens.

Selbst wenn die Konfliktparteien sich bei den von den UN vermittelten Verhandlungen auf einen Waffenstillstand einigen sollten, ist noch nicht klar, wie dessen Einhaltung überwacht werden soll. Borrell hatte dafür einen europäischen Militäreinsatz in Spiel gebracht. Doch während darüber am Wochenende in mehreren europäischen Hauptstädten diskutiert wurde, war eine solche Mission nicht Thema auf der Konferenz. „Ich finde, wir dürfen jetzt nicht den übernächsten Schritt vor dem ersten diskutieren“, sagte Merkel.

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