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Wahlsieger. Aleksandr Vucic hat sich die Zustimmung zu ungeliebten Reformen geholt.
© dpa

Serbischer Ministerpräsident: Vucics schwieriger Weg nach Europa

Der serbische Premierminister krempelt sein Land um und führt es in Richtung Brüssel. Doch selbst nach seinem hohen Wahlsieg bleibt der Weg holprig. Eine Analyse.

Aleksandar Vucic war während der jugoslawischen Zerfallskriege ein Ultranationalist, der für jeden getöteten Serben „100 Muslime ermorden“ lassen wollte, wie er 1995 im Belgrader Parlament verkündete. Er hat sich gewandelt zum smarten Premier, der zwischen Putins Russland und Brüssel laviert, um Serbien in die EU zu führen, ohne die östlichen Bande zu kappen. Vucic will nichts weniger, als seinen persönlichen Wandel zum Wandel seines Landes zu machen.

Die Serben haben ihm und seiner liberal-konservative Fortschrittspartei (SNS) bei der vorgezogenen Parlamentswahl mit 48,25 Prozent das Mandat dazu gegeben. Doch so klar ist die Sache nicht.

Eine stabile Zweidrittel-Mehrheit der Reformer, die dann auch die Verfassung ändern oder zumindest den aufgeblähten Staatsapparat abbauen könnten, ist nicht in Sicht. Vielmehr werden die nicht bekehrbaren Ultranationalisten um den kürzlich vor dem UN–Tribunal überraschend freigesprochenen Vojislav Seselj die öffentlich übertragenen Debatten im Parlament zur Selbstdarstellung nutzen.

Auch scheint Vucic mit dem Pro-EU- Kurs in Osteuropa zunehmend isoliert, driftet der ehemalige Ostblock um den ungarischen Hardliner Viktor Orban im Zeichen der Flüchtlingskrise doch kollektiv nach rechts. Serbien wurde zwar für seinen humanen Umgang mit Flüchtlingen von der EU gelobt, doch verhindert vor allem Kroatien eine allzu rasche Annäherung an Brüssel. Zagreb verlangt die Abschaffung eines Gesetzes, mit dem Kriegsverbrecher auch für Taten außerhalb Serbiens verurteilt werden können. Viele Serben fühlen sich ohnehin zu Unrecht als Alleinschuldige am Schrecken der 90er Jahre hingestellt. Die politische Stimmung auf dem Balkan ist gereizt.

Der soziale Druck ist enorm

Angesichts einer Arbeitslosenquote von rund 20 Prozent und einem monatlichen Durchschnittseinkommen von 360 Euro muss Vucic bald liefern, sonst droht dem Premier der Zorn des serbischen Wahlkvolks, das nicht alle seine Entscheidungen mittragen will. Stellvertretend für Vucics Spagat zwischen der harten serbischen Realität und seinem Traum von der Neuausrichtung des Landes steht das Projekt „Belgrade Waterfront“. Für mehr als drei Milliarden Euro soll die Hauptstadt ein neues Stadtquartier erhalten, das auf den stadtweit aufgestellten Postern eher nach Dubai aussieht als nach Balkan. Das Groß des Geldes kommt aus den Arabischen Emiraten, Vucic legte mit den Investoren kürzlich selbst den Grundstein für einen Wolkenkratzer. Kritiker werfen der Regierung Gigantomanie und Realitätsferne vor – schließlich scheint das Projekt sowohl an den finanziellen Möglichkeiten als auch an den sozialen Bedürfnissen Belgrads deutlich vorbeizugehen.

Auch bei der jährlichen Gay-Pride-Parade, die Vucic von tausenden Soldaten vor wütenden Nationalisten schützen lässt und die deshalb faktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit wie ein Fremdkörper durch Belgrad zieht, scheint der Premier sein Land geradezu in eine EU-konforme Moderne zwingen zu wollen. Schließlich ist die Parade vor allem ein Wink nach Brüssel.

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