Corona-Hilfen in der EU: Vorsicht, Schulden
Die Gegner des Merkel-Macron-Plans für einen EU-Wiederaufbaufonds gehen in der Union in die Offensive. Wie stark sind sie?
Die Frage, unter welchen Bedingungen europäische Corona-Hilfen an besonders betroffene EU-Staaten vergeben werden sollen, führt weiter zu Diskussionen in der CDU/CSU. Nachdem Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vor über einer Woche ihren Plan für einen EU-Wiederaufbaufonds vorgestellt hatten, erhielt der Vorstoß zwar schnell die Unterstützung führender Unionspolitiker wie des Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus (CDU). Dennoch treten weiter einzelne Gegner auf den Plan.
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Zu den schärfsten Kritikern gehört der Wirtschaftspolitiker Klaus-Peter Willsch (CDU), der in der Vergangenheit auch schon EU-Hilfen für Griechenland ablehnte. Mit Blick auf Merkels und Macrons Plan für den Wiederaufbaufonds monierte er am Dienstag im Deutschlandfunk, dass mit dem Vorstoß aus Berlin und Paris eine „eigene Verschuldensmöglichkeit der EU“ eingeführt werde. Willsch warnte vor einer langfristigen Entwicklung, die dazu führe, „dass Europa in Schulden versinkt“.
Mittelstandsvereinigung gegen Finanzierung nationaler Haushalte
Nicht ganz so hart im Ton, aber ähnlich deutlich in der Sache liest sich die Kritik in einem Beschluss des Präsidiums der Mittelstandsvereinigung von CDU und CSU (MIT). Es müsse definitiv ausgeschlossen sein, dass der Wiederaufbaufonds „zu einer EU-Haftungsgemeinschaft führen kann“, heißt es dort. Aus dem neuen Fonds, mit dessen Hilfe die Konjunktur in der EU nach der Pandemie wieder angeschoben werden soll, dürfe es keine Zahlungen an nationale Haushalte geben, fordert die Mittelstandsvereinigung.
Statt dessen sollen nach dem Willen der MIT mit dem neuen Geldtopf nur Zukunftsinvestitionen unterstützt werden, die „für die Entwicklung der EU von Bedeutung sind und die einen grenzüberschreitenden Mehrwert bieten“. Als Beispiele werden der Ausbau digitaler Netze sowie Projekte der Verkehrs- und Energieinfrastruktur genannt. Zu guter Letzt fordern die Mittelständler, dass es Unterstützung aus dem Fonds nicht allein - wie von Merkel und Macron vorgeschlagen - durch Zuschüsse, sondern auch in der Form von Krediten geben müsse.
EU-Kommission plant mit mindestens 500 Milliarden Euro
Das dürfte sich mit dem Vorschlag der EU-Kommission für den Wiederaufbaufonds decken, den Kommissionschefin Ursula von der Leyen an diesem Mittwoch in Brüssel vorstellen will. Dem Vernehmen nach sieht ihr Plan für den Fonds ein Volumen von mindestens 500 Milliarden Euro vor. Der größere Teil soll dabei in der Form von Zuschüssen fließen. Aber auch Kredite sind vorgesehen.
Unmittelbar vor der Vorstellung des Plans der Kommission machte sich die französische Europa-Staatsministerin Amélie de Montchalin noch einmal für die Zuschuss-Lösung stark, die zuvor Macron und Merkel vorgeschlagen hatten. Der Plan der Kanzlerin und des Präsidenten sei mehr als ein Kompromiss, bei dem sich Berlin und Paris auf halbem Wege getroffen hätten, sagte sie in einem Interview mit dem Magazin „Le Point“. „Es handelt sich um eine Vision, wofür Europa in den kommenden 20 bis 30 Jahren stehen soll, um in einer Welt zu bestehen, wo die großen Herausforderungen wie der Klimawandel auf uns warten“, sagte de Montchalin.
Experte: Merkel als Mittlerin zwischen allen 27 EU-Ländern gefragt
Trotz solcher Appelle geht Eric Maurice von der Denkfabrik Fondation Robert Schumann in Brüssel nicht davon aus, dass sich alle 27 EU-Staaten am Ende auf den „Merkron-Plan“ einigen werden. Nach seiner Ansicht wird es vielmehr nicht zuletzt von Merkels Rolle als Mittlerin innerhalb der EU in der nächsten Verhandlungsetappe abhängen, die Ideen sämtlicher EU-Staaten bei der Ausgestaltung des Wiederaufbaufonds zusammenzubringen.
Auch wenn Österreich, die Niederlande, Dänemark und Schweden einen Gegenentwurf zum Plan Merkels und Macron vorgelegt haben, verläuft die Diskussion nach der Auffassung von Maurice diesmal anders als während der Euro-Krise nicht nach dem Schema „Nord gegen Süd“. „Merkel geht es in erster Linie darum, eine Destabilisierung des gesamten Binnenmarktes zu verhindern“, analysiert er die neue Lage. Zwar sei es durchaus so, dass vor allem Italien nach der Krise eine wirtschaftliche Wiederbelebung benötige. Aber auch die niederländische Volkswirtschaft werde beispielsweise beim Weg aus der Krise EU-Hilfen brauchen, so Maurice.
Eine endgültige Einigung ist frühestens im Herbst zu erwarten
Ob der geplante Wiederaufbaufonds die Billigung aller EU-Staaten findet, hängt schließlich auch von der Zustimmung der Osteuropäer ab. Für Staaten wie Polen und Ungarn dürfte entscheidend sein, dass auch künftig ihre Zuschüsse aus dem ursprünglichen EU-Haushalt gesichert sind. Für diesen Etat mit einem Volumen von rund einer Billion Euro für die Jahre zwischen 2021 und 2027 will von der Leyen an diesem Mittwoch ebenfalls einen Vorschlag vorlegen.
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Schwierig dürften die Verhandlungen über den Mehrjahresetat und den Wiederaufbaufonds vor allem deshalb werden, weil Österreich, die Niederlande, Dänemark und Schweden gleich in zweifacher Hinsicht die Daumenschrauben angelegt haben: Zum einen wollen die „sparsamen Vier“ eine reine Kredit-Lösung für den von ihnen vorgeschlagenen europäischen Notfallfonds. Zum anderen setzen sie sich vehement für einen möglichst schlanken Brüsseler Mehrjahresetat für die kommenden sieben Jahre ein. Angesichts der schwierigen Ausgangslage ist es kein Wunder, dass mit einer Lösung im Streit über die EU-Hilfen nicht vor dem Herbst gerechnet wird - während der deutschen EU-Präsidentschaft.