Streit um den EU-Wiederaufbaufonds: Mark Rutte, der Provokateur aus Den Haag
Der Haager Premier Rutte arbeitet an einem neuen Vorschlag zum EU-Fonds mit. Er ist einer der Gegner von Kanzlerin Merkel und Frankreichs Staatschef Macron.
Er ist einer der treibenden Kräfte unter den „sparsamen Vier“, und in dieser Rolle hat er schon eine gewisse Übung. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte gehört neben dem österreichischen Kanzler Sebastian Kurz zu den eifrigsten Verfechtern von politischen Reformen in Ländern wie Italien und Spanien, die von der Coronapandemie besonders betroffen sind.
Die „sparsamen Vier“ - neben den Niederlanden und Österreich gehören auch die EU-Länder Dänemark und Schweden dazu - arbeiteten am Freitag weiter an einem Gegenentwurf zum Plan für einen europäischen Wiederaufbaufonds, den Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron zuvor vorgestellt hatten. Laut dem Vorschlag der Kanzlerin und des französischen Präsidenten soll die EU-Kommission Schulden in Höhe von 500 Milliarden Euro aufnehmen. Anschließend soll die Summe ab 2021 über den EU-Haushalt in der Form von Zuschüssen an Länder wie Italien fließen.
Rutte ließ bereits in dieser Woche in Den Haag in einer Pressekonferenz nach der wöchentlichen Kabinettssitzung erkennen, dass er mit dem Vorstoß Merkels und Macrons keineswegs einverstanden ist. Anders als in der Vergangenheit sieht die deutsch-französische Initiative nicht vor, dass die Hilfsgelder als rückzahlbare Kredite ausgereicht werden. So ist es bei einem bereits beschlossenen 540-Milliarden-Hilfspaket der EU vorgesehen. Rutte erklärte daher auch, dass er auch für die Zukunft zur Unterstützung von Europas Süden Kreditlösungen bevorzugt: „Die Position der Niederlande hat natürlich immer darin bestanden, dass wir bereit sind, andere mit Darlehen zu unterstützen.“
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Bereits bei der Diskussion über den nächsten Mehrjahreshaushalt der EU zwischen 2021 und 2027 hatten sich die „sparsamen Vier“ dafür eingesetzt, das Brüsseler Budget für die kommenden sieben Jahren möglichst knapp zu halten. Bevor die Coronakrise in der EU zu einem wirtschaftlichen Shutdown führte, verhandelten die 27 EU-Staaten im Februar über den Mehrjahresetat, am Ende platzten die Gespräche. Schon damals erklärte Rutte, dass die EU künftig strikte Ausgabendisziplin wahren müsse.
Zum EU-Gipfel brachte Rutte eine Chopin-Biografie mit
Für Irritationen sorgte Rutte seinerzeit mit seinem Auftritt beim EU-Gipfel im Februar. Zu Beginn des Treffens präsentierte der Hobby-Pianist damals eine Biografie von Frédéric Chopin. Die wolle er während der Beratungen lesen, weil ja sonst nichts zu tun sei, provozierte Rutte die Partner in der Europäischen Union. Die Botschaft des Niederländers war klar: Nicht die „sparsamen Vier“ müssen sich bei den Beratungen bewegen, sondern jene, die für einen größeren EU-Etat eintreten.
Merkel und Macron setzen sich nun bei ihrem jüngsten Vorschlag dafür ein, dass der Mehrjahreshaushalt um den geplanten EU-Wiederaufbaufonds, mit dem die Konjunktur in der EU nach der Pandemie wieder angeschoben werden soll, aufgestockt wird. Rutte und seine drei Amtskollegen von den „sparsamen Vier“ stellen zwar den Wiederaufbaufonds nicht grundsätzlich in Frage, wollen aber die Zahlung von EU-Geldern an Reformen in den Empfängerländern knüpfen. „Anderenfalls kann ich den Niederlanden nicht verkaufen, dass wir helfen wollen“, sagte Rutte zur Begründung.
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Im eigenen Land hat Rutte seit dem Beginn der Pandemie im März großzügige Rettungsmaßnahmen in die Wege geleitet. Zuletzt verkündete der Ministerpräsident in dieser Woche ein Hilfspaket mit einem Volumen von 13 Milliarden Euro zur Unterstützung von Unternehmen, denen das Aus droht. Den größten Teil des Pakets macht eine Verlängerung der bestehenden Kurzarbeiterregelung um weitere drei Monate aus. Damit werden Firmen in die Lage versetzt, Kündigungen zu vermeiden.
Der Regierungschef erkennt Ungleichgewicht in der EU an
Rutte erkennt durchaus an, dass für vergleichbare Rettungspakete kein finanzieller Spielraum in südlichen EU-Ländern wie Italien vorhanden ist. Zudem gab er zu, das die Krise zu einem wirtschaftlichen Ungleichgewicht in der EU führen könne. Gleichwohl stellte er die Frage, warum Staaten im Süden der Gemeinschaft nicht in gleichem Maße wie die Niederlande in der Lage seien, in ihre Unternehmen zu investieren. Seinen Appell, dass Reformen im Süden notwendig seien, untermauerte er mit den Worten: „Wenn ihr uns um Hilfe bittet, dann wird man wenigstens fragen dürfen: ‚Was unternehmt ihr, um sicherzustellen, dass ihr es beim nächsten Mal alleine schafft?'“