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US-Präsident Donald Trump bei seiner dritten Rede vor der UN-Generalversammlung.
© imago images/Aton Chile

Trump vor den UN: Vorrang für die Diplomatie?

US-Präsident Donald Trump steht innenpolitisch unter Druck – bei der Generaldebatte der Vereinten Nationen überrascht er mit einer zahmen Rede.

Die Kanzlerin ist pünktlich, um neun Uhr betritt Angela Merkel den großen Saal der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Ihr roter Blazer leuchtet im dominierenden Grau-Schwarz-Blau der vielen Anzüge. Die meisten Staats- und Regierungschefs sind da schon anwesend, oder zumindest ihre Vertreter, wie das etwa bei den USA der Fall ist.

Donald Trump kommt zu solchen Anlässen eher als letzter. Um 9.34 Uhr melden die ihn begleitenden Journalisten: Der Präsident hat den Trump Tower in New York verlassen und ist auf dem Weg zum UN-Hauptquartier, zur 74. Generaldebatte.

Im Saal gibt derweil Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro quasi den Trump 2.0: Er wettert gegen Sozialismus, lobt die neuen Handelsabkommen – und verteidigt seine umstrittene Politik im Umgang mit dem Regenwald im Amazonas-Gebiet. Aus einem „kolonialen Geist“ werde Brasilien deswegen angegriffen. Auch kritisiert er die Medien – und lobt Trump, sein politisches Vorbild.

Der Ton für diesen Tag hier im Tempel der Diplomatie ist gesetzt, scheint es. Die „Strongmen“, die polternd auftretenden Männer, haben offenbar erstmal das Sagen. Als nächstes soll nun der US-Präsident sprechen. Dessen Rede vor zwei Jahren, als er erstmals vor die UN-Vollversammlung trat und Nordkorea die totale Zerstörung androhte, ist noch in lebhafter Erinnerung.

Diplomatischer ist er seitdem nicht geworden. Verschärfend kommt an diesem Dienstag hinzu, dass sich Trump innenpolitisch gerade mit einer anschwellenden Krise herumschlagen muss, weil er eine ausländische Macht (die Ukraine) genötigt haben soll, gegen den Sohn seines möglichen demokratischen Herausforderers bei der nächsten Wahl (Ex-Vizepräsident Joe Biden) zu ermitteln.

Die Demokraten planen nach Angaben der „New York Times“, deswegen tatsächlich ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn zu starten. Ein Schritt, vor dem die Mehrheitsführerin im US-Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, bisher zurückschreckte. In solchen Zeiten neigt Trump zu ganz besonderer Unberechenbarkeit.

Die Überraschung: Merkel trifft Trump und Ruhani

Groß ist die Anspannung am Dienstag vor allem aber auch mit Blick auf den sich fast täglich zuspitzenden Konflikt mit dem Iran. Am Vorabend haben Deutschland, Großbritannien und Frankreich sich der US-Lesart angeschlossen – wenn auch deutlich diplomatischer –, dass das Regime in Teheran hinter den Angriffen auf wichtige Ölanlagen in Saudi-Arabien Mitte September steckt. Was wird Trump jetzt tun, fragen sich die Beobachter.

Marschiert er in Richtung eines Vergeltungsschlags, zu dem er sogar von Leuten aus seiner eigenen Partei gedrängt wird? Wird er das wagen, vielleicht gar, um von der Innenpolitik abzulenken, obwohl er eigentlich so unwillig ist, einen neuen Kriegsschauplatz zu eröffnen und lieber amerikanische Soldaten heimholen möchte?

Dann die Überraschung. Noch bevor Trump um 10.15 Uhr mit seiner Rede beginnt, kommt die Meldung: Die Bundeskanzlerin trifft am Rande der UN-Vollversammlung sowohl Trump als auch den iranischen Präsidenten Hassan Ruhani zu bilateralen Gesprächen – das erste Treffen zwischen Merkel und Ruhani überhaupt.

Als Trump dann spricht, bekräftigt er zunächst seine „America First“-Doktrin. „Die Zukunft gehört nicht den Globalisten. Die Zukunft gehört den Patrioten“, sagt er. Als er zum Thema Iran kommt, klingt er aber gemäßigter als erwartet. Zwar nennt er die Islamische Republik erneut den schlimmsten staatlichen „Terrorsponsor“ und fordert die Welt dazu auf, sich an Amerikas Seite zu stellen. „Alle Nationen sind verpflichtet zu handeln. Keine verantwortungsvolle Regierung sollte Irans Blutrausch bezuschussen.“ Auch sagt er, die Sanktionen würden nicht aufgehoben, sondern verschärft, wenn der Iran „sein bedrohliches Verhalten“ nicht einstelle. Teheran dürfe nie erlaubt werden, Atomwaffen zu besitzen.

Trump macht ein Friedensangebot

Mit militärischen Schritten droht er aber ausdrücklich nicht. Stattdessen wählt er Worte, die hier im Hauptquartier der Weltgemeinschaft angemessen sind. Ja, er macht geradezu ein Friedensangebot. Amerika sei bereit, Freundschaft zu schließen mit allen, die aufrichtig Frieden und Respekt anstrebten. „Viele von Amerikas engsten Freunden heute waren einst unsere größten Feinde.“ Die USA glaubten nicht an ewige Feindschaft – die mit dem Iran währt bereits vier Jahrzehnte. „Wir wollen Partner, keine Gegner.“ Bei Nordkorea wirkt er dann fast pazifistisch: „Amerika weiß, dass jeder Krieg führen kann, dass aber nur die Mutigsten Frieden wählen können.“

Woher der Sinneswandel kommt und ob er nachhaltig sein wird, bleibt an diesem Tag offen. Auch die Kanzlerin kann zur Aufklärung nur wenig beitragen. Im Anschluss an die Gespräche mit Trump und Ruhani sagt Merkel, sie würde Gespräche zwischen den USA und dem Iran begrüßen.

„Aber das wird sicherlich nicht so funktionieren, dass alle Sanktionen erstmal vom Tisch genommen werden und dann gibt es Gespräche. Ich glaube, das ist kein realistischer Angang.“ Die Kanzlerin kritisiert beide Seiten gleichermaßen. Die Bedingungen, zu denen Gespräche aufgenommen werden könnten, seien "von allen Seiten immer so gestrickt, dass es zu solchen Gesprächen nicht kommt“.

Besonders ermutigend klingt das nicht. Aber Merkel hat ja auch nur 15 Minuten mit Trump und unwesentlich länger mit Ruhani gesprochen. Sie hält mit dieser Pendeldiplomatie einen Prozess am Laufen, den der französische Präsident Emmanuel Macron vor knapp einem Monat am Rande des G-7-Gipfels in Biarritz begonnen hat, um die USA und Europa wieder auf eine Linie in der Iran-Frage zu bekommen.

Trump war im Mai 2018 einseitig aus dem Atomabkommen mit dem Iran ausgestiegen und hatte wieder massive Sanktionen verhängt. Deutschland, Frankreich und Großbritannien dagegen wollen das Abkommen retten, mit dem der Iran vom Bau einer Atombombe abgehalten werden soll. Macron war damals so erfolgreich, dass Trump gar zwischenzeitlich eine „sehr gute Chance“ für ein Treffen mit Ruhani in New York sah. So ein Treffen ist bisher nicht zustande gekommen. Allerdings weiß man bei Trump ja nie.

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