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Die Abholzung des Regenwaldes im Amazonas-Gebiet geht wieder rascher voran.
© Marcelo Sayao, dpa

Abholzung der Amazonas-Region: Brasiliens Präsident feuert den Wächter des Regenwaldes

Experten warnen: Die Rodung am Amazonas erreiche neue Höchstwerte. Doch Präsident Bolsonaro bestreitet die Daten und feuert einen Wissenschaftler.

Ricardo Galvão ist einer der renommiertesten Wissenschaftler Brasiliens. Der Physiker leitete das Inpe, das Nationale Institut für Weltraumforschung. Es ist unter anderem für die Auswertung der Satellitenbilder zuständig, die die Abholzung des Amazonaswaldes zeigen. Anhand dieser Aufnahmen veröffentlicht das Inpe regelmäßig Daten über illegale Rodungen. So war es zumindest bisher.

Nun hat Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro den 71-jährigen Galvão entlassen. Der Grund ist simpel: Dem Rechtsextremisten passen die Daten nicht, die das Inpe veröffentlicht. Sie zeigen einen drastischen Anstieg der illegalen Abholzung im Amazonas in seiner Amtszeit. So registrierte das Institut für Juni eine Zunahme der Rodungen um 88 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Erste Auswertungen der Juli-Daten zeigen eine Zunahme von mehr als 100 Prozent. Experten gehen bereits jetzt davon aus, dass 2019 das schlimmste Jahr für den Amazonaswald seit einem Jahrzehnt werden wird.

Präsident Bolsonaro will das nicht wahrhaben. Er behauptet, dass die Daten aufgebläht worden seien, um das Image Brasiliens in der Welt zu schädigen. Mit seinem Umweltminister Ricardo Salles präsentierte er bereits alternative Daten, die zeigen sollen: Alles nicht so schlimm. Das Observatorium des Klimas, ein Zusammenschluss von Forschungsinstituten und Umweltorganisationen, nannte die Präsentation „in ihrer Einfältigkeit beschämend“.

Zum Zerwürfnis zwischen dem Inpe-Chef und Bolsonaro kam es während eines Pressefrühstücks des Präsidenten mit ausländischen Journalisten. Von einem englischen Reporter auf die Statistiken zur Abholzung angesprochen, zeigte Bolsonaro erst seine Unkenntnis. Dann bezeichnete er die Daten als „Lügen“ und behauptete, das Inpe arbeite im Auftrag „irgendeiner NGO“. Erneut zeigte er seine Geringschätzung für Forschung und Wissenschaft. Mehrfach hat er auch deutlich gemacht, dass er Umweltschutz für eine Sache „von Veganern, die nur Grünzeug essen“ hält. Die Spitzen der Umweltbehörden Ibama und ICMBio hat er mit Militärs besetzt. Strafaktionen des Ibama gegen illegale Holzfäller hat er abbrechen lassen. In einem Fall hat er sogar Umweltminister Salles zu den Holzfällern geschickt, um sich zu entschuldigen. Salles nannte die Holzfäller, die Bäume in einem Indio-Reservat schlugen, „gute Bürger, die produzieren“.

Ohnehin führt Bolsonaro gegen Brasiliens Indigene, deren Reservate als letzte Bollwerke gegen die Zerstörung gelten, einen regelrechten Krieg. Mit seinem Amtsantritt hat er die Anerkennung neuer Reservate aussetzen lassen. Dann ernannte er den Polizisten Marcelo Xavier da Silva zum neuen Chef der Indio-Behörde Funai. Er hat enge Verbindungen zur Agrarindustrie und ist ein erklärter Feind der Indigenen. Er soll dem Präsidenten nun helfen, die Reservate für die wirtschaftlich Ausbeutung zu öffnen. Gerade erst hat Bolsonaro US-Präsident Donald Trump angeboten, dort gemeinsam mit Brasilien nach Mineralien zu schürfen. Auch die illegalen Goldgräber, die den Amazonas mit Quecksilber verseuchen, fühlen sich von Bolsonaro ermutigt. Mitte Juli meldete „Mongabay“, eine Web-Seite für Umweltnachrichten, dass rund 20.000 Goldgräber in den Yanomami-Park eingedrungen seien, eins der größten Indio-Reservate Brasiliens.

Die EU will über Umweltschutz reden

Diese Entwicklung steht im krassen Widerspruch zum Freihandelsabkommen, das die EU im Juni mit der südamerikanischen Wirtschaftsunion Mercosur vereinbart hat. Es sieht vor, den Export brasilianischer Landwirtschaftsprodukte nach Europa zu vereinfachen, ist allerdings an strenge Umweltauflagen und die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens gebunden. Der Knackpunkt: Die Parlamente der EU-Mitglieder sowie das EU-Parlament müssen den Vertrag ratifizieren. Insbesondere Frankreichs Regierung sträubt sich dagegen, weil man große Nachteile für die französischen Bauern befürchtet. Tatsächlich ist Brasilien ein Agrargigant. Das Land produziert enorme Mengen an Soja, Mais und Rindfleisch – meist jedoch auf gerodeten Flächen und unter Verwendung von Pestiziden, die in Europa verboten sind. Frankreich nutzt nun das Umweltargument, um den Freihandelsvertrag auszubremsen.

Das wiederum ärgert Bolsonaro. Er nennt ausländische Kritik eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Brasiliens und wirft den Deutschen und Franzosen vor, dass sie ihre Umwelt bereits massiv geschädigt hätten und nun anderen Vorschriften machen wollten. Er sei zwei mal über Europa geflogen und habe dabei keinen Quadratkilometer Wald gesehen. Vergangene Woche düpierte Bolsonaro dann demonstrativ Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian, der nach Brasilien gekommen war, um über EU-Umweltstandards zu sprechen. Bolsonaro sagte den Termin kurzfristig ab und ließ sich die Haare schneiden, was er live über Facebook übertrug.

Bolsonaro hat wie Trump wenig für Diplomatie übrig. Er gibt fast täglich Unsinn, Beleidigungen und Lügen von sich. Für den Amazonaswald, den Bolsonaro als zum Mittel zum wirtschaftlichen Wachstum betrachtet, ist das fatal. Die Amazonas-Region, das sind heute noch 40 Prozent der weltweiten Tropenwälder, obwohl in den in den vergangenen 50 Jahren bereits eine Fläche von der Größe der Türkei zerstört wurde. Zwischen 2004 und 2012 ging die Entwaldung stark zurück. aber seit 2012 steigt sie erneut und droht nun desaströse Ausmaße anzunehmen. Das Institut für Amazonasforschung warnt bereits vor einem „tipping point“. Die Wissenschaftler glauben, dass in Kürze ein Grad der Zerstörung erreicht sein könnte, der das Kippen des gesamten amazonischen Ökosystems zur Folge haben könnte. Was man jedoch in der Regierung Bolsonaro vom Klimawandel hält, hat Außenminister Ernesto Araújo deutlich gemacht. Diplomaten sagte er: „Ich glaube nicht an die globale Erwärmung. Ich war im Mai in Rom und es war kühl!“

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