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Der Lego-Retter kommt geflogen - und wo ist die Retterin? Mehr Sensibilität für sprachliche Ungleichbehandlung wäre wünschenswert - und manchmal wird sie auch verlangt. Ist das richtig?
© dpa

Gendersprache und Gleichberechtigung: Vor dem Abc sind alle gleich

Warum gibt es im Strafgesetz eigentlich nur den "Mörder"? Sind Exibitionisten auch mal weiblich? Und sollen Bezirkspolitiker über Sprache bestimmen dürfen? Ein Kommentar

Gendern ist in der allgemeinen Wahrnehmung ein Anliegen von Frauen, die diskriminierenden Sexismus aus der Sprache verbannen wollen, weil der in der Regel auf ihre Kosten geht. Man könnte zwar denken, dass eine nicht-diskriminierende Sprache im Interesse aller Menschen des jeweiligen Sprachraums sei, weil sie entweder selbst zu den Verbaldiskriminierten gehören oder zumindest von einer zur Welt gebracht wurden, aber dem ist nicht so. Gendern wird von nicht wenigen als alberner Weiberkram verlacht – ein Ruf, mit dem in einer eher männerzentrierten Welt nichts zu erreichen ist.

Ist es also gut, wenn in manchen Belangen die Volksvertreter stilbildend voranschreiten? Soll man begrüßen, dass in einigen Berliner Bezirksverordnetenversammlungen debattiert wird, nur noch Anträge zuzulassen, die in gegenderter Sprache formuliert sind?

Bezirksverordnete sind als Volksvertreter gewählt. Sie sollen ihre Wähler repräsentieren. Tun sie das noch, wenn sie voranschreiten? Repräsentiert also die Verpflichtung zur Gendersprache Wunsch und Willen der durchschnittlichen Berliner Bezirksbewohner*innen? Wenn nicht, wäre die Sprachorder eine bevormundende, womöglich erzieherische Maßnahme. Dafür aber wurden die Abgeordneten nicht gewählt.

Andererseits: Es geht ja nicht nur um das Sternchen, was allerdings eine schriftsatzverschlankende Wirkung hätte, sofern man sich alternativ auf das gesonderte Ansprechen von Frauen und Männer einigen würde. Dass man die „lieben Bürgerinnen und Bürger“ anspricht, dürfte Konsens sein, so wie es ja auch die „sehr geehrten Damen und Herren“ sind. Oder besteht noch jemand darauf, dass es reicht, die „lieben Bürger“ und die „Herren“ zu adressieren?

Verwaltungssprache versteht man oft so schon kaum

Ein Leitfaden der Universität München zur gendersensiblen Sprache nennt weitere Beispiele: Lehrkräfte sagen statt Lehrer. Passivkonstruktionen à la „Teilgenommen haben 20 Personen“ statt „Es gab 20 Teilnehmer“. Solches Umformulieren dürfte nicht zu viel verlangt sein dafür, dass sich statt der halben die ganze Bevölkerung angesprochen fühlen kann.

Dennoch hat die Sprachgenderei einen denkbar schlechten Ruf. Vielleicht weil sie anfangs vor allem Verwaltungsdeutsch erfasst. Eine Sprache, die ohnehin schon unter Unverständlichkeit leidet. Wird die nun durch noch mehr alltagsferne Regularien verändert, läuft sie Gefahr, zur völligen Kunstsprache zu werden und den Bezug zu ihrem Inhalt – dem Organisieren des Gemeinwesens – zu verlieren.

Wie verständnisverhindernd Verwaltungssprache sein kann, zeigen besonders gut die Volksentscheide, deren Abstimmungsfragen so formuliert sind, dass man ohne intensive Textanalyse kaum weiß, wo man denn nun für sein „Ja“ oder „Nein“ ein Kreuzchen machen soll. Wünschenswert wäre – nicht nur in diesem Fall –, dass Verwaltungssprache lesbarer und verständlicher wird, dass sie der gesprochenen Sprache näher kommt. Gendern ist als Mittel der Wahl zweifelhaft. Vielleicht ist Gendern auch deshalb so umstritten, weil es nicht einzelne Worte meint, sondern ein ganzes Adressierungssystem. Es ist nicht absehbar, wo das Vorhaben enden wird.

Das Strafgesetzbuch nennt mehrfach den Mann als Täter. Recht so?

Konkrete Wortänderungsvorhaben finden schneller Zustimmung. Ende Januar beschloss der Petitionsausschuss des Bundestags einstimmig, dass die sprachliche Diskriminierung von Männern in Paragraf 183 des Strafgesetzbuchs (exhibitionistische Handlungen) ein Ende haben müsse. In dessen erstem Absatz steht nämlich: „Ein Mann, der eine andere Person durch eine exhibitionistische Handlung belästigt, wird mit . . . bestraft.“ Eindeutig geschlechterdiskriminierend, stellten die Ausschussmitglieder fest, denn der Umstand, dass exhibitionistische Handlungen im Sinne jenes Paragrafen erfahrungsgemäß nur von Männern begangen würden, rechtfertige die Ungleichbehandlung nicht. Die Formulierung „ein Mann“ sei also unvereinbar mit Artikel 3 Absatz 2 des im Grundgesetz verankerten Gleichheitssatzes. Dieser Ansicht werden auch jene beipflichten, denen (zwar politisch motiviert, aber dennoch unerbeten) nackte Femen-Busen vor die Augen kamen.

Das Strafgesetzbuch hat in noch (mindestens) einem weiteren Paragrafen einen Gender-Gap. In dem geht es um Mord, und dort steht seit 1941 „Mörder ist, wer . . .“ Abgesehen von der umstrittenen Verbrechertypusfestschreibung stellt sich auch hier die Frage: Ermorden Frauen denn nie mal jemanden? Doch, tun sie. Und zwar meist ihre Männer. Aber das ist eine andere Geschichte.

Ariane Bemmer

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