Steuerstreit in der Koalition: Von Enteignung zu sprechen, ist eine Übertreibung
Die SPD will Reiche rannehmen, die Union hält das für Sozialismus. Steuerpolitisch liefert die Groko zu viel Zwist und zu viel Murks. Ein Kommentar.
Deutschland war mal ein sozialistisches Land. Und zwar in der Ära des Bundeskanzlers Helmut Kohl. Denn damals gab es eine Vermögensteuer, die der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach jetzt, da die SPD sie wiederbeleben will, als „sozialistischen Dinosaurier“ bezeichnet. Ausgeburt der SED-Ideologie sei sie gar, meint Michelbach.
Allerdings wird sie auch in der Schweiz erhoben. Sie ist tatsächlich eine Steuerart, die man ganz unideologisch als eine auch in kapitalistischen Ländern gängige Belastungsform für Reiche bezeichnen kann. Von Enteignung zu sprechen, ist eine Übertreibung. Eine direkte Vermögensbesteuerung ist einfach nur der Versuch, die besonders Belastungsfähigen an der Finanzierung des Gemeinwesens stärker zu beteiligen. So wie die progressive Einkommensteuer auch.
Und vom Funktionieren, vom friedlichen Funktionieren einer Gesellschaft profitieren auch die Wohlhabenden. Ein Prozent vom Vermögen ist nicht wenig, schon wahr, es klingt nur so – denn es geht vom Gewinn ab, der nicht bei allen Unternehmen ganz so üppig ist. Ein Prozent, wie nun der kommissarische SPD-Chef Thorsten Schäfer es fordert, ist aber auch nicht vermessen.
Die ganze Aufregung in der Koalition dient kurzfristig natürlich dem Wahlkampf in den Ost-Ländern – die einen machen ein bisschen Klassenkampf, die anderen spielen die Retter der Enterbten. Das darf auf längere Sicht aber nicht verhindern, dass Union und SPD bei der Reform des Steuersystems endlich mal etwas Handfestes produzieren, dass sie vernünftige Lösungen bieten. Unvergessen ist ja, dass die von beiden Seiten in den Wahlkämpfen geforderte stärkere Entlastung der Mitte weder 2013 noch 2018 die Koalitionsverhandlungen überlebte.
Riesenchance vertan
Eine Riesenchance, eine solche Vernunftlösung zu finden, haben Union und SPD zuletzt schon vertan. Denn besser als eine Vermögensteuer, die kompliziert und damit dauerhaft streitanfällig ist, ist eine klare, einfache Erbschaftsteuer. Doch das gelang der großen Koalition 2016 nicht. Auch weil, wieder einmal, die CSU sich querlegte, die gern die steuerpolitische Widerständlerin zugunsten eines Mittelstandes spielt, der ganz genau weiß, dass er auf gute Infrastruktur, gute Bildungsinstitutionen und ein gesellschaftliches Klima angewiesen ist, das den Ausgleich zwischen den Einkommensschichten fördert.
Man hat das in der Union mal soziale Marktwirtschaft genannt. Zu der würde eine gute Erbschaftsteuer passen, auf breiterer Grundlage als jetzt, mit niedrigen Sätzen, die aber alle Steuerpflichtigen auch zahlen. Bis weit hinein ins bürgerliche Milieu wäre sie akzeptiert, sie ist unumstritten unter Ökonomen von links bis rechts.
So würde man sich freuen, wenn der Vorstoß der SPD für CDU und CSU ein Anstoß wäre, sich daran zu machen, was beide seit Jahren nicht tun: mehr Vernunft walten zu lassen in steuerpolitischen Dingen.
Stattdessen bekommt man Murks wie das Baukindergeld.
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