Der Generationenertrag: Wird den Jüngeren die Zukunft gestohlen?
Die Alten machten Politik auf Kosten der Jungen, heißt es. Aber sie vermachen ihnen auch viel. Zeit, über die Erbschaftsteuer nachzudenken. Ein Kommentar.
Irgendwie scheint die Sache ausgemacht zu sein: Die Älteren machen Politik auf Kosten der Jungen. Punkt. Oder wie es die Stiftung Marktwirtschaft, nur ein Beispiel, vor einigen Tagen in einem Papier zur „Generationenbilanz“ formulierte: „Die alternde Gesellschaft setzt die Politik zusehends unter Umverteilungsdruck zugunsten der älteren Wählerschichten.“
Der Freiburger Ökonom Bernd Raffelhüschen sieht daher nicht nur im Umlagesystem der gesetzlichen Rente deutliche Zusatzbelastungen auf die jungen Leute zukommen, sondern auch in der Pflegeversicherung. Zumal wenn deren Leistungsspektrum ausgeweitet würde und der Gehaltsdruck in der Branche die Pflege noch weiter verteuere. Sobald die Generation der Babyboomer ins Pflegealter kommt, steigen die Kosten zwangsläufig – von etwa 2040 an wird das zweifellos der Fall sein.
Raffelhüschen erwartet dann Beitragssätze von mehr als fünf Prozent in der Pflegeversicherung, derzeit sind es gut drei Prozent. Und da die Generation, die sich nun der Rente und bald darauf der Pflege nähert, weniger Kinder in die Welt setzte als ihre Elterngeneration, kommt auf die Nachwachsenden einiges an höheren Beiträgen für die Sozialversicherungen zu. Und auch an höheren Steuern zur Finanzierung einer Infrastruktur, von der es heißt, sie sei derzeit unterfinanziert.
Mehr Investitionen auf Pump?
Mit dieser Situation hat auch die aktuelle Debatte um die Schuldenbremse zu tun. Sollten die jetzigen Leistungsträger mehr auf Pump bauen, erneuern und sanieren, auch weil die Zinsen niedrig und die Kredite damit günstig sind? Die Frage ist nicht ganz leicht zu beantworten. Manche meinen, damit würden Lasten von späteren Generationen genommen. Andere halten die traditionelle Ansicht dagegen, dass die Schulden von heute die Steuern von morgen seien – irgendwann müssen Kredite schließlich getilgt oder jedenfalls durch neue Rentenpapiere abgelöst werden, dann freilich mit möglicherweise wieder höheren Zinsen.
Was in der Debatte allerdings häufig ausgeblendet wird, ist die schlichte Tatsache, dass – friedliche Entwicklung ohne massive Wirtschaftskrisen oder Geldentwertung einmal vorausgesetzt – die jüngeren Jahrgänge recht komfortable Aussichten haben, was ihre Vermögen betrifft. Schon jetzt spricht man gern von Erbengeneration, aber was Schenkungen und Vermächtnisse betrifft, wird die Zukunft noch goldener sein. Denn aktuell erben die starken Babyboomer von einer zahlenmäßig und insgesamt wohl auch wirtschaftlich schwächeren Elterngeneration, während sich die Verhältnisse in einiger Zeit umkehren werden: Wenige erben dann von vielen, um es zugespitzt zu formulieren.
Der Wohlstand wächst ...
Gesamtgesellschaftlich betrachtet, werden die heutigen Jüngeren also mutmaßlich einmal erkennbar wohlhabender sein als die Älteren von heute. Das bedeutet, dass sie als Zahler durchaus etwas höhere Beitragslasten bei Rente und Pflege tragen können als frühere Generationen.
Es ist eben mittlerweile einfach mehr zusammengekommen in den Familien. Erhebungen haben ergeben, dass schon heute bis zu 400 Milliarden Euro im Jahr vererbt werden, die großen Betriebsvermögen eingeschlossen. Die Tendenz ist steigend. Das soll natürlich nicht heißen, dass die Bemühungen, die künftigen Zusatzbelastungen möglichst gering zu halten, jetzt eingestellt werden könnten. Aber ein Aspekt in der Generationendebatte sind die Erbschaften schon.
... aber nicht bei allen
Freilich wird es auch in Zukunft dabei nicht gerecht zugehen. Manche erben wenig, manche bekommen gar nichts ab. Gut möglich, dass die Vermögensungleichgewichte sich eher verstärken werden. Daher sollte die Politik im Sinne einer ausgewogenen Nachhaltigkeitspolitik auch über die Reform der Erbschaftsteuer in Deutschland nachdenken. Denn was wir hier im Gesetzbuch stehen haben, ist ein schlechter Witz. Familienvermögen können praktisch unversteuert weitergereicht werden, was den Wohlstandszuwachs der Vermögenden von Generation zu Generation noch verstärkt. Die deutsche Erbschaftssteuer ist eine Steuer auf den Status des entfernten Verwandten.
Stattdessen wäre es zweifellos besser, eine Erbschaftssteuer auf alle Betriebs- und Privatvermögen zu erheben, mit deutlich moderateren Steuersätzen als heute allerdings, niedrig beginnend und nicht höher als zehn Prozent bei sehr hohen Vermächtnissen. Aber auch mit wenigen Ausnahmen (die tatsächlich selbst genutzte Immobilie etwa) und nur noch geringen Freibeträgen. Steuerflucht ist dann nicht zu erwarten, selbst wenn im benachbarten Ausland, wie zum Beispiel in Österreich, keine Erbensteuer fällig wird.
Eine moderate Erbschafts- und Schenkungssteuer würde dazu beitragen, dass der glücklichere Teil der Gesellschaft sich stärker daran beteiligt, die künftigen Belastungen der weniger Glücklichen bei Steuern und Beiträgen geringer zu halten. Einmal im Leben ist das keine Zumutung. Und eines wird auch in der Zukunft noch gelten: Erbschaften sind unverdiente Einkommen.
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