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Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, hatte im Sommer einen sogenannten Green Deal in der EU-Agrarpolitik versprochen.
© Christian Hartmann/Reuters Pool/AP/dpa

Europa verpasst die Chance zur Agrarreform: Vom Green Deal der EU-Präsidentin ist nicht viel übrig

Die Agrarpolitik trägt wieder die Handschrift der Lobby-Vertreter und Bedenkenträger. Die EU macht sich damit unglaubwürdig. Ein Kommentar.

Bei der Reform der Agrarpolitik ist die Europäische Union als Löwe gesprungen und als Bettvorleger gelandet. Ziemlich vollmundig wurde der Umbau und die Entschlackung des milliardenschweren und reichlich verfilzten Subventionsapparates angekündigt, doch am Ende steht allenfalls ein Reförmchen.

Die ursprüngliche Idee einer ökologischen Neuorientierung der Landwirtschaft und einer gerechteren Verteilung der Gelder ist lediglich als Ahnung in einigen Teilen des Papiers spürbar geblieben. Die Mutlosen, die Bedenkenträger und vor allem die Lobbyvertreter haben diesem Regelwerk ihren Stempel aufgedrückt.

Damit macht sich Europa selbst unglaubwürdig. Denn die neue Kommission unter der deutschen Präsidentin Ursula von der Leyen hatte mit großer Geste den Kampf der EU gegen den Klimawandel zur zentralen Aufgabe dieses Jahrhunderts ausgerufen.

Die gemeinsame Europäische Agrarpolitik sollte zu einem der zentralen Bausteine des sogenannten Green Deal werden. Ehrgeiziges Ziel ist es, bis 2050 in der Europäischen Union die Netto-Emissionen von Treibhausgasen auf null zu reduzieren und somit als erster Kontinent klimaneutral zu werden.

Der nun erzielte Kompromiss ist weit davon entfernt, die versprochene Klimawende einzuleiten. Selbst der Europäische Rechnungshof bemängelt, dass die Agrarsubventionen die Klimakrise weiter befeuern.

Geld fließt weiter an Großbetriebe

Dabei sprechen die Fakten eine sehr deutliche Sprache. Die Landwirtschaft, wie derzeit betrieben, ist zu einem Gutteil für den Ausstoß von Treibhausgasen verantwortlich; zu viele Monokulturen zerstören die Natur; der übermäßige Einsatz von Pestiziden vergiftet die Flüsse.

Und die Ärzte warnen schon seit einer gefühlten Ewigkeit davor, dass die Antibiotika in der Tierzucht am Ende beim Verbraucher auf dem Teller landen und die Ausbreitung lebensbedrohlicher Krankheiten begünstigen können.

Trügerische Idylle: Die Landwirtschaft ist klimaschädigend - und EU setzt weiter auf Flächenprämien.
Trügerische Idylle: Die Landwirtschaft ist klimaschädigend - und EU setzt weiter auf Flächenprämien.
© Frank Rumpenhorst/dpa

Wie seit Jahrzehnten schon fließt das meiste Geld der Europäischen Union weiter an die Großbetriebe, eine effektive Verteilung an kleinere landwirtschaftliche Einheiten findet kaum statt. Die Folge wird sein, dass immer mehr jener Höfe aufgeben werden, die sich auch die Pflege unserer Kulturlandschaft zur Aufgabe gemacht haben. Diese EU-Agrarreform unterstützt nicht die Bauern, sondern die Agrarindustrie.

Allerdings wäre es zu einfach, wieder einmal nur mit dem Finger auf das ideenlose Management der Politik zu zeigen. Den Menschen muss klarwerden, dass auch sie selbst als Verbraucher es in der Hand haben, mehr für den Klimaschutz und eine bessere Ernährung beizutragen. So ist zum Beispiel der Viehbestand in Europa viel zu hoch.

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Doch auch hier reagieren die Hersteller oft lediglich auf die Nachfrage, denn die meisten Leute pilgern am Wochenende zum Discounter und decken sich dort mit Billig-Schnitzeln in XXL-Packungen und geschmacklosen Tomaten und Gurken aus riesigen Gewächshäusern ein.

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Auch haben sich die Leute an die niederen Preise in den Kühlregalen gewöhnt. Nicht alle Verbraucher sind gewillt - oder in der Lage – für hochwertige, ökologisch erzeugte Produkte mehr Geld auszugeben.

Ohne eine Änderung der Lebensgewohnheiten wird sich aber auch bei der Erzeugung von Obst, Fleisch und Gemüse nur schwerlich etwas ändern. Es ist die Aufgabe jedes einzelnen, mehr für eine lebenswertere Welt zu tun. Die Politik kann den Menschen dies nicht abnehmen, sie kann aber die Wege aufzeigen. So gesehen ist die mutlose Agrarreform eine verpasste Chance.

Knut Krohn

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