Umfrage unter Teilzeit-Pflegekräften: Vollzeitjob kommt für die meisten nicht in Frage
Nur jede achte Teilzeit-Pflegekraft kann sich vorstellen, ihre Arbeitszeit in Klinik oder Altenheim aufzustocken. Der Grund sind schlechte Arbeitsbedingungen.
Von den Pflegekräften, die momentan in Teilzeit arbeiten, kann sich nur jede achte vorstellen, ihre Arbeitszeit aufzustocken. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK), die dem Tagesspiegel vorliegt. Und es ist ein vernichtendes Urteil über die Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern, Altenheimen und ambulanten Diensten.
Denn die meisten Befragten begründen ihre Teilzeittätigkeit mit der Aussage, dass ihnen die Belastung im Beruf bei Vollzeit zu hoch sei. Vor drei Jahren hatten noch mehr als doppelt so viele Teilzeitkräfte angegeben, sich eine Erhöhung ihrer Wochenstunden vorstellen zu können. Von damals 25,5 Prozent im Jahr 2016 sank ihre Zahl nun auf 12,5 Prozent.
Die "einzige kurzfristig verfügbare Ressource" gegen Pflegenotstand
Das Umfrageergebnis ist auch deshalb brisant, weil die Aufstockung bestehender Teilzeitstellen im Kampf gegen den Pflegenotstand als wichtiges Mittel gilt. Die Bundesregierung jedenfalls setzt große Hoffnungen darauf. Im Abschlussbericht ihrer von gleich drei Ministern initiierten "Konzertierte Aktion Pflege" heißt es, dass allen Pflegekräften in Teilzeit eine Vollzeitbeschäftigung angeboten werden solle.
Teilzeitmitarbeiter seien „die einzige kurzfristig verfügbare Ressource zur Linderung des zunehmenden Pflegefachpersonalmangels“, bestätigte auch DBfK-Präsidentin Christel Bienstein. Die Umfrage zeige allerdings „deutlich, dass es keinen Grund zur Euphorie geben kann“. Hauptgrund für die hohe Teilzeitquote sei eindeutig die zu hohe Belastung im Beruf, betonte die Verbandschefin.
„Die Pflegefachpersonen in Teilzeit sagen deshalb mit großer Mehrheit Nein zu längeren Wochenarbeitszeiten – unter den heutigen Bedingungen."
Fast jede zweite Teilzeitkraft wurde schon gefragt
Die Frage nach längeren Arbeitszeiten ist für viele Pflegekräfte keineswegs eine theoretische, wie die Umfrage belegt. Mit 40,3 Prozent bestätigte fast die Hälfte der Pflegenden, von Vorgesetzten aufgrund vakanter Stellen bereits konkret nach einer Aufstockung ihrer Arbeitszeit gefragt worden zu sein.
Die wichtigsten Gründe, warum sich die meisten nicht darauf einließen, seien „die hohe Arbeitslast und Arbeitsverdichtung, der grenzenlose Zugriff auf dienstplanmäßiges Frei und Urlaub, die schlechte Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf wegen unzuverlässiger Dienstplanung“, heißt es in der Studie. Pflegekräfte seien heute in der Regel darüber informiert, welch „rares Gut“ sie seien.
„Sie stimmen inzwischen mit den Füßen ab und entziehen sich unzumutbaren Bedingungen am Arbeitsplatz – häufig durch Reduzieren der Arbeitszeit, falls finanziell verkraftbar, manchmal durch Wechsel in die Zeitarbeit, schließlich auch durch Berufswechsel und Berufsausstieg.“
Hauptbedingung wäre bessere Personalausstattung
Teilzeit habe es in der Pflege „immer gegeben“, betonen die Studienautoren – „allerdings nicht in dem Ausmaß (...) und auch nicht aus den Gründen wie heute“.
Solange man im Pflegeberuf nur mit Arbeitszeitreduzierung eine Chance habe, mittelfristig gesund zu bleiben und ein zufriedenstellendes Privatleben zu führen, könnten „junge Menschen darin keine Perspektive für sich erkennen“.
Als Hauptbedingung für eine mögliche Ausweitung ihrer Arbeitszeit nannten die meisten Befragten eine bessere Personalausstattung. Es folgten ein höherer Stundenlohn, verlässliche Dienstpläne und die Sicherheit, nicht aus der Freizeit geholt zu werden.
Auch viele Vollzeitkräfte arbeiten nur notgedrungen länger
Immerhin hätten alle Teilzeitbeschäftigten die Frage nach Voraussetzungen für ein Aufstocken ihrer Arbeitszeit beantwortet, heißt es in der Studie. Dies könne bedeuten, „dass sie durchaus zu gewinnen wären, wenn die Rahmen- und Arbeitsbedingungen stimmen und ihnen glaubwürdige Angebote gemacht werden“.
Arbeitgeber wie Vorgesetzte täten gut daran, dies als Angebot zu verstehen und es ernst zu nehmen.
An der Online-Studie des Berufsverbands beteiligten sich im Juli dieses Jahres knapp 2000 Pflegekräfte, die meisten davon aus Krankenhäusern. Darunter befanden sich nicht nur Teilzeit-, sondern auch Vollzeitkräfte, die nach den Gründen für ihre Entscheidung befragt wurden.
Sie gaben vor allem an, das höhere Einkommen zu benötigen, sich höhere Rentenansprüche sichern zu wollen und dass bei einer Teilzeitbeschäftigung auch „in großem Umfang Mehrarbeit erwartet“ werde. Da könne man dann genauso gut Vollzeit arbeiten.
Geldprämien für Aufstocker? Bisher nur eine Idee
Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, war schon im vergangenen Jahr mit der Idee hausieren gegangen, Beschäftigte für einen solchen Wechsel mit einer Geldprämie zu belohnen. Wenn Teilzeitkräfte ihre Arbeitszeit um mindestens 20 Prozent der Vollzeitstelle aufstockten, sollten sie 3000 Euro erhalten, schlug der Experte bei seinem Amtsantritt vor.
Gleichzeitig plädierte er für einen befristeten Modellversuch, bei dem alle Teilzeit-Pflegekräfte, die ihre Jobs auf 80 Prozent aufstockten, 100 Prozent des Vollzeit-Gehalts bekämen.
Diese Vorschläge zur Behebung des Pflegenotstands stehen nach wie vor auf der Homepage des Beauftragten, umgesetzt wurden sie bisher aber nicht.