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Ministerpräsident Stephan Weil mit dem VW-Betriebsratsvorsitzenden Bernd Osterloh.
© Reuters

Autobauer: Das große Aufatmen nach dem EuGH-Urteil zum VW-Gesetz

Niedersachsen kann sein Vetorecht bei Volkswagen behalten, entschied der Europäische Gerichtshof. Ein jahrelanger Streit geht damit zu Ende - und Deutschland kommt um eine Millionenstrafe herum. Von Hannover über Berlin bis Brüssel gab es für das Urteil viel Lob.

Das gesamte niedersächsische Landeskabinett ist am Dienstag nach Wolfsburg gefahren, um im VW-Werk mit den Mitarbeitern des größten deutschen Konzerns zu feiern. Man habe bei der Planung „natürlich nicht gewusst, wie die Entscheidung ausfallen würde“, sagte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Wohl aber war zu ahnen, dass es, so der Regierungschef,  „ein guter Tag für Niedersachsen“ werden würde.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH), das die Klage der EU-Kommission gegen Deutschland im Allgemeinen und das VW-Gesetz im Speziellen abweist, hatte sich  im Mai angedeutet, als der europäische Generalanwalt  ebendiese Entscheidung forderte. Trotzdem herrschte bis zuletzt Nervosität: „In der Mehrzahl der Fälle folgen die Richter der Meinung des Generalanwalts“, sagte ein Mitarbeiter der Hannoveraner Staatskanzlei dem Tagesspiegel, „aber das ist kein Naturgesetz.“

Deutsche Position wird bestätigt

Der Richterspruch vom Luxemburger Kirchberg lässt nun aber nichts an Eindeutigkeit zu wünschen übrig. Die deutsche Position wird in vollem Umfang bestätigt. Somit ist auch die mögliche Strafzahlung in Höhe von rund 68 Millionen Euro hinfällig.

Im Kern ging es um die Frage, ob die Bundesrepublik das erste Luxemburger Urteil zum VW-Gesetz aus dem Jahr 2007 richtig umgesetzt hat. Damals fällte Europas oberstes Gericht zu den drei wichtigsten Punkten des Gesetzes von 1960 eine Entscheidung, mit der der vormalige Staatsbetrieb in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Um den Einfluss der öffentlichen Hand zu sichern, durften der Bund und das Land Niedersachsen je zwei Aufsichtsratsmitglieder stellen. Zudem wurde in dem Kontrollgremium der Stimmanteil anderer Aktionäre auf eine Anzahl beschränkt, die einer Unternehmensbeteiligung von 20 Prozent entspricht. Ferner erlaubt das Gesetz der Landesregierung mit einem Anteil von nur 20 Prozent, wichtige Entscheidungen zu blockieren.

Der Europäische Gerichtshof hat die Sonderstellung des Landes Niedersachsen beim Autobauer VW bestätigt.
Der Europäische Gerichtshof hat die Sonderstellung des Landes Niedersachsen beim Autobauer VW bestätigt.
© dpa

Dass die ersten beiden Punkte dem 2007er-Urteil zufolge europarechtswidrig waren und „gegen den freien Kapitalverkehr“ verstießen, akzeptierte die Bundesregierung ohne großes Murren. Das Gesetz wurde entsprechend geändert, der Passus mit der Sperrminorität blieb aber erhalten, wogegen die EU-Kommission Ende 2011 erneut klagte. Es müssten „alle“ drei Vorschriften beseitigt werden, da sie „Investoren aus anderen EU-Staaten abschrecken“ könnte, so die damalige Argumentation der Brüsseler Behörde. Es sei allein Sache der Eigner, über Ausnahmen von dem nach deutschem Aktienrecht für ein Veto nötigen 25-Prozent-Anteil zu befinden.

Die Satzung des Volkswagen-Konzerns ist inzwischen ebenfalls geändert, weshalb „viele gesagt haben, dass wir das VW-Gesetz wirklich nicht mehr brauchen“, wie der Mitarbeiter der Staatskanzlei in Hannover einräumte: „Aber auch gegen eine Satzung kann man klagen. Mit dem EuGH-Urteil ist nun auch die Satzung gegen etwaige Klagen in der Zukunft abgeschirmt.“

EU-Kommission räumt Niederlage ein

Tatsächlich urteilten die  Richter jetzt, dass ihr früheres Urteil „keine selbständige Vertragsverletzung durch die Vorschrift über die herabgesetzte Sperrminorität festgestellt“, sondern diese „nur in Verbindung“ mit den anderen beiden Punkten einen Rechtsbruch dargestellt habe. Folglich sei Deutschland, so der Tenor in der Mitteilung des Gerichts vom Dienstag,  „seinen Verpflichtungen aus dem Urteil von 2007 fristgemäß nachgekommen“.

Die EU-Kommission räumte ihre Niederlage ein. „Obwohl das Urteil nicht unserer Interpretation folgt“, sagte die Sprecherin von Binnenmarktkommissar Michel Barnier, „respektieren wir es voll.“ Die Klage habe im Sinne aller Beteiligten dazu gedient, juristische Klarheit zu schaffen: „Das ist geschehen. Die Sache ist erledigt.“

Die SPD-Europaabgeordneten Bernd Lange und Matthias Groote dagegen kritisierten die „ideologische Engstirnigkeit“ der Kommission, die überhaupt erst zu dem Streit geführt habe: „Die endlosen Attacken gegen das VW-Gesetz entspringen einem fatalen Wettbewerbswahn.“ Sie begrüßten das Urteil uneingeschränkt: „Die Vernunft hat heute über marktradikale Ideologie gesiegt.“ Ihr CDU-Parlamentskollege Burkhard Balz ergänzte, das VW-Gesetz sei „ein  Erfolgsmodell“ und habe zu einer „guten, langfristig orientierten Unternehmenskultur geführt“.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erklärte in Berlin, der Regierung sei es „final gelungen, den EuGH von der deutschen Rechtsauffassung zu überzeugen“. Der Volkswagen Konzern könne nun „seine erfolgreiche Arbeit in Ruhe fortsetzen“.

Christopher Ziedler

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