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Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen).
© Marijan Murat/dpa
Update

Grüner Ministerpräsident: Kretschmann: "Dobrindt fährt Industriestandort an die Wand"

Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann rechnet mit dem Verkehrsminister ab. Und Grünen-Fraktionschef Hofreiter verlangt: "Autoindustrie soll für Diesel-Nachrüstung zahlen."

Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat der Bundesregierung vorgeworfen, die Zukunft der deutschen Automobilindustrie aufs Spiel zu setzen. "Für Deutschland und seine Industriestruktur ist die Transformation der Autoindustrie eine Megaaufgabe. Ich habe nicht den Eindruck, dass der Bundesverkehrsminister dem gewachsen ist", sagte Kretschmann dem Tagesspiegel. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) habe sich in seiner Amtszeit hauptsächlich mit der PKW-Maut, dem "marginalsten Thema in der Verkehrspolitik", beschäftigt, kritisierte der Ministerpräsident. "Um die richtigen Herausforderungen kümmert er sich nicht, das ist unverantwortlich. So fährt er den Industriestandort an die Wand."

Die Autoindustrie befinde sich in einer kritischen Phase, warnte Kretschmann. Wenn es nicht bald einen "richtigen Schub" beim Umstieg von herkömmlichen PKW auf Elektroautos gebe, bestehe "die Gefahr, dass wir überrollt werden". Es mache ihm Angst, wenn er sehe, "dass in Deutschland im Moment vor allem Elektroautos gekauft werden, die nicht von heimischen Anbietern stammen". Erschwerend hinzu komme, dass beim Elektroantrieb der Kern der Wertschöpfung bei den Batteriezellen liege. "Und diese werden nun mal nicht in Deutschland gefertigt."

Grünen-Forderung sei ein Weckruf   

Zugleich hat Kretschmann die Wahlkampf-Forderung seiner Partei nach einem Abschied der Autoindustrie vom Verbrennungsmotor bis zum Jahr 2030 als "Weckruf" bezeichnet. Er bestreite nicht, dass das Ausstiegsdatum 2030 als solches sinnvoll sei. "Alle sollten uns dankbar sein, dass wir sie aus dem Schlaf geweckt haben", erklärte Kretschmann mit Blick auf den schleppenden Umstieg der Branche auf emissionsfreie Fahrzeuge.

Kretschmann relativierte damit seine Fundamentalkritik an dem Parteitags-Beschluss der Grünen, wonach ab 2030 nur noch emissionsfreie Autos vom Band rollen dürfen. Kretschmann hatte das Datum 2030 vor zwei Wochen in einem privaten Gespräch am Rande des Parteitags als "Schwachsinnstermin" kritisiert und war dabei heimlich gefilmt worden. Im Tagesspiegel-Interview sagte er nun, er habe sich "robust geäußert": "Manchmal steigert man sich ja im Streit auch in etwas hinein."

In der Sache blieb Kretschmann jedoch bei seiner Kritik an dem Datum. Natürlich müsse man irgendwann einen Zeitpunkt für den Ausstieg aus dem fossilen Verbrennungsmotor festlegen, „aber jetzt ist es zu früh dafür“. Das Auto werde in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren in einem sehr komplexen Prozess neu erfunden. Er habe deswegen einen institutionalisierten Dialog mit der Automobilwirtschaft darüber begonnen. „Wir stehen ganz am Anfang, da mache ich doch keine Ansagen in Form von Jahreszahlen.“

Grünen-Fraktionschef Hofreiter verteidigte dagegen den Terminplan. "Die Industrie braucht einen klaren Fahrplan, damit sie Planungssicherheit hat", sagte er. In den Unternehmen bewege sich erst etwas, wenn sie konkrete Ansagen bekämen. Das Datum 2030 zu nennen, sei "nicht nur klima- und gesundheitspolitisch sinnvoll, sondern auch industriepolitisch enorm wichtig", sagte Hofreiter mit Blick auf die Arbeitsplätze in der Branche. "Wir wollen ja gerade, dass es der Autoindustrie nicht so geht wie den großen Energiekonzernen RWE und Eon, die die Energiewende verschlafen haben."

Hofreiter: Millionen Diesel-Fahrzeuge müssen nachgerüstet werden

Hofreiter forderte die Bundesregierung auf, in raschen Gesprächen mit den Automobilkonzernen die Kostenübernahme der Umrüstung von Diesel-Fahrzeugen auszuhandeln. "Für die Nachrüstung sehe ich eine klare Verantwortung bei der Autoindustrie", sagte Hofreiter dem Tagesspiegel: "Das muss die Bundesregierung jetzt verhandeln." Millionen Diesel-Fahrzeuge müssten dringend nachgerüstet werden, sagte der Grünen-Fraktionschef weiter. Andernfalls werde es Fahrverbote in Städten per Gerichtsurteil geben. "Die Bundesregierung lässt die Verbraucher mit diesen Problemen allein, das geht so nicht."

Viele Menschen hätten gedacht, sie würden ein umweltschonendes Fahrzeug kaufen und müssten "nun feststellen, dass sie stattdessen die Gesundheit der Menschen gefährden". Auch Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann forderte rasche Verhandlungen mit der Autoindustrie über die Nachrüstung von Diesel-Fahrzeugen. Er rechne fest damit, dass "zumindest die meisten Fahrzeuge der Dieselkategorie Euro 5 nachgerüstet werden", sagte er dem Tagesspiegel: "Das wird so sicher kommen wie das Amen in der Kirche."

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