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Laut dem "Schattenbericht" der Nationalen Armutskonferenz leben rund 16 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze.
© Frank Kleefeldt/dpa

"Schattenbericht" der Nationalen Armutskonferenz: "Viele Menschen haben nicht genug zum Leben"

16 Prozent der Deutschen sind arm: Das ist das Ergebnis eines Berichts der Armutskonferenz. Abhilfe böte vor allem gute und gut bezahlte Arbeit.

Alle drei Jahre veröffentlicht die Nationale Armutskonferenz ihren „Schattenbericht“, in dem sie die stabil hohen Armutszahlen anprangert und Betroffene selbst zu Wort kommen lässt. Unverändert und trotz der guten Wirtschaftsentwicklung leben dem jüngsten Bericht zufolge rund 16 Prozent der Bevölkerung an der statistischen Armutsgrenze. Unter dem Titel „Armut stört“ wurde der Bericht am Mittwoch in Berlin vorgestellt. Die Linkspartei warf der Koalition vor, im Kampf gegen Armut zu versagen.

Arbeitslosigkeit, Niedriglohnjobs und das Alleinerziehen von Kindern sind in Deutschland die Hauptursachen für Verarmung. Armut zu bekämpfen, sei keine Wohltätigkeit, sondern eine Verpflichtung, sagte die Sprecherin der Armutskonferenz, Barbara Eschen. Sie erneuerte die zentralen Forderungen des Bündnisses nach einer Kindergrundsicherung, einer Erhöhung des Mindestlohns und der Hartz-IV-Regelsätze und einer Abschaffung aller Sanktionen für Hartz-IV-Bezieher. „Viele Menschen haben nicht genug zum Leben“, sagte Eschen.

70 Prozent der Arbeitslosen sind arm

Das trifft dem Bericht zufolge an erster Stelle die Arbeitslosen, von denen 70,5 Prozent unter der Armutsgrenze leben. Bei Alleinerziehenden sind es 32,5 Prozent. Am seltensten zählen Paare mit zwei Kindern zu den Armen. Unter Frauen ist Einkommensarmut weiter verbreitet als unter Männern. Von den Senioren muss jeder Fünfte als arm gelten.

Abhilfe böte an erster Stelle gute und gut bezahlte Arbeit, sagte Eschen. Durch Niedriglöhne und unsichere Beschäftigungsverhältnisse habe sich stattdessen in den vergangenen zehn Jahren der Anteil der Beschäftigten, die trotz Arbeit zu den Armen gezählt werden müssen, auf fast zehn Prozent verdoppelt. Rund eine Million verdienen so wenig, dass sie zusätzlich auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind.

"Der Hartz IV-Regelsatz reicht nicht!"

Die Leistungen für Hartz-IV-Empfänger bieten aus Sicht der Armutskonferenz keinen Schutz vor Armut. „Der Regelsatz reicht nicht“, sagte Eschen und bezog sich damit auf Berechnungen von Wissenschaftlern und Wohlfahrtsverbänden, wonach die Sätze für Erwachsene und Kinder das Existenzminimum nicht abdecken. Verschärft werde das Problem durch rasant steigende Mieten. Im Durchschnitt müssten Haushalte heute 80 Euro im Monat zubuttern, weil die Kosten der Unterkunft, die eigentlich vom Jobcenter getragen werden, nicht realistisch ermittelt würden.

Die Parteivorsitzende der Linken, Katja Kipping, erklärte, der Schattenbericht zeige eindrücklich, wie die Politik bei der Beseitigung von Armut versage. Der Bericht schildere treffend, wie Armut „übersehen, übergangen, geleugnet und bestenfalls etwas gelindert“ werde und dass die Menschen sich in Behörden oft gemaßregelt und bevormundet fühlten.

Armut wird im Vergleich zu den Löhnen gemessen. Wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens hat, gilt statistisch gesehen als arm. Wenn die Einkommen steigen, erhöht sich auch die Armutsgrenze. In Deutschland galten im Jahr 2017 Single-Haushalte mit weniger als 999 Euro Nettoeinkünften als arm. Die Grenze für Familien mit zwei Kindern lag bei 2.099 Euro. Vor zwölf Jahren waren es noch 1.545 Euro.

Der Schattenbericht, der am diesjährigen Internationalen Tag zur Beseitigung der Armut zum dritten Mal veröffentlicht wurde, versteht sich als Parallelbericht zur Armuts- und Reichtumsberichterstattung der Bundesregierung. Die Nationale Armutskonferenz ist ein Bündnis von Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften und Selbsthilfeorganisationen, das sich für eine aktive Politik der Armutsbekämpfung einsetzt. (epd)

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