Letzte Hoffnung Paris: Viele Kurden in Syrien setzen auf Emmanuel Macron
Die Kurden in Syrien und im Irak suchen dringend Verbündete – die Türkei will ihre Offensive ausweiten. Auch die Jesiden in Nordirak sind wieder alarmiert.
Wird Frankreich Schutzmacht der Kurden? Die in Syrien, aber auch in der Türkei und im Irak lebende Minderheit hofft auf die französische Regierung: Präsident Emmanuel Macron hatte kürzlich Vertreter der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) in Paris empfangen und Hilfe in Aussicht gestellt. Die SDF werden von der säkularen Kurdenmiliz YPG dominiert, dazu kommen christliche und muslimische Einheiten. Macron sagte, er wolle einen Dialog zwischen den SDF und Ankara ermöglichen und wenn nötig, Soldaten in die Kurdenregion entsenden. Letzteres zumindest teilten die Kurden aus der Rojava genannten Autonomiezone in Nordsyrien mit. Das Präsidialamt in Paris äußerte sich dazu nicht.
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan reagierte heftig. „Nach diesem Verhalten hat Frankreich kein Recht mehr, sich über eine einzige Terrororganisation, einen einzigen Terroristen oder einen einzigen Terroranschlag zu beschweren“, sagte Erdogan in Ankara. Er sieht in der YPG eine Terrorgruppe, weil sie sie die syrische Schwestermiliz der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans PKK ist, die Ankara seit Jahrzehnten bekämpft.
Anders als die deutsche Bundesregierung hatte Paris den Einmarsch der Türkei ins syrische-kurdische Afrin früh kritisiert. Schon Marcons Vorgänger François Hollande hatte YPG-Vertreter in Paris empfangen. Auch in Washington, Prag und Stockholm werden die Kurden als prowestliche Fraktion aus dem völlig zersplitterten Syrien begrüßt. Die YPG gilt als Verbündeter des Westens im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS), die Kurden hatten sich weitgehend aus Syriens Bürgerkrieg herausgehalten.
Sowohl aus Kreisen der auch in Deutschland verbotenen PKK als auch aus dem Umfeld der konservativen Kurden in der Regionalregierung Nordiraks war am jetzt zu hören, man begrüße Macrons Worte, die Regierungen des Westens ließen demokratisch gesinnte Minderheiten in Nahost zumeist allein. US-Präsident Donald Trump hatte am Donnerstag einen nicht näher bestimmen Rückzug seiner Armee aus Syrien angekündigt – als De-facto-Schutzmacht der Kurden östlich des Euphrats käme ein Abzug der USA einer Ermunterung Erdogans gleich, der seine Offensive ausdehnen will.
Die türkische Führung hatte angekündigt, nicht nur Afrin von den YPG-Kurden zu „säubern“, sondern ganz Rojava sowie die PKK-Stellungen in der kurdischen Autonomieregion im Nordirak. Schon befürchten die Jesiden im Nordirak erneut einen versuchten Völkermord, sollte Erdogan seine Armee einmarschieren lassen. Jesiden waren 2014 massenhaft von IS-Männern massakriert, Frauen als Sklavinnen verschleppt worden. Die einzige Kraft, die damals zu Hilfe kam, war YPG- und PKK-Einheiten. Dies hatte auch in Deutschland zu Forderungen nach einer Neubewertung der PKK geführt.
Aus dem Kurdischen Nationalkongress hieß es nun, man hoffe, die neue Bundesregierung stoppe endlich die Waffenlieferungen an die Türkei und erhöhe den diplomatischen Druck auf Ankara, indem sich Deutschland stärker in der Nato engagiere. Der Kurdische Nationalkongress ist ein parteiübergreifendes Gremium im Brüsseler Exil. Neben PKK-nahen Vertretern sind dort etwa auch Delegierte der konservativen Partei KDP vertreten, die in der nordirakischen Kurdenregion die Regierung stellt.
Erdogan hatte erklärt, mit Bagdad gemeinsam gegen Kurdenstellungen in Nordirak vorgehen zu wollen. Zudem kooperiert Ankara mit iranischen Truppen an der gemeinsamen Grenze gegen kurdische Verbände. Nach Macrons Angebot sagte Erdogan, in Afrin habe man seit Beginn des Einmarsches am 20. Januar dieses Jahres schon „3800 Terroristen neutralisiert“. Inzwischen sind nicht nur Hunderttausende in der Provinz Afrin auf der Flucht. Tausende Syrer, die einst vor der Bombardierung der Großstadt Aleppo in die von der YPG geschützte Enklave flohen, kehren nun notgedrungen offenbar nach Aleppo zurück.