zum Hauptinhalt
US-Präsident Joe Biden hat wiederholt das autoritäre Regime in Peking angeprangert.
© Kevin Lamarque/REUTERS

China droht USA mit Vergeltung: Viel Ärger um ein wenig Olympia-Boykott

Die Entscheidung der USA, die Olympischen Winterspiele diplomatisch zu boykottieren, erzürnt China. Und sie setzt die EU und Deutschland unter Zugzwang.

Menschenrechtsaktivisten haben schon lange darauf gedrängt, nun ist die Entscheidung getroffen. Die USA boykottieren die Olympischen Spiele in Peking wegen Menschenrechtsverletzungen der chinesischen Regierung, allerdings nur diplomatisch. US-Athleten dürfen an den Wettbewerben im Februar 2022 teilnehmen, Washington entsendet aber keine Regierungsvertreter, wie das Weiße Haus am Montag ankündigte.

China begehe einen „Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ an den muslimischen Uiguren in der Region Xinjiang und auch andere Menschenrechtsverletzungen, erklärte die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki. Die Sportlerinnen und Sportler seien von dem Boykott nicht betroffen. „Die Athleten des Teams USA haben unsere volle Unterstützung. Wir werden zu 100 Prozent hinter ihnen stehen und sie von zu Hause aus anfeuern.“

China kritisierte den diplomatischen Boykott der USA und drohte mit Vergeltung. „Die USA werden den Preis für ihr Fehlverhalten bezahlen. Warten Sie ab“, sagte Außenamtssprecher Zhao Lijian.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) teilte mit, es respektiere die Ankündigung eines diplomatischen Boykotts der Winterspiele durch die USA. Die Anwesenheit von Regierungsvertretern sei eine rein politische Entscheidung für jede Regierung, sagte ein IOC-Sprecher.

Koordinierungsversuche in der EU

In der EU waren die Mitgliedstaaten am Dienstag noch dabei, sich angesichts des diplomatischen Boykotts der USA zu sortieren. Ein Sprecher der EU-Kommission unterstrich die Unterstützung der Brüsseler Behörde für die Integrität des Sports und der „weltweiten Achtung der Menschenrechte“. Großereignisse wie die Olympischen Spiele „sollten nicht für politische Propaganda genutzt werden“, fügte er hinzu.

Dies kann als deutlicher Fingerzeig an die Adresse Chinas gedeutet werden, die Winterspiele nicht politisch zu missbrauchen. Welche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind, überlässt die Kommission derweil den Mitgliedstaaten. Sportpolitische Fragen fallen nicht in die Kompetenz der EU.

Unter den EU-Staaten ist es vor allem Frankreich, das nach einem abgestimmten Vorgehen angesichts des US-Boykotts ruft. Die Regierung in Paris wolle sich mit den anderen EU-Staaten absprechen, hieß es aus dem Elysée-Palast. Wenn es Kritik an der Lage der Menschenrechte gebe, werde dies gegenüber Peking auch zum Ausdruck gebracht, hieß es weiter.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Zudem wurde am Amtssitz von Staatschef Emmanuel Macron darauf verwiesen, dass die EU im vergangenen März bereits Sanktionen gegen Peking verhängte. Wegen der Unterdrückung der Uiguren beschlossen die EU-Außenminister seinerzeit Strafmaßnahmen gegen Verantwortliche für die Unterdrückung der muslimischen Minderheit in Xinjiang. Den verantwortlichen Politikern ist die Einreise in die EU verboten, auch ihre Vermögenswerte wurden eingefroren. Erst am vergangenen Montag wurden die Sanktionen um ein weiteres Jahr verlängert.

Allerdings könnte es mit einer einheitlichen Linie der EU mit Blick auf die Winterspiele schwierig werden. Nach Angaben aus Regierungskreisen in Rom will sich Italien nicht an einem diplomatischen Boykott beteiligen. Als einzige große westliche Industrienation hatte sich Italien 2019 dem chinesischen Handelsprojekt der „Neuen Seidenstraße“ angeschlossen. Regierungschef Mario Draghi hat die Zusammenarbeit aber inzwischen auf Eis gelegt.

Die Ampel muss abwägen

Die neue Bundesregierung, die an diesem Mittwoch vereidigt werden soll, will sich über den Umgang mit China zunächst intern und dann mit den europäischen Partnern beraten, wie der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Dienstag ankündigte. Alle Maßnahmen müssten sorgfältig abgewogen werden. Allerdings ließ er zugleich erkennen, dass sich Deutschland aus seiner Sicht dem diplomatischen Olympia-Boykott der USA nicht anschließen sollte. „In einer Welt, die zusammenarbeiten muss, geht es auch darum, dass man die Signale der Zusammenarbeit nutzt“, sagte der künftige Bundeskanzler.

Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält das Vorgehen der künftigen Bundesregierung offen.
Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält das Vorgehen der künftigen Bundesregierung offen.
© dpa

Dagegen hatte die designierte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in einem „taz“-Interview einen Boykott der Olympischen Spiele nicht ausgeschlossen und betont, es gebe dabei für Regierungen „unterschiedliche Formen des Umgangs, die in den kommenden Wochen sicherlich diskutiert werden“.

Die Grünen und auch die FDP treten für einen deutlich härteren Kurs gegenüber China ein als die SPD. Im Koalitionsvertrag hatten sie sich außerdem auf eine „enge transatlantische Abstimmung“ in der China-Politik geeinigt.

Washingtons Entscheidung

Dass US-Präsident Joe Biden das wirtschaftlich und militärisch expandierende China als gefährlichen Rivalen ansieht und den Umgang mit dem autoritären Regime als größte Herausforderung der kommenden Jahrzehnte, macht er immer wieder klar. Menschenrechtsverletzungen, unfaire Handelspraktiken und anderes Fehlverhalten will er offen ansprechen. Gleichzeitig brauchen die USA Zugeständnisse Chinas bei anderen wichtigen Themen wie dem Kampf gegen den Klimawandel. Die China-Politik des Weißen Hauses gleicht daher einem Balanceakt.

Das vorübergehende Verschwinden der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai dürfte für Washington den Ausschlag gegeben haben.
Das vorübergehende Verschwinden der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai dürfte für Washington den Ausschlag gegeben haben.
© Mark Schiefelbein/dpa

Den letzten Anstoß für die Entscheidung Washingtons hat wohl die Kontroverse um die chinesische Tennisspielerin Peng Shuai gegeben. Sie hatte einen hohen Vertreter der Kommunistischen Partei beschuldigt, sie vergewaltigt zu haben und war daraufhin fast vollständig aus der Öffentlichkeit verschwunden.

Seltenes Lob für die Entscheidung des demokratischen Präsidenten kam von führenden Vertretern der Republikanischen Partei. So erklärten der Senator und ehemalige Präsidentschaftskandidat Mitt Romney, der diplomatische Boykott sende die richtige Botschaft an die Kommunistische Partei, ohne die amerikanischen Sportler zu bestrafen. Die Olympischen Spiele dürften nie wieder an ein Land vergeben werden, das einen Völkermord begehe und die Menschenrechte der eigenen Bürger so unverhohlen verletze. Donald Trumps ehemaliger Außenminister Mike Pompeo forderte dagegen einen kompletten Boykott der Spiele.

Zur Startseite