Frankreich vor der Stichwahl: Verliert Macron, ist Europas Zusammenhalt gegenüber Putin Geschichte
Am Sonntag entscheidet sich, wer Frankreich künftig regiert. Die Wahl ist entscheidend für das Schicksal Europas. Ein Kommentar.
Die Stichwahl in Frankreich am kommenden Sonntag wird auch zur Schicksalswahl für Europa. Auf der einen Seite steht ein pro-europäischer Amtsinhaber, auf der anderen Seite eine rechtsradikale Nationalistin. Das Problem ist nur, dass viele Franzosen die Gretchenfrage „Wie hältst Du es mit der EU?“ bei diesem Duell zwischen Emmanuel Macron und Marine Le Pen gar nicht als wahlentscheidend empfinden.
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Mehr noch: Bei erschreckend vielen Franzosen verfangen die Deutschland-feindlichen Thesen Le Pens und des Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon. Beide lehnen eine enge Kooperation mit Berlin aus unterschiedlichen Gründen ab.
Sowohl die Wähler Le Pens als auch die möglicherweise wahlentscheidenden Anhänger Mélenchons, der in der ersten Runde ausgeschieden ist, stehen der EU skeptisch bis feindlich gegenüber. Zudem geistert im linken Lager das Zerrbild eines ultraliberalen deutschen Wirtschaftsmodells herum.
Bei den extremen Rechten gilt Deutschland wiederum als das Land, das Frankreichs Streben nach souveräner Größe zunichtemacht. Le Pen will den Aachener Freundschaftsvertrag zwischen Berlin und Paris aufkündigen und gemeinsame Rüstungsprojekte wie das Luftkampfsystems FCAS beenden.
Radikaler Bruch mit Deutschland ist kein Tabu
Grob gesagt lässt sich prognostizieren, dass etwa die Hälfte derjenigen, die sich am kommenden Sonntag überhaupt zur Stimmabgabe aufraffen können, nichts gegen einen radikalen Bruch mit Deutschland hat. Dennoch wäre Macron für den Fall einer Wiederwahl gut beraten, diese Stimmen zu ignorieren und im Verhältnis zu Deutschland an seinem bisherigen Kurs festzuhalten.
Denn ein populistischer Stimmenfang, der sich allein auf anti-deutsche Ressentiments stützt, ersetzt noch keine praktische Politik. Und Macron muss sich in Frankreich keineswegs vorhalten lassen, die Interessen seiner Nation in der EU – siehe Atomkraft und die gemeinsame europäische Verschuldung für den Corona-Hilfsfonds – vernachlässigt zu haben.
Eine Lehre muss Macron aus diesem Präsidentschaftswahlkampf, der gleichzeitig auch sein letzter ist, dennoch ziehen: Anders als 2017 ist unter seinen Landsleuten keine übermäßige Scheu mehr zu spüren, eine Anti-Europäerin in den Elysée-Palast zu befördern.
An der Entschlossenheit vieler Franzosen, es auf eine Präsidentschaft Le Pens ankommen zu lassen, ändern auch die jüngsten Vorwürfe einer Veruntreuung von EU-Geldern nichts.
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Also muss sich Macron vor der Stichwahl jetzt doch jenen Sorgen widmen, die viele Menschen am meisten bewegen. Dazu zählen Inflationsängste (in Deutschland gäbe es angesichts der Datenlage dafür übrigens viel eher eine Grundlage als in Frankreich) und die Sorgen der Geringverdiener.
Le Pen will enge Kooperation zwischen Nato und Russland
Völlig bedeutungslos ist der russische Überfall auf die Ukraine in der entscheidenden Phase des Wahlkampfs indes auch wieder nicht. Macron täte gut daran, wenn er seine Herausforderin bei der TV-Debatte am Mittwoch auch auf diesem Feld stellen würde.
Le Pen schlägt trotz der Lehren aus dem russischen Angriffskrieg eine enge Kooperation zwischen Nato und Russland vor. Sollte sie zur Präsidentin gewählt werden, würde sie nicht nur ganz im Sinne Putins eine Schwächung der Nato anstreben, sondern auch der EU. Falls Macron sein Präsidentenamt verlieren würde, wäre der bisherige Zusammenhalt der Europäer gegenüber Putin Geschichte.