Von Kevin Kühnert bis Jens Spahn: Verjüngung allein reicht nicht
Die Parteien stellen sich frisch auf. Aber gilt dabei wirklich: Jung ist neu, und neu ist gut? Erinnert sich jemand an Karl-Theodor zu Guttenberg, Kristina Köhler, Philipp Rösler? Ein Kommentar.
Die Partei muss sich erneuern. Junge, frische Kräfte sind gefragt. Ein „Weiter so“ kann es nicht geben. Inhaltliche und personelle Verjüngung: Das steht dringend an. So tönt es jetzt überall. Da wird auch mit etwas Neid aufs Ausland gezeigt, Sebastian Kurz hier, Emmanuel Macron dort. Diese Jugendlichkeit, dieser Elan, dieser Enthusiasmus – das wollen wir auch! Und so wird aus Juso-Chef Kevin Kühnert (28 Jahre) ein Politstar, und aus Finanzstaatssekretär Jens Spahn (CDU, 37 Jahre) ein Hoffnungsträger. Die Formel lautet: Jung ist neu, und neu ist gut.
Erinnerungen werden wach. Im Oktober 2008 wollte CSU-Chef Horst Seehofer ein Aufbruchssignal für die Bundestagswahl im Jahr darauf setzen. Mit den „richtigen Gesichtern und der richtigen Politik“ seien wieder Ergebnisse in Bayern von 50 bis 60 Prozent möglich, sagte er. Ilse Aigner (43 Jahre) wurde Bundeslandwirtschaftsministerin, Karl-Theodor zu Guttenberg (36 Jahre) wurde Generalsekretär, ein Jahr später dann Verteidigungsminister. Kein Minister im neuen bayerischen Kabinett war älter als 60 Jahre. Erfolgreich war das nicht. Die CSU verlor 6,7 Prozentpunkte und kam 2009 mit 42,5 Prozent der Zweitstimmen auf ihr schlechtestes Ergebnis seit 1949.
Er scheint dabei doch so sehr von sich selbst und seiner Argumentation eingenommen, dass er nicht in der Lage ist, über den akademischen Diskurs hinaus die Lage des Landes und seiner Partei realistisch zu beurteilen.
schreibt NutzerIn hanse
Besser erging es zunächst der FDP. Guido Westerwelle (47 Jahre) hatte 2009 für die Liberalen einen großen Sieg errungen. Doch schon ein Jahr später rebellierte die Boygroup um Gesundheitsminister Philipp Rösler (37 Jahre), Generalsekretär Christian Lindner (31 Jahre) und Daniel Bahr (34 Jahre, ab Mai 2011 Nachfolger von Rösler im Gesundheitsministerium). Sie forderten eine programmatische Neuausrichtung der FDP, Westerwelle wurde entmachtet. Was folgte, war ein Absturz der Partei um knapp zehn Prozentpunkte, dem Bundestag gehörten ihre Vertreter ab 2013 nicht mehr an.
In vielen Kulturen geben Stammesälteste den Ton an
Jung ist neu, und neu ist gut: Wer denkt noch an Kristina Köhler (heute Schröder), die 2009 mit 32 Jahren für die CDU das Familienministerium übernahm? Ebenfalls im Kabinett saß zunächst Umweltminister Norbert Röttgen (44 Jahre), der im Mai 2012 indes, nach der vermasselten Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, von Angela Merkel aus der Regierung entlassen wurde.
In vielen Kulturen geben Stammesälteste den Ton an. Sie verfügen über Menschenkenntnis, erkennen Zyklen, haben aus Fehlern gelernt. In Parlamenten, Kirchengemeinden und Universitäten gibt es Ältestenräte, deren Mitglieder zwar nicht die ältesten, aber erfahren sein müssen. Das Mindestalter, um Bundespräsident werden zu dürfen, beträgt 40 Jahre. Junge Politiker können besser sein als alte – oder schlechter. Das Alter allein ist jedenfalls kein Qualitätskriterium.